Der letzte Mensch. Mary Shelley
der Idee, sie zu einer glanzvolleren Laufbahn anzuleiten, Entschuldigungen für unser Nichtstun.
Schließlich wurde unsere Ruhe gestört, und der Strom der Ereignisse, der seit fünf Jahren in stiller Ruhe dahingeflossen war, wurde von Wogen und Hindernissen durchbrochen, die uns aus unserem angenehmen Traum weckten.
Ein neuer Lordprotektor für England sollte gewählt werden; und auf Raymonds Bitte hin zogen wir nach London, um das Geschehen aus der Nähe zu verfolgen und sogar an der Wahl teilzunehmen. Wenn Raymond mit Idris vereinigt gewesen wäre, wäre dieser Posten sein Sprungbrett zu höherer Würde geworden; und sein Verlangen nach Macht und Ruhm wäre in vollstem Maß gekrönt worden. Er hatte ein Zepter gegen eine Laute getauscht, ein Königreich für Perdita.
Dachte er daran, als wir in die Stadt reisten? Ich beobachtete ihn, konnte aber nur wenig aus ihm herausbringen. Er war außerordentlich fröhlich, spielte mit seinem Kind und konterte jedes ausgesprochene Wort. Vielleicht tat er das, weil er sah, wie sich Perditas Stirn umwölkte. Sie versuchte sich zu fassen, aber ihre Augen füllten sich ab und zu mit Tränen, und sie sah Raymond und ihr Mädchen wehmütig an, als fürchte sie, dass etwas Böses sie bedrohe. Und so empfand sie es auch. Eine Vorahnung von Übel schwebte über ihr. Sie lehnte sich aus dem Fenster und blickte auf den Wald und die Türmchen des Schlosses, und als diese durch dazwischenliegende Gegenstände verdeckt wurden, rief sie leidenschaftlich: »Schauplätze des Glücks! Schauplätze, die der hingebungsvollen Liebe heilig sind, wann soll ich euch wiedersehen! Und wenn ich euch sehe, soll ich noch immer die geliebte und glückliche Perdita sein, oder soll ich mit gebrochenem Herzen und verloren durch eure Haine wandern, als ein Geist derer, die ich bin!«
»Närrin«, rief Raymond, »worüber grübelst du in deinem kleinen Kopf, dass du plötzlich so trübselig geworden bist? Sei guten Mutes, oder ich werde dich zu Idris bringen und Adrian in den Wagen rufen, der, wie ich durch seine Gebärden sehe, meine gute Laune teilt.«
Adrian war zu Pferd; er ritt zum Wagen auf, und seine Fröhlichkeit, zusätzlich zu der von Raymond, zerstreute die Melancholie meiner Schwester. Wir kamen am Abend in London an und begaben uns zu unseren verschiedenen Unterkünften in der Nähe des Hyde Parks.
Am nächsten Morgen besuchte Lord Raymond mich zu früher Stunde. »Ich komme zu dir«, sagte er, »nur halb versichert, dass du mich bei meinem Vorhaben unterstützen wirst, aber entschlossen, es auszuführen, ob du mir hilfst oder nicht. Versprich mir jedoch Geheimhaltung, denn wenn du nicht zu meinem Erfolg beiträgst, darfst du ihn mir wenigstens nicht vereiteln.«
»Gut, ich verspreche es. Und nun –«
»Und nun, lieber Freund, wofür sind wir nach London gekommen? Um bei der Wahl eines Lordprotektors anwesend zu sein und unser Ja oder Nein für Seine schlurfenden Gnaden von –––– abzugeben? Oder für diesen lauten Ryland? Glaubst du, dass ich dich dafür in die Stadt gebracht habe, Verney? Nein, wir werden einen eigenen Protektor haben. Wir werden einen Kandidaten aufstellen und seinen Erfolg sichern. Wir werden Adrian nominieren und unser Bestes geben, um ihm die Macht zu verleihen, zu der er durch seine Geburt berechtigt ist, und welche er durch seine Tugenden verdient.
Antworte nicht, ich kenne alle deine Einwände und werde ihnen in der richtigen Reihenfolge antworten. Erstens: Ob er einwilligen wird, ein großer Mann zu werden, oder nicht? Überlass mir die Sache der Überredung; ich bitte dich nicht, mir dabei Unterstützung zu leisten. Zweitens, ob er seine Beschäftigung mit dem Pflücken von Brombeeren und dem Pflegen von verwundeten Rebhühnern im Wald für die Befehlsgewalt über eine Nation eintauschen sollte? Mein lieber Lionel, wir sind verheiratete Männer und finden Beschäftigung darin, unsere Frauen zu unterhalten und mit unseren Kindern zu tanzen. Aber Adrian ist allein, unverheiratet, kinderlos, unbeschäftigt. Ich habe ihn lange beobachtet. Er sehnt sich nach einer Beschäftigung im Leben. Sein Herz, erschöpft von seinen frühen Leiden, ruht wie ein frisch geheiltes Glied, und er schreckt vor aller Aufregung zurück. Aber sein Verstand, seine Wohltätigkeit, seine Tugenden, wollen ein Feld zur Übung und Zurschaustellung, und wir werden es für ihn beschaffen. Nebenbei, ist es nicht eine Schande, dass das Genie Adrians fruchtlos auf Erden verblassen sollte wie eine Blume auf einem verlassenen Bergpfad? Glaubst du, die Natur schuf seinen überragenden Geist ohne eine dahinterstehende Absicht? Glaube mir, er ist dazu bestimmt, der Ursprung von unendlich viel Gutem in seinem heimatlichen England zu sein. Hat es ihm nicht jede Begabung in verschwenderischer Fülle geschenkt – Geburt, Reichtum, Talent, Güte? Liebt und bewundert ihn nicht jedermann? Und erfreut er sich nicht allein an solchen Bemühungen, die allen seine Liebe offenbaren? Komm, ich sehe, dass du bereits überzeugt bist und mir sekundieren wirst, wenn ich ihn heute Abend im Parlament vorschlage.«
»Du hast alle deine Argumente ausgezeichnet angebracht«, antwortete ich; »und wenn Adrian zustimmt, sind sie unantastbar. Ich habe nur eine einzige Bedingung, – dass du nichts ohne seine Zustimmung beginnst.«
»Ich glaube, du hast recht«, sagte Raymond; »obwohl ich zuerst vorgehabt hatte, die Angelegenheit anders zu bewerkstelligen. Sei es so. Ich werde sofort zu Adrian gehen; und wenn er dazu neigt, seine Zustimmung zu geben, wirst du meine Arbeit nicht zunichtemachen, indem du ihn überredest, zurückzukehren und wieder ein Eichhörnchen im Wald von Windsor zu werden. Idris, du wirst mich nicht verraten?«
»Vertraue mir«, antwortete sie, »ich werde eine strenge Neutralität wahren.«
»Ich für meinen Teil«, sagte ich, »bin zu sehr vom Wert unseres Freundes und der Fülle von Vorteilen überzeugt, die ganz England von seinem Protektorat zu erwarten hätte, um meine Landsleute solch eines Segens zu berauben, wenn er zustimmt, ihn ihnen zu schenken.«
Am Abend besuchte Adrian uns. – »Schmiedest auch du Ränke gegen mich«, sagte er lachend; »und wirst du mit Raymond gemeinsame Sache machen, indem du einen armen Visionär aus den Wolken zerrst, um ihn mit den Feuerwerken und Explosionen irdischer Größe statt himmlischer Strahlen und Lüfte zu umgeben? Ich dachte, du kennst mich besser.«
»Ich kenne dich in der Tat besser«, erwiderte ich, »als zu glauben, dass du in einer solchen Situation glücklich sein würdest; aber das Gute, das du anderen tust, mag ein Ansporn sein, da wahrscheinlich die Zeit gekommen ist, in der du deine Theorien in die Tat umsetzen kannst, und du eine solche Reformation und Veränderung herbeiführen könntest, dass sie zu dem perfekten Regierungssystem beitragen wird, das du dir gerne vorstellst.«
»Du sprichst von einem beinahe vergessenen Traum«, sagte Adrian, über dessen Gesicht ein Schatten fiel, als er sprach. »Die Visionen meiner Kindheit sind im Licht der Wirklichkeit längst verblasst, ich weiß jetzt, dass ich kein Mann bin, der dazu geeignet ist, Nationen zu regieren; mir ist es genug, wenn ich das kleine Königreich meiner eigenen Sterblichkeit hinlänglich regiere.
Aber siehst du nicht, Lionel, den Lauf unseres edlen Freundes, einen Lauf, der vielleicht ihm selbst unbekannt, aber für mich offensichtlich ist. Lord Raymond war nie dazu geboren, um eine Drohne im Bienenstock zu sein und in unserem ländlichen Leben Zufriedenheit zu finden. Er glaubt, dass er zufrieden sein sollte, er stellt sich vor, dass seine gegenwärtige Situation die Möglichkeit der Erhöhung ausschließt, deshalb plant er nicht einmal in seinem eigenen Herzen, sich zu verändern. Aber siehst du nicht, dass er unter der Idee, mich zu erhöhen, einen neuen Weg für sich selbst beschreitet, einen tätigen Weg, von dem er lange abgekommen war?
Lass uns ihm helfen. Er, der Edle, der Streitbare, der Große in jeder Eigenschaft, die den Geist und die Person des Menschen schmücken kann; er ist geeignet, der Lordprotektor von England zu sein. Wenn ich – das heißt, wenn wir ihn vorschlagen, wird er gewiss gewählt werden und in den Funktionen dieses hohen Amtes genug Raum für seine überragenden Geisteskräfte finden. Selbst Perdita wird sich freuen. Perdita, die ihren Ehrgeiz unterdrückte, bis sie Raymond heiratete, welches Ereignis für eine Weile die Erfüllung ihrer Hoffnungen war; Perdita wird sich erfreuen am Ruhm und Aufstieg ihres Gebieters – und, scheu und artig, nicht unzufrieden mit ihrem Anteil sein. In der Zwischenzeit werden wir, die Weisen des Landes, in unser Schloss zurückkehren und uns wie Cincinnatus unseren üblichen Arbeiten widmen, bis unser Freund unsere Anwesenheit und Hilfe hier verlangen wird.«
Je mehr Adrian über diesen Plan sprach, desto durchführbarer erschien