Wladimir Kramnik. Carsten Hensel

Wladimir Kramnik - Carsten Hensel


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21. e4 dxe4 22. fxe4 Lxe4 23. Lxe4 fxe4 24. Dxe4 Le7 25. Te1 Lf6 26. Te2 Dd5 27. Dxd5 exd5 28. Kf2 Kf7 29. Ke3 h5 30. h3 b5 31. Kd3 b4 32. Te1 Tc6 33. a3 bxa3 34. Lxa3 Ta6 35. Lb2 Kg6 36. Lc3 Ta3 37. Ta1 Txa1 38. Lxa1 Kf5 39. Ke3 g5 40. Kf3 g4+ 41. hxg4+ hxg4+ 42. Ke3 Le7 43. Lc3 Ld6 44. Le1 Ke6 45. Kd3 Kd7 46. Ke2 Kc6 47. Kd3 Kb5 48. Kc2 a5 49. Kd3 a4 50. bxa4+ Kxa4 51. Lf2 Kb3 52. Le1 Kb2 53. Lf2 Kc1 54. Le3+ Kd1 55. Lf2 La3 56. Ke3 Lc1+ 57. Kd3 Ld2 58. Le3 Le1 59. Lf4 Lf2 60. Le5 Ke1 61. Kc3 Ke2 62. Kb4 Kf3 63. Kc5 Ke4 0:1

       Wladimir Kramnik:

       »Das war für mich eine sehr bedeutende Partie bei der U21-Europameisterschaft. Ich war erst 15 Jahre alt und belegte am Ende den geteilten dritten Platz. Für die Begegnung mit Loek bekam ich den Preis für die schönste Partie des Turniers. Dabei handelte es sich um meinen ersten internationalen Pokal, auf den ich sehr stolz war und der auch heute noch in meinem Trophäenschrank steht. Viel wichtiger war jedoch, dass mich danach Anatoli Bychowski, der Cheftrainer der sowjetischen Jugendmannschaft, unterstützte. Die Partie gegen van Wely war ein entscheidender Auslöser für ihn. Bychowski erzählte mir Jahre später, dass er durch dieses Spiel verstanden habe, dass ich ein wirklich großer Schachspieler werden könne.

       Er vermittelte mir danach einige Einladungen zu russischen Turnieren, die ich sonst wohl nicht bekommen hätte und die mich in meiner weiteren Entwicklung sehr voranbrachten. Das Beeindruckende an dieser Partie gegen van Wely war, dass ich den drei Jahre älteren Niederländer in einer ausgeglichenen Stellung überspielen konnte. Nach dem 25. Zug bot Loek Remis an. Ich lehnte ab, weil Schwarz über einen besseren Läufer verfügte, spielte über beide Flanken und konnte winzige Vorteile nach und nach ausbauen. Mit 15 Jahren hatte sich meine Endspieltechnik schon ganz erheblich verfeinert. In diesem Stil habe ich später viele wichtige Partien meiner Karriere gewonnen.«

      »Time Is On My Side« The Rolling Stones (1964)

      Vom chaotischen Genie

      

8

      In der Schachwelt tat sich im Jahr 1992 eine Menge. Garri Kasparow gründete die Professional Chess Association (PCA). Es war sein erster Schritt, um sich vom Weltverband FIDE endgültig zu lösen. Am 27. Juni 1992 starb Michail Tal, achter Schachweltmeister der Geschichte, im Alter von nur 55 Jahren.

      1992 war auch das Jahr, in dem Bobby Fischer – 20 Jahre nach seinem legendären Sieg in Reykjavík – noch einmal antrat. Seine allerletzten öffentlichen Partien spielte er für ein Preisgeld von drei Millionen USDollar gegen Boris Spasski in Sveti Stefan (Montenegro) und Belgrad. Es war ein ziemlich bedeutungsloser Show-Wettkampf, den Fischer mit 17,5:12,5 locker gewann. Bobby schien das Geld des jugoslawischen Privatbankiers Jezdimir Vasiljević bitter nötig gehabt zu haben. Das Match brachte ihm nämlich im Nachhinein noch jede Menge Ärger ein, da er damit gegen das UNO-Embargo gegen Rest-Jugoslawien verstoßen hatte, das mit Serbien und Montenegro beide Veranstaltungsorte umfasste.

      Fischer drohten daraufhin in den USA Haft und eine hohe Geldstrafe, so dass er den Wohnort häufig wechselte. Wann immer den USA Fischers Wohnort bekannt wurde, versuchten die US-Behörden, seiner habhaft zu werden. Jedoch erfolglos. Nach Aufenthalten unter anderem auf den Philippinen, in Deutschland, Ungarn und Japan fand Bobby sein letztes Domizil auf Island. In Reykjavík, dort, wo er einst seinen größten Kampf ausgefochten hatte, verstarb er am 17. Januar 2008 – ohne seine Heimat jemals wiedergesehen zu haben.

      Die Schachwelt begann mich immer mehr in ihren Bann zu ziehen. Ich hatte im Profisport bereits Erfahrungen mit Fußballern, Boxern, Handballern und Tischtennisspielern gemacht. Aber Schach, das war noch einmal ganz etwas anderes. Die Spitzengroßmeister verfügten in der Regel über außergewöhnliche Fähigkeiten und starke Persönlichkeiten. Sie genossen einen ungeheuren Respekt, selbst bei den Medien. Alles war viel intensiver, nachhaltiger. Und: Sie waren echte Globetrotter. Mit ihrem Spiel zogen sie rund um die Welt, nicht wie ein Profifußballer, der vielleicht zwei- oder dreimal im Jahr im Rahmen der Europapokalwettbewerbe ein anderes Land sah. Nein, Schach war viel mehr und das nicht nur wegen seiner Großmeister.

      Rückblickend glaube ich, dass die 1980er und die 1990er Jahre das goldene Zeitalter des Schachspiels darstellten. Die Eröffnungsvorbereitung mittels Computerunterstützung war noch nicht so weit fortgeschritten, und der Mensch war der Maschine im Prinzip noch überlegen. Viele Spieler reisten noch mit Schachbüchern und ihren eigenen Aufzeichnungen zu den Turnieren. Die gesamte Szene inklusive der konkurrierenden Großmeister traf sich in den Hotels der Spielorte morgens zum Frühstück. Aus aller Herren Länder kamen sie, und es wurde über Schach, Sport oder Politik gefachsimpelt. Nach den Partien setzte man sich oft und gerne auf ein Glas Wein oder Bier zusammen. Es war noch eine »romantische« oder sagen wir besser gemütliche Zeit. Freundschaften entstanden, und die Gesellschaften eines Artur Jussupow, Jan Timman, Klaus Bischoff, Eric Lobron oder Iwan Sokolow bleiben unvergessen.

      Die Spielbedingungen und die Gagen hatten sich in dieser Periode des Profischachs erheblich verbessert – Bobby Fischer sei Dank, denn er hatte mit seinen Forderungen Maßstäbe gesetzt und die Veranstalter gezwungen, Bedingungen zu verändern und besonders die Interessen der Spieler viel mehr zu respektieren. Fischer wurde oft als verrückt bezeichnet. Im professionellen Sinne war er das keineswegs, auch für Wladimir Kramnik nicht. Die Topgroßmeister profitieren bis in die Gegenwart von seinen Initiativen. Fischers Nachfolger Anatoli Karpow und Garri Kasparow griffen den Ball auf, und ihre WM-Kämpfe taten ein Übriges zur Popularisierung. Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre hätte man – ähnlich wie im Tennis (ATP) oder Golf (PGA) – den Grundstein für eine blühende Zukunft des Profischachs legen können. Dass diese gewaltige Chance verpasst wurde, lag einzig und allein am Weltverband.

      Natürlich war der damalige Weltmeister Garri Kasparow ein schwieriger Partner. Schon 1985 zeigte er mit der Gründung der Großmeistervereinigung GMA erste Tendenzen zur Ablösung vom Weltverband, die er dann 1993 endgültig in die Tat umsetzte. Kasparow hatte jedoch gute Gründe, denn die FIDE verstand schon damals wenig bis gar nichts von der Vermarktung des Weltmeisterschaftszyklus und weiterer Topevents. Daran hat sich bis heute nicht sehr viel geändert, auch nicht hinsichtlich der zuweilen amateurhaften Präsentation und Organisation dieser Veranstaltungen.

      Durch den Einzug der Computer in die Schachwelt veränderte sich die Atmosphäre Zug um Zug zum Negativen. Die Tendenz, sich großer Schachdatenbanken auf der jeweils aktuellsten Hardware zu bedienen, wurde zu Beginn der 1990er Jahre von Garri Kasparow mit Unterstützung der Firma ChessBase stark vorangetrieben. Kasparow war der Erste, der das Potenzial der neuen Entwicklung frühzeitig erkannte und die Rechner nutzte wie kein anderer. Seine Eröffnungsvorbereitung verschaffte ihm damit jahrelang einen Vorsprung gegenüber seiner Konkurrenz. Was er damals begann, ist heutzutage so selbstverständlich wie die Schachregeln selbst.

      Der moderne Großmeister nutzt jede freie Minute für seine Eröffnungsvorbereitung mit dem Rechner. Gespräche und die Partieanalysen post mortem gibt es kaum noch. Die Schachsoftware ist mittlerweile selbst auf einem einfachen Notebook dem Weltmeister überlegen. In der Folge sind die Spielsäle meist nur spärlich besucht, weil auch das Publikum überwiegend lieber zu Hause vor dem Rechner sitzt, um die Partien im eigenen Wohnzimmer zu verfolgen. Sogar gestandene Schachjournalisten raffen sich immer weniger auf, vom Ort des Geschehens zu berichten.

      Das alles ist nicht sonderlich attraktiv für kommerzielle Sponsoren. Es ist allerhöchste Zeit, dass es in einigen Bereichen ein drastisches Umdenken beim Weltverband und auch den freien Veranstaltern gibt. Zeitversetzte Internetübertragungen sowie hohe Qualitätsstandards hinsichtlich der Organisation und der Präsentation von Topereignissen sollten zwingend eingeführt werden. In den allermeisten Fällen erfüllen sie die Ansprüche an eine zeitgemäße Vermarktung nämlich nicht.

      

9

      Aber zurück zu Wladimir Kramnik: Als er 1992 seinen unaufhaltsamen Aufstieg in die Weltspitze mit Turniersiegen in Gausdal/Norwegen, beim Dortmund-Open und in Chalkidiki/Griechenland begann, war die Schachwelt noch in Ordnung. Für die Schacholympiade in Manila hatte ihn Garri Kasparow empfohlen. Auch


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