Prinz Schamyls Brautwerbung. Richard Henry Savage
Art erwies, denn Platoff, der einer alten Bojarenfamilie entstammte, war eine „rara avis“ — von vornehmer Herkunft, und doch kein Fürst, ein Russe, und doch kein Verschwender.
Ahmeds Gesicht heiterte sich wieder etwas auf, während er mit seinem Freund die Aussichten des bevorstehenden Feldzuges besprach. Nicht nur Bulgarien, Serbien, Bosnien, die Herzegowina und das Vorrücken an der Donau wurden in Erwägung gezogen, sondern auch die Komplikationen am Schwarzen Meer, der grosse asiatische Kampf im Kaukasus, in Anatolien, Georgien und Armenien wurden eifrig und gründlich besprochen.
„Diesmal nehmen wir Kars, Batum und Erzerum, und behalten es dann aber auch,“ prophezeite Ahmed.
Vergnügt leerte Platoff sein Glas und sagte: „Das ist richtig, lieber Freund, der Kaiser braucht einen Weg nach Baku und —“
„Turkestan,“ vollendete Schamyl in düsterer Ahnung des künftigen unvermeidlichen Riesenkampfes, „in dem Russland und England auf Tod und Leben miteinander ringen werden, um das Herz Asiens, um Persien und Indien.“
„Du solltest in deiner Heimat dienen, Ahmed,“ bemerkte Platoff nachdenklich, „du kennst die Grenze so gut.“
„Ich kenne jede Schlucht und jedes Thal vom grossen Pass des Elbrus und von See zu See, so weit sich unsre Adler schwingen werden — denn diesmal müssen wir in Trapezunt Halt machen.“
„Warum das?“ rief Platoff.
„England,“ erwiderte der Cirkassier kurz und bündig.
„Koste einmal diesen Chambertin,“ befahl der Artillerist gastfreundlich, „ich will dir einen Toast vorschlagen.“
Fragend sah ihn Ahmed an, und mit schelmischem Lächeln erwiderte Paul: „Maritza, die Rose von Tiflis, soll leben!“
„Da stimme ich von Herzen mit ein!“
Beiden war die Prinzessin Maritza wohl bekannt; unter all den vornehmen Schönheiten in dem Katharinenstift war keine der blühenden georgischen Erbinnen der Tochter des grossen Hauses Deschkalin zu vergleichen gewesen.
Unter dem Schutz der Gattin des Gouverneurs von Transkaukasien und in Begleitung zweier gleichaltriger, lieblicher Standesgenossinnen war diese kaukasische Schönheit nach Petersburg gesandt worden.
Glücklicher Ahmed! Während ihres kurzen Aufenthaltes im Gefolge der Kaiserin hatte auch er Dienst im Palast gehabt und sich zum Aerger der übrigen eleganten Gardeoffiziere mit der strahlenden Schönheit in ihrer nahezu vergessenen Muttersprache unterhalten.
Während er den vollen, weichen Chambertin schlürfte, sah Ahmed im Geist Maritzas dunkle, im Glanze unvergleichlicher Schönheit leuchtende Augen blitzen.
„Ach, das Mädchen mit den Sternenaugen weilt nun in weiter Ferne, Paul, und am Hof des Vizekönigs von Tiflis gibt’s viele galante Herren!“
Allerdings war die unvergleichliche Georgierin, mit russischer Anmut ausgestattet, zum Entzücken der dortigen vergnügungssüchtigen Gesellschaft nach dem grossen Hauptquartier an der Grenze von Russland, Persien und der Türkei zurückgekehrt.
„Besitzt sie nicht einige der ehemaligen Herrschaften deines Hauses, Ahmed?“ fragte Paul.
„Das will ich meinen,“ erwiderte Ahmed lachend; „mein lieber Junge, die Deschkalin gebieten heute über den bei weitem grössten Teil unsres Landes vom schwarzen Grat des Dariel bis zu den Rosengärten des sonnigen Tiflis. Mein königlicher Vater hielt das Land mit vierzigtausend gepanzerten Reitern — immerhin ein kräftiger Besitztitel! — Dank der Grossmut des Kaisers haben wir jetzt Reichtümer genug, aber an Grund und Boden besitzt das Haus Schamyl in dem Lande seiner Väter nichts mehr als das alte Felsennest Gunib und die romantischen Wildparke um Dargo!“
Während sie bei Cigarren und Likören ihren Kaffee schlürften, erwogen die beiden Offiziere die Möglichkeit eines türkischen Aufstandes im Kaukasus.
„Wenn Ghazi sich dem Kaiser gegenüber treulos erweist, so ist es leicht möglich, dass du, Ahmed, statt in die Berge deiner Heimat in die Sümpfe der Dobrudscha geschickt wirst. Der Kaiser kann nicht alles wissen, indes ist nicht sehr wahrscheinlich, dass man dem einen Bruder die grössten Vertrauensstellungen überträgt, wenn man den andren als Ueberläufer und Verräter erkannt hat.“
„Ach, Paul, es ist zu traurig,“ rief Ahmed und rang die Hände, „aber selbst einen solchen Bruder vermag ich nicht im voraus anzugeben. Und kann ich für mich selbst eine Loyalität geltend machen, die noch nie erprobt worden ist? Aber,“ setzte er mit blitzenden Augen hinzu, „das Schlachtfeld wird sie bezeugen! ...“
„Ich möchte dir raten, nichts zu thun, um deinen mohammedanischen Halbbruder davon abzuhalten, dass er sich jetzt davonmacht, Ahmed,“ bemerkte Platoff bedächtig, während er forschend das edle Antlitz des jungen Ulanenoffiziers betrachtete.
„Warum?“ fragte Ahmed in tiefem Ton.
„Bring’ es heute abend noch zum Klappen! Du bist nicht im stand, ihn zu zwingen, dass er Treue halte, also lass ihn laufen. Der Krieg wird nicht vor einem Vierteljahr erklärt, und wenn er jetzt geht, kannst du deine Unschuld beweisen; desertiert er aber im letzten Augenblick, so sind deine Aussichten wenigstens für diesen Feldzug zerstört.“
„Paul, ich danke dir!“ Mit diesen Worten sprang Ahmed auf und versprach, wieder zu kommen, um Bericht zu erstatten.
In den blitzenden dunkeln Augen des Ulanen lag, als er mit den Schritten eines kriegerischen Bergbewohners die Treppe hinabeilte, ein Ausdruck, der für Ghazi nicht viel Gutes verhiess.
Die Schlittenglöckchen bimmelten, ein Schatten huschte am Fenster vorüber, und mit Sturmeseile flog Schamyl dieser traurigen Unterredung entgegen.
„Ein tapferer Kamerad,“ sagte Paul vor sich hin, während er in einem leichtfertigen französischen Roman blätterte; „ich glaube, das wird eine stürmische Scene geben. Welch ein Verhängnis!“
Wieder liess der Artilleriehauptmann seine Augen über den anscheinend abgedroschenen Inhalt seines Romans gleiten, dann schleuderte er den Band seinem Hund zu und rief: „Basta! Ich wollte, ich könnte noch einmal mit der lieblichen Maritza, der Rose von Tiflis, die Mazurka tanzen. Guter Gott, was für Augen!“ Platoff griff nach einer Cigarette und schloss träumerisch die Augen. Welch ein Ränkeschmied doch dieser Ghazi war!
„Bei St. Wladimir — ich hab’s! Ich durchschaue den Plan dieses Teufels! Schon hier verfolgte er Prinzessin Maritza mit Liebenswürdigkeiten; jetzt hofft er, die Herrschaft des Halbmondes werde sich bis über den Kaukasus ausdehnen, und wenn er diese Bewegung unterstützt, so kann er Pascha von Georgien werden. Soll er als unbeschränkter Gebieter über dies Zauberland herrschen und die Rose von Tiflis an der Brust tragen?“
Aufgeregt nahm Paul einen Schluck Wutki.
„Gewiss,“ sagte er vor sich hin, „ich muss Ahmed davor warnen! Er wird — er muss sie beschützen! Was für ein merkwürdiges Schauspiel würde es sein, wenn Sultan Schamyls Söhne in ihrem eigenen Lande um die schöne Rose von Georgien ihre Schwerter kreuzten!“
Platoff war ein hochherziger und bedächtiger Mann.
„Ich werde zu meinem Bruder Iwan gehen,“ überlegte er weiter, „und ihm die ganze Geschichte erzählen; dann kann er Fürst Gortschakoff mitteilen, wie treu und zuverlässig Ahmed ist, und das übrige wird sich der alte schlaue Fuchs schon selbst zusammenreimen. — Ja wohl, Ahmed muss in seinem eigenen Lande kämpfen! Heiliger Georg, welch ein Land für die Entfaltung der Artillerie!“ Damit verloren sich Platoffs Gedanken in den Rauchwolken noch ungeschlagener Schlachten.
Während Platoff rauchte und träumte, fuhr Ahmed mit zornerfülltem Herzen zu seines Bruders prächtigem Stadthaus, denn Ghazi Mohammed verschmähte es nicht, einen Luxus zu entfalten, der selbst auf die verschwenderischen Russen Eindruck machte.
Von dem kriechenden Dwornik erfuhr Ahmed, dass Seine Hoheit beim türkischen Geschäftsträger speise, und fuhr eilends nach dessen Palais, das er glänzend beleuchtet fand.
„Karten,