Prinz Schamyls Brautwerbung. Richard Henry Savage

Prinz Schamyls Brautwerbung - Richard Henry Savage


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ja des Zaren geheiligter Befehl!

      Platoffs Vorgehen hatte den gewünschten Erfolg gehabt, und auf dem Exerzierplatz dachte er fröhlich bei sich selbst: „Gott sei Dank! Ich habe Ahmed die Schmach erspart, seinen eigenen Bruder denunzieren zu müssen!“

      Als Platoff später seine mutigen Krieger in ihren Baracken inspizierte und sich an ihren roten Wangen, ihren strohblonden Bärten und ihrem echt russischen kraftvollen Aussehen erfreute, lächelte er befriedigt vor sich hin, denn von diesen Leuten war kein Verrat zu befürchten, wie von den halb türkischen, halb kurdischen Bergbewohnern, diese Leute waren, wenn’s not that, bereit, bis auf den letzten Mann für den weissen Zaren zu sterben.

      Bei Tisch machte Ahmed Schamyl mit der ganzen, peinlichen Höflichkeit seines Heimatlandes den Wirt.

      „Tapfer im Kampf“, „beredt im Rat“ sind grosse Lobsprüche in Cirkassien, aber den Preis trägt doch der davon, dem man die grösste Gastfreundschaft nachrühmt.

      Als sich die Dienerschaft endlich entfernt hatte, vernahm Platoff, wie die beiden Brüder auf dem schneebedeckten Platz als Feinde auseinander gegangen waren.

      „Wäre es ein andrer gewesen als meines Vaters Sohn,“ schloss der dunkellockige Riese, dessen Hände erregt mit dem schweren silbernen Wehrgehänge spielten, „so hätte er den Platz nicht lebendig verlassen! — Aber nun erzähle auch du, was es heute Neues gibt! Ich habe den Klub absichtlich gemieden und mich nicht einmal auf den Newsky gewagt!“

      „Prinz, ich habe heute nachmittag spät durch Iwan erfahren, dass eine geheime Expedition nach Taschkent befohlen war: Iranoff mit sechs Donkosaken und dein Bruder, der mit der Ausführung des Auftrages betraut werden sollte!“

      Schamyl war sprachlos vor Verwunderung.

      „Die Adjutanten haben den Prinzen Ghazi vergebens in seiner Wohnung gesucht.“

      Der schlaue Paul verriet mit keinem Hauch weder Fürst Gortschakoffs geheime Absicht, noch den Umstand, dass er seine eigenen Sammetpfötchen im Spiel gehabt hatte.

      „Welcher Bescheid wurde in seiner Wohnung erteilt?“ fragte Ahmed mit heiserer Stimme.

      „Der Haushofmeister erwiderte, Prinz Ghazi habe sich vergangene Nacht vom Ball in den Klub begeben; sein Wagen habe gewartet und sei auf seinen Befehl nach Hause geschickt worden. Im Jachtklub ist er nicht gesehen worden, und bis zu diesem Augenblick war er noch nicht aufzufinden!“

      Platoffs Stimme hatte einen eisigen Ton angenommen, der dem jungen Hörer ins Herz schnitt. Ghazi, sein Bruder — ein Deserteur!

      „Dann ist er entflohen!“ schrie Schamyl auf.

      Paul neigte bejahend sein Haupt.

      „Aber wohin? Wie? Mit wessen Hilfe?“ fragte der loyale Prinz in Todesangst.

      „Dies ausfindig zu machen, lieber Ahmed, werden wir, wie ich fürchte, der Dritten Abteilung überlassen müssen,“ antwortete der Hauptmann in mitleidigem Ton.

      „Der Sohn Schamyls ein steckbrieflich verfolgter Flüchtling!“ stöhnte der Prinz.

      „Du weisst wohl, dass er drei Tage nach der in seinem Hause erfolgten Citation dem Kaiser als Deserteur bekannt gegeben wird.“

      „Und bei mir hat man gar nicht angefragt!“ flüsterte Schamyl.

      „Nein, aber du befindest dich in einer sehr schwierigen Lage. Ich bezweifle, dass man dich persönlich verhört, und die Sache wird auch nicht in die Oeffentlichkeit getragen werden. Iwan sagte mir, das Auswärtige Amt und das Ministerium des Innern hätten die in solchen Fällen üblichen Befehle an alle Grenzen und Gesandtschaften telegraphiert.“

      „Wo werde ich Ghazi wohl wiedersehen, Paul? Am Galgen?“ stöhnte Ahmed.

      „Nein, Prinz, ich glaube, dass er von etlichen tausend kurdischen Teufeln umgeben sein wird, wenn du wieder mit ihm zusammentriffst. ... Ihr werdet euch auf dem Schlachtfeld gegenüberstehen.“

      Schamyl schlug seine müden Augen zu dem Freunde auf.

      „Und in den Klubs ... im Regiment,“ rief Ahmed mit blitzenden Augen, „oh dass mir doch so ein dummes, geschwätziges Opfer in den Weg liefe!“

      „Schamyl, du darfst dergleichen nicht beachten. An dir wird kein Makel haften, aber den Abwesenden kannst und darfst du nicht verteidigen! Nicht einer könnte in diesem Fall deine Herausforderung annehmen — das würde die Loyalität von selbst verbieten!“

      Paul war tief erregt. „Magna est veritas!“

      „Du hast recht, mein Freund,“ erwiderte Schamyl finster. „Der älteste Sohn des Sultan Schamyl ist jetzt ein Deserteur und ein Verräter. Ich muss diese Last schweigend tragen lernen.“

      Paul fand zum Schluss noch eine tröstliche Vermutung.

      „Ghazi kann Russland nicht verlassen haben ohne vorhergehende Abmachungen, ohne Hilfe und ohne wachsame Freunde. Wenn er hinausgeschmuggelt worden ist, so deutet alles auf die türkische Gesandtschaft hin, und dort kann man nicht allzugründlich nachforschen, weil das gesamte Personal in Bälde abreisen wird. Dieser ganze Skandal wird gar bald von der leidenschaftlichen Aufregung verschlungen werden, die der Krieg mit sich bringt.“

      „Bei Gott, ich werde diesen schlauen Teufel Mustapha in seinem eigenen Haus am Bart reissen!“ rief Ahmed und sprang auf.

      „Das darfst du gerade nicht thun, denn ein solch unkluges Vorgehen würde die tiefste Ungnade des Zaren nach sich ziehen. Hole dir deine Rache auf dem Schlachtfeld, Ahmed, und bringe eine feindliche Standarte heim! Die ehemalige Freundin deines Bruders, Nadja Vronsky, musst du, wie auch seine übrigen Vertrauten strengstens meiden. Cherchez la femme — ’s ist immer die alte Geschichte! Uebrigens ist sie nur Ghazis Werkzeug, denn er ist nicht der Mann, sich einem fremden Einfluss zu beugen.“

      „Du hast recht, Paul! Ich verlasse mich drauf, dass du mich von allem unterrichtest. Aber wenn man mir das Kommando meines Regimentes abnimmt, so jage ich mir auf der Parade eine Kugel durch den Kopf — öffentliche Schande vermag ich nicht zu ertragen.“

      Ahmed befand sich in einer an Irrsinn grenzenden Aufregung.

      „Lieber Kamerad, glaube mir, du musst dich ganz auf den Zartsinn unsres heldenhaften Kaisers verlassen! Versprich mir, dass du dich in dieser Sache von mir leiten lassen willst,“ bat Paul, der bis ins innerste Herz ergriffen war, mit bebender Stimme.

      „Du hast mein Wort, Platoff! Nun komm und lass uns einen Blick auf die Newa werfen!“ erwiderte Ahmed.

      Zehn Minuten später fuhren die beiden Freunde in rasendem Trab am Ufer der Newa entlang, und die Sorgen des Tages traten ein wenig zurück.

      Während Ahmeds Aufregung sich zur Freude des Artilleriehauptmanns allmählich legte, wurden in dem Tete-a-tete an Nadja Vronskys Tisch die dunkelsten Pläne ausgeheckt.

      Mit seiner weichen Stimme legte Mustapha seiner Gefährtin die verworrenen Fäden der von dem fürstlichen Deserteur angezettelten Intriguen bloss.

      „Da Sie nach Konstantinopel gehen, Gräfin, müssen Sie alles erfahren. Ich habe Ghazi den Oberbefehl über die armenische Kavallerie versprochen, aber einige private Angelegenheiten sind noch bei der Pforte zu erörtern, weshalb Sie, ohne auffällige Eile, baldmöglichst via Wien mit der Bahn nach dem Bosporus reisen müssen. Uns können jeden Augenblick unsre Pässe ausgefolgt werden, denn Gortschakoff, Schuwaloff, Oubrey und dieser Erzteufel Nikolaus Ignatief sind bereit, die Lunte an die Mine zu legen.“

      „Kann ich hier nicht mehr von Nutzen sein?“ flüsterte die schöne Intrigantin, denn in Petersburg haben die dicksten Steinmauern Ohren von fabelhafter Feinheit.

      Lächelnd griff Mustapha nach dem verbotenen Weinglas. „Liebe Freundin, Sie haben wahre Wunder vollbracht und wissen ja, was der Rat für Sie thun wird, aber jetzt ist hier doch allgemein bekannt, dass das Weib, das sich Vronsky an der Donau erobert hat, im Grund ihres Herzens keine Russin ist! Ihr wunderbares Talent hat hierzu viel Aufmerksamkeit erregt.“

      „Und


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