Bright Horizon. H.J. Welch
einen Kloß im Hals. »Von wem reden Sie eigentlich? Ich kenne niemanden mit diesem Namen und… was immer CBE auch heißt. Testament? Soll das heißen, ich habe geerbt?«
Mr. Cabot sah ihn abschätzend an und tupfte sich wieder mit dem Taschentuch die Nase. Es war, als würde der Duft der Backwaren seinen Geruchssinn beleidigen.
»Die Details werden in den Dokumenten erläutert, die sich in diesem Umschlag befinden«, näselte er. »Aber – und wie Sie bereits so treffend festgestellt haben – Sie kannten Ihre Großmutter nicht. Ihrer überlebenden Familie war Ihre Existenz ebenfalls unbekannt. Sie haben das Testament bereits angefochten. Ihre Anwesenheit ist weder in London noch in Wiltshire erforderlich, wo sich das Anwesen der Familie befindet. Ich bin damit beauftragt, Sie über den Stand der Dinge zu informieren und Ihnen mitzuteilen, dass Ihr persönliches Erscheinen nicht vonnöten ist.«
Elias blinzelte. »Sie sind den ganzen Weg nach Pine Cove gekommen, um Ben persönlich zu informieren«, sagte er stirnrunzelnd. »Und dann sagen Sie ihm, er bräuchte sich nicht darum zu kümmern? Ist das eine Drohung, Mr. Cabot?«
Mr. Cabot lächelte Elias boshaft an. »Habe ich etwa gesagt, es wäre eine Drohung, Mr. Solomon?«
Ben lief es eiskalt über den Rücken. Mr. Cabot war nicht nur groß und breit, er hatte auch einen Blick in den leicht blutunterlaufenen Augen, bei dem Ben richtig unheimlich wurde. Sein Herz pochte wie wild. Er hatte eine verstorbene Verwandte, die ihm etwas vererbt hatte, aber ihre Familie wollte nicht, dass er das Erbe bekam?
Einen Moment… Wenn es ihre Familie war, dann war es doch auch seine, oder nicht? Er hatte eine Familie, von der er bisher nichts gewusst hatte? »Wie sind wir denn verwandt?«
»Sie war die Mutter Ihres Großvaters. Er war ihr ältester Sohn. Der Vater Ihres Vaters.«
»Grandpa?«, fragte Ben mit belegter Stimme und griff nach dem Umschlag. Großvater Thomas war gestorben, als Ben erst sieben Jahre alt war. Er hatte Ben beigebracht, wie man Biskuitkuchen backte. Dad hatte ihm später erzählt, dass Grandpa aus England eingewandert wäre, ihm aber nie gesagt hätte, warum er seine Heimat verlassen hatte.
Elias kam einen kleinen Schritt näher zu Ben und sah Mr. Cabot an. »Wenn Mr. Turner der rechtmäßige Urenkel von Mrs. Grimaldi de Loutherbergh ist, warum wird ihr Testament dann angefochten?«
Mr. Cabots Nasenflügel bebten. »Ich bin nicht befugt, Sie über die rechtlichen Angelegenheiten der Familie – meiner Klienten – in Kenntnis zu setzen, Mr. Solomon. Aber die Tatsache, dass Ihr Klient bis vor wenigen Minuten nichts über ihre Existenz wusste, spricht für sich selbst. Meinen Sie nicht auch? Die Grimaldi de Loutherberghs werden nicht zulassen, dass ihr Anwesen in Kleinteile aufgesplittert wird und sie es mit einem… Bäcker teilen müssen.« Er rollte mit seinen breiten Schultern.
Ben starrte ihn sprachlos an.
Der Mann hatte etwas Bedrohliches. Es war nicht nur seine feindselige Sprache. Ben war froh, dass er nicht allein mit ihm konfrontiert war, sondern Elias gerade im richtigen Moment in den Laden gekommen war, um ihm zur Seite zu stehen.
Aber so einschüchternd dieser Mr. Cabot auch war, in Ben regte sich Empörung über sein unverschämtes Verhalten. Wie konnte dieser Kerl so mit ihm reden? Ben nahm seinen ganzen Mut zusammen und sah ihn direkt an.
»Hören Sie«, sagte er mit fester Stimme. »Ich habe nicht um dieses Erbe oder was auch immer gebeten. Aber ich wüsste es sehr zu schätzen, wenn Sie mich mit etwas mehr Respekt behandeln.«
Mr. Cabot lachte, aber sein Lachen erreichte nicht die Augen. »Ich habe ihnen mitgeteilt, wozu ich von der Kanzlei und den Grimaldi de Loutherberghs beauftragt wurde, Mr. Turner. Mein Flug geht in zwei Stunden. Für mich ist diese Angelegenheit erledigt. Wir sind gesetzlich verpflichtet, Sie darüber in Kenntnis zu setzen, dass Ihr Name in dem Testament erwähnt wird. Aber Sie werden weder Wiltshire noch irgendeinen anderen Teil Englands betreten. Haben Sie das verstanden?«
»Ich gehe davon aus, dass Sie das ebenfalls nicht als Drohung gemeint haben, Mr. Cabot?«, sagte Elias mit hochgezogener Augenbraue. Seine Mundwinkel zuckten, aber sein Lächeln war eiskalt.
Mr. Cabot warf erst ihm, dann Ben einen finsteren Blick zu und drehte sich auf dem Absatz um.
Es war, als würde sich vor ihm das Rote Meer teilen. Rechts und links sprangen ihm Kunden aus dem Weg, als er zur Tür lief. Sie sahen ihm schweigend nach, wie er den Laden verließ. Die Türglocke klingelte und nachdem er verschwunden war, fingen die Leute wieder zu reden an. Lars machte ein großes Aufheben darum, einen weiteren Mitarbeiter hinter die Theke zu holen, um die wartenden Kunden zu bedienen.
Mist. Was war da gerade passiert? Warum kam Ben sich vor, als wäre er blöd angemacht worden? Vermutlich stimmte das sogar. Aber warum hasste dieser Mr. Cabot ihn so? Wie kam es, dass Ben eine Urgroßmutter hatte, von der er heute zum ersten Mal hörte? Und warum hatte sie ihn in ihrem Testament bedacht? Warum wollten die anderen Mitglieder ihrer – seiner – Familie nicht, dass er sein Erbe antrat?
Ben fiel erst auf, dass er zitterte, als Lars ihm den Arm um die Schultern legte. Er drückte Ben eine Tasse Kaffee mit Zucker in die freie Hand – in der anderen hielt Ben noch den Umschlag – und sah ihn mitfühlend an. »Wir schaffen das hier, Ben. Lies dir jetzt erst den Brief durch, ja?«
Ben hob den Kopf und schaute sich im Laden um. Die wartenden Kunden sahen ihn mit einer Mischung aus Neugier und Sympathie an.
Bis auf seinen Mann. Elias lehnte sich über die Theke, um Ben näher zu sein.
Obwohl Ben noch unter Schock stand, roch er das frische Aftershave von Elias, das ihn ans Meer erinnerte. Sein Schwanz pochte.
Platz, Junge!
»Es tut mir leid, dass ich mich einfach eingemischt habe«, sagte Elias und blinzelte mit seinen grünen Augen. »Ich habe schon oft erlebt, wie Anwälte Menschen eingeschüchtert haben, um sie unter Druck zu setzen. Bei mir haben sofort sämtliche Alarmglocken geklingelt.«
Ben ging um die Theke herum zu ihm. »Bitte«, stammelte er. »Du musst dich nicht entschuldigen. Du warst wunderbar! Hm. Bist du wirklich…?«
»Ein Anwalt?« Elias schmunzelte und führte ihn an einen der leeren Tische. Glücklicherweise war es noch zu früh, um viele Gäste zu haben. »Ja, das bin ich. Ich habe über zehn Jahre für Mansell und Collier in Seattle gearbeitet. Jetzt praktiziere ich hier in der Stadt.« Ben setzte sich und Elias hob beide Hände. »Sorry. Ich dachte, du willst vielleicht Hilfe mit den Unterlagen. Aber wenn du noch Zeit brauchst…«
»N-nein, bitte«, stammelte Ben. Guter Gott, es wäre wirklich nicht schlecht, ein vernünftiges Wort über die Lippen zu bringen. »Ich wäre über professionellen Rat sehr froh. Ich… oh…« Er sah sprachlos zu, wie Lars eine zweite Tasse Kaffee und zwei Plunder an ihren Tisch brachte.
»Mr. Solomon wird sich um alles kümmern, Ben«, sagte er ernst und lief wieder hinter die Theke zurück.
Ben hatte das Gefühl, als hätten sich seine Augenbrauen hinter den Haaransatz zurückgezogen. Konnte dieser Tag denn noch verrückter werden? Erst fiel dieser unhöfliche Brite über ihn her und dann… hatte er plötzlich ein Geschäftsfrühstück mit seinem heimlichen Schwarm.
Am besten, er machte einfach mit.
»Ich habe Lars kürzlich bei einigen juristischen Problemen geholfen«, sagte Elias verlegen. Er setzte sich, trank einen Schluck Kaffee und zeigte auf die Plunder. Ben fragte sich, warum es ihm so peinlich war, das einzugestehen. So, wie Lars es eben gesagt hatte, musste Elias ihm eine große Hilfe gewesen sein.
Ben sah zu, wie Elias mit dem Daumen über den Rand der Kaffeetasse rieb. Es fiel ihm schwer, sich nicht vorzustellen, wie sich dieser Daumen an seinem Nippel anfühlen würde. Verdammt, das grenzte schon langsam an Besessenheit. Normalerweise hätte es ihn nicht gestört, aber die Lage war ernst und er musste sich konzentrieren.
Lars musste sogar wissen, wie Elias seinen Kaffee trank. Der Kaffee war ohne Zucker und mit fettarmer Milch und er schien Elias zu schmecken. Bens Kaffee enthielt drei Zuckerwürfel und einen großen