Bright Horizon. H.J. Welch

Bright Horizon - H.J. Welch


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davon. Seine Gedanken waren schon unter normalen Umständen unangemessen. Und nach allem, was Ben heute widerfahren war, galt das erst recht.

      »Ich denke, du kannst jetzt aufstehen«, sagte Elias. »Falls du dich danach fühlst.«

      Ben nickte, legte die Beine auf den Holzfußboden und setzte sich auf. Es war auf eine altmodische Art idyllisch hier, deshalb war die Bäckerei bei ihren Kunden so beliebt. Auf den Regalen an den Wänden standen alte Getreidesäcke mit ausgebleichten Aufdrucken und in alten Gießkannen aus Blech blühten Blumen. Die Speisekarte war mit Kreide auf Wandtafeln geschrieben und im Schaufenster stand ein altes Fahrrad mit einem Einkaufskorb am Lenker, in dem ebenfalls Blumen blühten – selbst zu dieser Jahreszeit.

      Elias fühlte sich immer gleich wie zu Hause, wenn er die Bäckerei betrat.

      Ben runzelte die Stirn und sah ihn verwirrt an. »Hast du das eben wirklich gesagt oder habe ich es mir nur eingebildet?«, fragte er verzagt. »Das mit den fünfundsechzig… hm…« Millionen Dollar. Kein Wunder, dass er aus den Latschen gekippt war.

      »Na ja, im Testament ist von fünfzig Millionen Pfund die Rede, aber ich habe kürzlich den Wechselkurs nachgesehen. Also ja…« Elias nickte. »Hey, meinst du, dein Boss würde dir eine Pause erlauben? Dann könnte ich dir helfen, die Unterlagen genauer durchzugehen.«

      Ben riss die Augen auf. »Ich kann mir keinen Anwalt leisten«, stammelte er.

      Elias schnaubte. Er konnte es nicht verhindern. »Ich denke schon«, sagte er und hoffte, Ben nicht zu weit zu treiben. Aber Ben verstand den Witz und rollte lachend mit den Augen. Elias wusste, wie kompliziert die Angelegenheit war. »Aber ich meine es ernst. Mach dir keine Sorgen. Meine Firma übernimmt auch einen bestimmten Anteil von Fällen umsonst, wenn sich jemand die Kosten nicht leisten kann. Ich habe im Moment keine dringenden Fälle und deshalb Zeit. Was meinst du? Glaubst du, dass dich Lars kurz entbehren kann?«

      »Geht nur!« Die beiden schauten auf. Hinter der Theke stand Lars und winkte sie weg. »Die anderen sind hier«, sagte er mit seinem leichten Akzent, den Elias schon vor längerer Zeit als holländisch erkannt hatte. »Wir schaffen das schon. Die Sache ist jetzt wichtig für dich.«

      Das war sie.

      Elias half Ben lächelnd auf die Beine. »Hast du was dagegen, wenn wir ins Sunny's gehen? Wir können uns in eine Nische setzen und frühstücken. Dort sind wir ungestörter.«

      Die Erleichterung in Bens Gesicht ließ Elias' dummes Herz tanzen. Ben war ihm nur dankbar. Es war kein Date. Elias musste wieder zu seiner Professionalität zurückfinden.

      »Das hört sich prima an«, meinte Ben. »Ich hole nur schnell meine Sachen.«

      Einige Minuten später schlenderte sie im Schein der Novembersonne den Bürgersteig entlang. Halloween war schon vorbei und die Läden bereiteten sich auf Thanksgiving vor. Die Luft war frisch und kalt, aber in ihren dicken Jacken und mit Handschuhen war es sehr angenehm.

      »Ich muss dich vorwarnen«, sagte Elias, als sie das Diner betraten. »Ich bin amerikanischer Anwalt. In Großbritannien sind die Gesetze etwas anders und es kann sein, dass ich dir in einigen Punkten keine Ratschläge geben kann.«

      Ben schnaubte. »Meine Rechtskenntnisse beschränken sich auf diese Fernsehserie mit den beiden heißen Typen, von denen einer nur so tut, als ob er Anwalt wäre.«

      Er warf Elias einen Blick zu. Elias fühlte sich, als würde er auf die Probe gestellt. Aber es fühlte sich nicht wie eine Prüfung an.

      Eher wie ein Geschenk.

      Ben hatte gerade indirekt zugegeben, auf Männer zu stehen.

      »Ja, die Chemie zwischen den beiden war toll«, sagte Elias kopfschüttelnd. »Ich mochte auch die Freundin, aber ich hätte sie am liebsten immer sanft aus dem Weg geschubst.«

      Dieses Mal war Bens Erleichterung mit Händen greifbar und Elias freute sich darüber. »Ich wollte sie immer mit der frechen Staatsanwältin verkuppeln.«

      Es war so einfach und locker, mit Ben über eine Fernsehserie zu schwatzen, während sie sich dem Sunny Side Up näherten. Elias gab den Kampf auf und fand sich damit ab, dass sie nichts Falsches taten. Es gab keinen Grund, warum er die Unterhaltung mit einem attraktiven jungen Mann nicht genießen sollte.

      Er hatte mittlerweile sogar den Verdacht, dass Ben nicht mehr so jung war, wie er zuerst vermutet hatte. Sicher, Ben war ein kleiner, zierlicher Mann, aber in seinen Augen lagen eine Schärfe und eine Intelligenz, die ihn wesentlich älter wirken ließen.

      Elias entgingen Tyee Perkins' neugierige Blicke nicht, als er mit Ben das Sunny's betrat. Es roch köstlich nach Bratkartoffeln und frischem Kaffee. Elias mochte die beiden Ehemänner gern, die das Diner betrieben. Besonders der freundliche, offenherzige Tyee, der sich meistens um die Gäste kümmerte, war ein sehr netter Mann. Trotzdem hoffte er, dass Tyee jetzt keine peinliche Bemerkung machen würde.

      Glücklicherweise hielt Ben immer noch den weißen Umschlag umklammert und machte einen so verwirrten Eindruck, dass Tyee sich auf eine höfliche Begrüßung beschränkte. »Eine Nische zum Frühstücken und Arbeiten?«, erkundigte er sich und zog zwei Speisekarten aus dem Ständer.

      Elias lächelte erleichtert. »Ja, danke.«

      Als sie durch das gut gefüllte Diner gingen, fiel ihm Micha, Tyees jüngster Sohn, auf, der fröhlich eine Gruppe junger Mütter mit Kinderwagen bediente. Micha sah ihn nicht, aber das war in Ordnung. Elias kannte Michas Freund Swift und rechnete sich an, einen kleinen Beitrag dazu geleistet zu haben, dass die beiden jetzt ein Paar waren. Er freute sich immer sehr, wenn zwei Menschen zusammenfanden.

      Auch wenn es ihn jedes Mal ein klitzekleines bisschen traurig stimmte.

      Er schüttelte sich innerlich. Er hatte nicht das Recht, die glücklichen Paare zu beneiden. Er war Herr über sein eigenes Schicksal. Vielleicht standen auch für ihn eines Tages die Sterne richtig und er fand den richtigen Mann. Aber jetzt hatte er anderes zu tun.

      Elias hatte seinem Chef schon eine Nachricht geschickt und ihn darüber informiert, dass er sich wegen eines unerwarteten Klienten verspäten würde. Er war ein sehr zuverlässiger Mitarbeiter, deshalb hatte er kein schlechtes Gewissen. Sein Chef sah das genauso und richtete ihm aus, er solle sich Zeit lassen.

      Nachdem sie bei Rosa, Tyees Enkelin, ihre Bestellung aufgegeben hatten, machten sie sich an die Arbeit.

      »Dann bin ich jetzt… Millionär?«, fragte Ben über Kaffee und Orangensaft. Er hatte drei Löffel Zucker in den Kaffee gegeben und rührte ihn gedankenverloren um, während er an die Wand starrte, als hoffte er, dass sich ein Loch auftun würde und er entkommen könnte.

      Elias hätte aus gesundheitlichen Gründen eigentlich keinen Kaffee bestellen sollen, hatte aber seine letzte Tasse nicht ausgetrunken und nahm sich jetzt vor, den Rest des Tages nur noch grünen Tee zu trinken. Er beneidete Ben um seinen sorglosen Umgang mit Nahrungsmitteln.

      »Es sieht so aus«, erwiderte er, trank einen Schluck Kaffee und leckte sich über die Lippen.

      Ben rieb sich die Schläfen. »Es ist verrückt. Wie kann mir eine Dame aus England, von der ich noch nie gehört habe, ein solches Vermögen hinterlassen? Kein Wunder, dass ihre Familie stinksauer ist.«

      Elias neigte den Kopf zur Seite. »Wie dem auch sei, es gibt einen guten Grund dafür, dass ein Testament der letzte Wille genannt wird. Es war ihr Wille und sie sollten ihn ehren.«

      »Und wenn ich das Erbe gar nicht antreten will?«, fragte Ben ernst. Elias wurde warm ums Herz. Sicher, es war kitschig, aber Ben war so herzerfrischend unbedarft. Die meisten Menschen würden sich vermutlich die Finger lecken, wenn man ihnen ein solches Erbe anbot.

      »Du willst die fünfundsechzig Millionen Dollar nicht?«, fragte er nach.

      Bens Mundwinkel zuckten. »Das habe ich nicht behauptet«, gab er zu und brachte Elias damit zum Schmunzeln. »Es ist nur… Ich komme mir vor, als würde ich die rechtmäßigen Eigentümer bestehlen. Ihnen ihr Haus und ihr Geschäft abnehmen. Kein Wunder, dass sie mich


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