Bright Horizon. H.J. Welch

Bright Horizon - H.J. Welch


Скачать книгу
Du kennst dich mit diesen Sachen aus. Du weißt, dass sich das englische Recht von unserem unterscheidet, aber du bist wenigstens ein Anwalt. Es muss doch auch Ähnlichkeiten geben, oder? Du merkst wenigstens eher als ich Landei, wenn sie mich übers Ohr hauen wollen.«

      Elias konnte es nicht fassen. Hatte er richtig gehört?

      Nun, wenn dem so war, handelte es sich um eine reine Geschäftsreise. Oder im besten Fall Hilfe unter Freunden. Es war nicht so, dass Ben ihn auf eine Reise in das Land eingeladen hatte, das er schon immer besuchen wollte.

      Weil das so war. Elias hatte schon immer nach England reisen wollen. Sein ganzes Leben lang. Er wollte Ben nicht dazu benutzen, sich diesen Wunsch zu erfüllen. Aber andererseits war es nur ein glücklicher Zufall. Elias hatte es nicht geplant.

      »Ich könnte dir wirklich helfen«, sagte er und stocherte in seiner Hafergrütze. Sie war schon kalt geworden und er hatte kaum einen Bissen gegessen. »Bei mir klingeln in dieser Sache sämtliche Alarmglocken. Ich hätte ein sehr schlechtes Gefühl, wenn du allein mit ihnen verhandeln müsstest.«

      Ben lachte und sah ihn durch seine langen, goldenen Wimpern an. Elias' Herz fing zu flattern an. »Haben wir beide den Verstand verloren? Ich glaube, wir haben vor heute Früh noch keine hundert Worte gewechselt. Aber… mir gefällt dein Vorschlag. Wenn mein Leben schon total auf den Kopf gestellt wird, will ich wenigstens mit dem Kopf zuerst ins kalte Wasser springen.«

      Elias rieb sich kopfschüttelnd die Schläfe. »Genau das habe ich eben auch gedacht.«

      Ben legte das Besteck ab und schob den fast vollen Teller zur Seite. »Ich will nicht, dass du dich verpflichtet fühlst. Du musst mich nur begleiten, wenn du es wirklich willst. England ist verdammt weit weg.«

      Elias lächelte gerührt. Er war so lange nicht mehr international geflogen, dass er sich nichts Schöneres vorstellen konnte. »Ich wollte schon immer nach England reisen. Seit ich als Kind Die Chroniken von Narnia gelesen habe.«

      »Oh mein Gott! Ich auch. Ich liebe diese Bücher!«, rief Ben begeistert und grinste.

      Elias' Herz schlug einen Purzelbaum. Damit hätte er nicht gerechnet. Aber warum sollte Ben die Bücher nicht auch gelesen haben? Elias stellte fest, dass er Ben gewaltig unterschätzt hatte. Er war mehr als ein einfacher Bäcker. Und er wollte auch nach England reisen. Die meisten jungen Männer interessierten sich mehr für große Städte oder Partys am Strand als für die idyllischen Landschaften Großbritanniens.

      Sie sahen sich schweigend an. In Elias' Brust regten sich Gefühle, für die er keinen Namen fand. Hoffnung? Begeisterung?

      Ben lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Ein kleines Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Also wirklich…«, sagte er und seine Augen funkelten. »Ich tue dir also einen Gefallen, wenn ich dich mitkommen lasse?«

      Elias lachte so laut, dass sich die anderen Gäste nach ihnen umdrehten, aber er beachtete sie nicht. Es war wie eine Mischung aus Erleichterung, Freude, Nervosität und Ungläubigkeit, alles in einem Bündel.

      »Wir helfen uns gewissermaßen gegenseitig. Hört sich das nicht gut an?«

      Ben grinste. Es war ein schelmisches, wunderschönes Grinsen und Elias spürte wieder dieses Flattern. Natürlich würde zwischen ihnen nichts passieren, aber er fühlte sich trotzdem so beschwingt wie lange nicht mehr.

      Ben streckte den Arm aus. »Es hört sich an, als würden wir zu einem Abenteuer aufbrechen.«

      Elias wusste nicht, ob Ben absichtlich auf den Hobbit anspielte, aber es passte. Er streckte ebenfalls den Arm aus und schüttelte Ben die Hand. Sie fühlte sich warm und fest an.

      Ja, sie würden zu einem Abenteuer aufbrechen. Und Elias konnte kaum glauben, wie sehr er sich darauf freute, sich mit Ben gemeinsam auf eine Reise ins Unbekannte zu begeben.

      Kapitel 3

      Ben

      Hatte Ben den Verstand verloren? Würde er erst erdrosselt und dann als Wasserleiche in der Themse enden? Welcher normale Mensch, der seinen Verstand noch beisammenhatte, nahm ein solches Angebot von einem nahezu fremden Mann an und ließ sich von ihm über den Atlantik begleiten, um dort mit seiner verloren gegangenen Familie ein schwerwiegendes rechtliches Problem zu lösen?

      Nun, ein Mensch wie Ben offensichtlich. Weil – so verrückt es sich auch anhören mochte – er tief im Innersten wusste, dass es richtig war.

      Und mit seiner dummen Schwärmerei hatte das nicht das Geringste zu tun. Nicht das Allergeringste.

      Wenn Elias ein Börsenmakler oder Ingenieur oder der Manager der Bank von Pine Cove gewesen wäre, hätte sich Ben auf diesen verrückten Plan niemals eingelassen. Aber Elias hatte einen soliden beruflichen Hintergrund – wenn auch nicht in britischem Recht – und die Flugmeilen, die er gesammelt hatte, ermöglichten ihnen eine kostenlose Reise. Andernfalls wäre Ben diesen Menschen, die ihm – ob zu Recht oder Unrecht – sein Erbe nicht gönnten, hilflos ausgeliefert.

      Natürlich konnte es nicht schaden, dass sein Überraschungsanwalt so unglaublich sexy war. Hätte Ben dieses Angebot auch von einem anderen Menschen angenommen? Würde er auch einfach mit ihm ins Flugzeug steigen, wenn er ein schmieriger Kerl in den Sechzigern gewesen wäre? Oder eine Mom mit zwei Kindern, die zufällig Anwältin war?

      Mit Sicherheit nicht. Aber spielte das wirklich eine Rolle? Er hatte zwei Möglichkeiten. Entweder er fühlte sich schuldig, dass sein Schwarm gleichzeitig jemand war, der ihm aus dieser verrückten Sache raushelfen konnte, oder er ließ sich die Möglichkeit auf juristische Hilfe entgehen, die er so dringend nötig hatte.

      Aber so oft er sich das auch einredete, ihm wurde jedes Mal schwummrig zumute, wenn er daran dachte, seine Eltern darüber informieren zu müssen.

      Es war grotesk. Widersinnig. Absurd. Ben war genauso wenig ein Millionär, wie er ein Bodybuilder war. Er hatte sich von einem älteren Mann, in den er verschossen war, zu dieser Reise überreden lassen. Er war offensichtlich anfällig für Manipulation. Er war leichtsinnig und naiv.

      Sollte er also das Angebot ablehnen, mit Elias nach London zu fliegen? Sollte er so tun, als hätte er dieses Testament nie gesehen?

      Diese Option erschien ihm irgendwie noch absurder.

      Er war den ganzen Tag abgelenkt und konnte sich kaum auf seine Arbeit hinter der Theke konzentrieren. Gott sei Dank hatte Lars Verständnis dafür. Jedenfalls am Anfang. Als es ihm zu viel wurde, verbannte er Ben zum Putzen in die Backstube.

      Ben hatte oft Konzentrationsproblem und so sehr er sich über seine Verbannung ärgerte, er konnte Lars verstehen. Und Lars wusste das auch. Deshalb hatte er ihn nach hinten geschickt. Die stumpfsinnige Putzarbeit wirkte, wie Lars wusste, beruhigend, obwohl Ben normalerweise kreative Tätigkeiten bevorzugte. Er spülte bergeweise Geschirr, ohne sich dessen richtig bewusst zu werden. Seine Gedanken waren wie abgeschaltet und die Arbeit versetzte ihn in eine meditative Stimmung.

      Für eine Weile half es ihm gegen den Stress, aber er wusste auch, dass damit Schluss sein würde, sobald er wieder Zeit zum Nachdenken hatte. Dann würde die Grübelei sofort wieder von vorne losgehen. Er musste über die Sache reden. Aber nicht mit seinen Eltern. So sehr er sie liebte, sie konnten mit Veränderungen nicht umgehen, fällten nicht gerne Entscheidungen und gingen allem aus dem Weg, was ihnen auch nur ansatzweise leichtsinnig vorkam.

      Er konnte erst mit ihnen reden, wenn sein Plan feststand.

      Aber wem konnte er sich anvertrauen?

      Nicht Elias. Sie hatten schon lange genug darüber geredet und sich entschieden, die Herausforderung anzunehmen. Wenn Ben ihm jetzt eine Nachricht schickte, würde Elias denken, dass er einen Rückzieher machen wollte. Und das war nicht der Fall. Er wollte nur über ihren verrückten Plan reden und sich selbst davon überzeugen, dass es eine gute Idee war, gemeinsam nach England zu fliegen. So, wie es sich heute Früh im Sunny Side Up angehört hatte.

      Es war schon unglaublich, dass er Elias überhaupt eine Nachricht schicken konnte. Er hatte den Mann über


Скачать книгу