Bright Horizon. H.J. Welch
in der Öffentlichkeit Alkohol trinken!«
Er war also dreiundzwanzig. Definitiv älter, als Elias vermutet hatte, aber immer noch zu jung für einen Mann von neununddreißig.
Er lehnte sich trotzdem über den Tisch, legte die Hand auf Bens und rieb ihm mit dem Daumen über den Handrücken. »Es ist eine große Verantwortung. Aber…«
»Was?«, fragte Ben und zog die Augenbrauen hoch.
Elias zuckte mit den Schultern. »Nach allem, was ich in meiner beruflichen Laufbahn schon erlebt habe, muss ich dich einfach warnen. Es könnte eine Betrugsmasche sein.«
Ben runzelte die Stirn. »Wie denn das?«
»Da bin ich mir noch nicht so sicher«, erwiderte Elias. »Aber ich weiß aus Erfahrung, dass man lieber wachsam sein sollte, wenn etwas zu gut ist, um wahr zu sein. Und dieses Testament kommt mir vor wie ein Filmdrehbuch.«
»Wem sagst du das«, meinte Ben schnaubend. »Ich komme mir vor wie Harry Potter, als er den Brief aus Hogwarts bekommen hat.«
Elias' Herz flatterte. Er liebte Harry Potter, obwohl er die Bücher als erwachsener Mann gelesen hatte.
Er lächelte Ben verständnisvoll an. »Andererseits könnte es auch genau das sein, was es zu sein scheint. Die Anwaltskanzlei in London existiert wirklich. Aber es könnte auch eine andere Form von Betrug oder Täuschung dahinterstecken.«
Ben kniff die Augen zusammen. »Vom Rest der Familie. Es kommt mir merkwürdig vor, dass sie mich nicht in London sehen wollen und das Testament dieser Frau anfechten.« Elias war stolz auf ihn. Ben war ziemlich clever.
»Das stimmt«, gab er Ben recht. Dann wurde ihr Frühstück gebracht. Dampfende Hafergrütze für ihn und ein ganzer Stapel glänzender, süß duftender Bananenpfannkuchen für Ben. Das Diner war gut gefüllt. Überall unterhielten sich Gäste und das Klirren von Besteck war zu hören, aber Elias kam sich vor, als wäre er hier mit Ben allein in ihrer eigenen, kleinen Welt. »Und wenn das der Fall sein sollte und Mrs. Grimaldi de Loutherbergh dich wirklich als Alleinerben eingesetzt hat… Welches Recht haben sie dann, ihr Testament anzufechten?«
»Mr. Cabot hat sich sehr deutlich ausgedrückt«, sagte Ben mit leiser, zitternder Stimme.
Elias' Nackenhaare stellten sich auf, als er den Namen hörte. Er hasste es, wenn Menschen wie dieser Mr. Cabot versuchten, andere einzuschüchtern und um ihr Recht zu bringen. Elias fragte sich, ob der Kerl wirklich Anwalt war oder vielleicht nur ein angeheuerter Schlägertyp.
»Er hat keine rechtliche Grundlage für seine Forderungen«, sagte er. »Du kannst jederzeit nach London reisen und deinen Anspruch verteidigen. Wenn ihnen das nicht passt, haben sie Pech gehabt.«
Ben stöhnte und pikste die Gabel in seinen Pfannkuchen. »Ich komme mir so gierig vor. Und warum sollte ich es überhaupt akzeptieren? Ich wusste nichts von der Frau, als sie noch am Leben war. Grandpa ist schon vor fünfzehn Jahren gestorben. Warum hat sie sich nicht bei mir gemeldet, solange sie noch lebte?«
Elias schüttelte den Kopf. »Wenn dir das Erbe zusteht, solltest du darum kämpfen. Deine Urgroßmutter wollte dir ihr Vermögen hinterlassen – warum auch immer. Warum solltest du es also nicht bekommen?«
Ben überlegte eine Weile. »Ich weiß auch nicht. Vielleicht hast du recht.« Es hörte sich nicht sehr überzeugt an. »Aber was könnte ich denn tun? Ich sitze hier in Pine Cove und muss abwarten, was sie dort gegen mich unternehmen. Ich meine… Könnte ich denn einen Anwalt aus England beauftragen, mich zu vertreten?«
»Das könntest und solltest du tun«, stimmte ihm Elias zu. »Würdest du denn in Erwägung ziehen, selbst nach London zu fliegen?«
Ben lachte laut. »Mit einem Last-Minute-Flug? Was würde mich das kosten? Ich habe dazu nicht das Geld und wäre ein Narr, einfach Tausende von Dollars Schulden zu riskieren, die ich vielleicht nie zurückzahlen kann. Wer weiß, ob ich jemals auch nur einen Cent dieses Erbes sehe.«
»Das ist sehr vernünftig gedacht«, gab Elias ihm recht.
Aber es ging um Bens ganzes Leben. Diese Erbschaft konnte alles für ihn ändern. Alles. War es da fair, fremde Menschen darüber entscheiden zu lassen, ob Ben das Erbe antreten konnte, das seine Urgroßmutter ihm zugedacht hatte?
Die nächsten Worte rutschten ihm aus dem Mund, bevor er sie richtig zu Ende denken konnte.
Das Problem war nämlich nicht, dass Elias neununddreißig Jahre alt war. Das Problem war, dass er bald vierzig wurde. Und das machte ihm eine Heidenangst. Er hatte in den letzten Monaten oft darüber nachgedacht, dass er sich von Fehlern der Vergangenheit hatte beherrschen lassen, die ihn oft davor zurückhielten, das zu erreichen, was er sich von seinem Leben erhoffte. Und er hatte das dringende Bedürfnis, die verlorene Zeit nachzuholen.
Er dachte an Harry Potter und all die Bücher, die er als Kind gelesen hatte. Seine Midlife-Crisis hatte eine Abenteuerlust in ihm geweckt, wie er sie das letzte Mal als kleiner Junge verspürt hatte.
Und in diesem Moment erschien ihm sein Vorschlag die einzig vernünftige Lösung zu sein.
Bis er ihn laut ausgesprochen hatte.
»Ich habe noch Unmengen an Flugmeilen gut.«
Ben hielt inne und starrte ihn an. Von der Gabel mit dem Pfannkuchen, die sich auf halbem Weg zu seinem Mund befunden hatte, tropfte glänzender Sirup. »Hä?«
Hä. Das Wort traf es auf den Punkt.
»Ich meine, äh…«, stammelte Elias kopfschüttelnd. »Vergiss es. Es ist verrückt.«
Ben ließ die Gabel auf den Teller zurücksinken und runzelte die Stirn. »Ja. Nein. Ich könnte deine Flugmeilen niemals annehmen.«
Elias knabberte an der Unterlippe. War es denn wirklich so verrückt? »Die Sache ist die…«, fing er an. »Der Grund dafür ist nämlich, dass ich sie nie nutze. Ich fliege ständig aus beruflichen Gründen, aber wenn ich mir Urlaub nehme, verbringe ich ihn hier in der Stadt mit Freunden. Also verfallen sie nur.«
Ben sah ihn ernst an. »Das willst du für mich tun? Du kennst mich doch erst seit einigen Stunden.«
Elias leckte sich über die Lippen. Ja. Wenn man es so formulierte, hörte es sich wirklich verrückt an. »Tut mir leid«, murmelte er. »Es hört sich vielleicht an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank. Aber ich löse gerne Probleme.«
Zu seiner Überraschung brach Ben in lautes Gelächter aus. »Nein, es hört sich eher verdammt großzügig an. Elias, wenn du das ernst gemeint hast, dann… wäre das unglaublich nett von dir. Ich… ich weiß wirklich nicht, was ich dazu sagen soll.«
Vielleicht war es doch nicht so verrückt. Oder unheimlich. Was auch immer.
Vielleicht war es genau das Abenteuer, nach dem Elias gesucht hatte.
»Ich könnte dir den Flug buchen«, sagte er. »Das wäre absolut kein Problem. Aber…« Er schnaufte. Wenn er schon ins kalte Wasser sprang, sollte er gleich mit dem Kopf voraus springen. »Ich könnte dich auch begleiten, damit du Unterstützung hast, wenn du mit diesen Leuten redest. Außer… Sorry. Das ist lächerlich. Du hast vermutlich einen Freund oder Eltern, die dir helfen können.«
Ben zog schnaubend die Augenbrauen hoch. »Keinen Freund. Und meine Eltern reisen nicht. Sie sind schon ziemlich alt und überfordert, wenn sie nur die Stadt verlassen müssen. Ich kann mich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal den Staat verlassen haben, von Amerika gar nicht zu reden. Ihr Lebensmotto ist: Nur keine Aufregung.«
»Oh«, sagte Elias und unterdrückte die Hoffnung, die in ihm aufkeimen wollte. Jetzt, nachdem er diesen verrückten Plan vorgeschlagen hatte, wollte er ihn auch durchziehen. Wann hatte er das letzte Mal eine so spontane Entscheidung getroffen? »Nun, dann gibt es vielleicht einen Bekannten, der dich gerne begleitet. Ich schlage dir das nicht vor, weil ich einen Kurzurlaub in England einlegen möchte.«
Ben sah ihn merkwürdig an. »Das hatte ich auch nicht angenommen«, sagte er und es hörte sich ehrlich