DAS EXPERIMENT (ein Whitney Steel Roman). Kim Cresswell

DAS EXPERIMENT (ein Whitney Steel Roman) - Kim Cresswell


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aus Stahl und Beton. Von oben sah der Ort wie ein Hochsicherheitsgefängnis mitten im Nirgendwo aus.

      Hinter diesen Wänden hatte Nathan Shaw erfolgreich einen Menschen geklont. Blake hatte sich Nathans Vertrauen teilweise verdient, jedoch noch nicht soweit, um von seinem Vorgesetzten Zutritt zum Labor zu bekommen oder gar eine persönliche Einladung, das Kleinkind zu treffen.

      Blake stellte seinen Truck vor den Haupttoren des Komplexes ab. Er spähte durch die kleine Öffnung für den Retina-Scan und hielt seine Augen auf das winzige grüne Licht gerichtet. Zehn Sekunden später piepte der Scanner und die Tore öffneten sich.

      Die letzte Woche über hatte er so verdeckt ermittelt, dass niemand im Präsidium von ihm gehört hatte. Das allein hatte ihn in eine missliche Lage gebracht. Wenn er nicht innerhalb der nächsten achtundvierzig Stunden vorbeischaute, würde eine Schar bewaffneter Schutzpolizisten auftauchen und er würde auffliegen. Dazu würde er es aber nicht kommen lassen. Er hatte bereits zweihundertsiebzig Tage so getan, als wäre er ein Sicherheitsspezialist für den Besitzer, einen skrupellosen Multimilliardär. Er hatte sogar sein dunkelblondes Haar gefärbt. Mit seinem mittlerweile einige Zentimeter längeren, dunkelbraunen Haar gefiel ihm sein ruppiger, neuer Look – vielleicht würde er ihn ja eine Weile behalten.

      Ihm war ein Auftrag zugeteilt worden. Ein nahezu unmöglicher Auftrag. Er sollte das Labor infiltrieren und die nötigen Beweise sammeln, um Nathan zu ruinieren. Und das schnell. Er hatte bereits zu viel Zeit und Kraft investiert, um das Präsidium jetzt die Mission abbrechen zu lassen.

      Nathan Shaw war eine Nummer für sich. Philanthrop. Zum sechsten Mal in Folge zum Las Vegas Man of the Year gekrönt. Der größte Arbeitgeber in ganz Nevada und, bis vor kurzem, der Vorgesetzte von Blakes Schwester. Wie endet eine Frau, die so panische Angst vor Wasser hat, tot auf einem Boot?

      Sie konnte nicht schwimmen und ein Boot war der letzte Ort, an den sie sich begeben würde. Sein Instinkt verriet ihm, dass jemand sie aus dem Weg räumen ließ. Aber wieso?

      Kürzlich wurde eine weitere Mitarbeiterin erstochen in ihrem Apartment in Las Vegas aufgefunden. Reiner Zufall? Unwahrscheinlich. Dafür gab es zu viele Leichen, die alle auf die eine oder andere Art zu ShawBioGen führten.

      Er parkte am hinteren Ende des Sicherheitsgebäudes und schaltete den Motor aus. Sein Handy klingelte erneut. »Ja?«

      »Kommen Sie auf der Stelle wieder her.«

      Die Stimme seines Chefs klang angespannt. »Was gibt’s?«

      »Sofort«, knurrte Nathan.

      Die Verbindung brach ab.

      

      ***

      Auf der zweiten Etage in ShawBioGen lehnte Blake an einer makellos polierten Stahlwand und ließ seine Knöchel knacksen. Dieses exzentrische Arschloch hatte ihn schon über eine halbe Stunde warten lassen.

      Hoffentlich würde sich die miese Laune seines Vorgesetzten nur als einer seiner täglichen Anfälle entpuppen.

      Nicht ein Tag verging, ohne dass Nathan aus irgendeinem Grund ausflippte. Wie zum Beispiel, als das Reinigungspersonal seinen Mülleimer nicht geleert hatte, oder als die Sekretärin den Aschenbecher auf seinem Schreibtisch von der linken auf die rechte Seite umgestellt hatte. Der Mann konnte ausgesprochen pingelig sein. Wenn man Milliarden schwer ist, kann man sich benehmen, wie man will. Wen interessierte es, was die anderen dachten?

      Die stählernen Türen zum Büro sprangen auf und enthüllten eine würzige Geruchswelle aus Paprika und waldigem Tabak.

      Blake grunzte. Verdammt noch mal höchste Zeit. Er atmete tief ein und schlenderte in das gewaltige Büro.

      In der Mitte des Raumes saß Nathan hinter seinem goldverzierten Schreibtisch aus massivem Kirschholz und rauchte eine Zigarre von einer Marke, die Blake höchstwahrscheinlich nicht mal aussprechen, geschweige denn sich jemals leisten könnte. Durch den wogenden Rauch hob der Mann eine Hand und zeigte auf einen der braunen Rindsledersessel vor dem Schreibtisch.

      Blake setzte sich, wie angeordnet.

      Nathan paffte seine Zigarre und lief zum deckenhohen Fenster am östlichen Ende des Büros. »Wir haben ein Problem. Ein Angestellter bei ShawBioGen hat nur vorgegeben, auf meiner Seite zu sein. Sie wissen ja, wie sehr ich Lügner hasse.«

      Blakes Herz sprang beinahe aus seiner Brust. Bleib ruhig. Deine Tarnung ist nicht in Gefahr. Das kann nicht sein.

      Nathan drehte sich um und drückte seine Zigarre in einem der zahlreich im Raum verstreuten Aschenbecher aus. »Sie verstehen doch, was ich meine, oder?«

      Cool bleiben. Lass ihn nicht an dich ran. »Natürlich. Keiner mag Lügner.«

      »Genau. Das Problem ist folgendes: Eine meiner engsten Vertrauten im Mitarbeiterkreis hat eine Kamera in mein Forschungslabor geschmuggelt. Solche Verstöße sind inakzeptabel.«

      Blake fiel ein Stein vom Herzen. Er konnte wieder atmen. Sein Geheimnis war sicher – fürs Erste. »Wirklich? Wer?«

      »Ihr Name ist unwichtig. Sie war eine brillante Wissenschaftlerin.« Nathan lief gemächlich zur voll ausgestatteten Bar. »Scotch?«

      »Gern.« Blake sah zu, wie Nathan das Getränk aus einer der vielen kristallenen Karaffen in zwei Gläser füllte.

      »Das klingt ja, als würde diese Frau nicht länger unter uns weilen.«

      »Leider ist dem so. Sie war schon ein wichtiger Bestandteil meines Teams, seit ich vor Jahrzehnten meine Forschungsarbeit begonnen habe. Ich habe gehört, dass sie kürzlich ermordet wurde. Wirklich tragisch.«

      Carmen Lacey. Ja, du hörst dich so an, als hätte ihr Tod dir wirklich was ausgemacht. Hatte Nathan ihren Tod angeordnet und bezahlt?

      Sein Vorgesetzter reichte ihm ein Glas Scotch.

      »Danke.« Blake nahm einen Schluck und genoss den lieblichen, kräftigen Geschmack.

      Nathan stellte sich wieder vor das Fenster. Er fuhr mit der Hand durch sein schütteres, graues Haar.

      Entweder mochte der Typ es, sein Spiegelbild anzustarren, oder er liebte es, auf das bis in die letzte Ecke beleuchtete Vegas bei Nacht zu schauen. Wahrscheinlich traf Letzteres zu. Er wusste, dass Nathan auf Glücksspiele stand und ein illegales Klonprojekt war nichts anderes. Ein enormes Risiko.

      »Aufgrund dieses Verstoßes müssen Sie die Sicherheitsmaßnahmen im Labor optimieren. Installieren Sie so schnell wie möglich einen Retina-Scanner. Meine Forschungsarbeiten sind zu wichtig.«

      Blake schluckte den Rest seines Drinks herunter. »Alles klar. Es könnte ein paar Tage dauern, bis die Anlage richtig läuft. In der Zwischenzeit werde ich zwei Männer am Labor postieren.«

      »Dann sind wir hier fertig.«

      Die Türen hinter Blake öffneten sich. Anscheinend war er entlassen. Bevor er den Raum verließ, stellte er sein leeres Glas an der Bar ab. Sobald seine Stiefel den Flurboden berührten, schwangen die Türen mit einem dumpfen, gefängnisartigen Schlag zu.

      Lock down. Genau wie im Gefängnis. Gewöhn' dich dran, Nathan. Denn genau da wirst du landen.

      Kapitel 3

      Wellen brachen an der kühlen Nachtluft und durchdrangen sie. In den Tiefen der Schatten ertönten Schüsse. Eine Leiche schwemmte ans Ufer und verwandelte den Sand in einen Strudel aus Blut.

      Mason – oh Gott, es war Mason.

      Ein leichter Windhauch flüsterte. »Sie haben … es geklont …«

      Whitney schreckte keuchend auf und war erleichtert, festzustellen, dass sie nicht am Strand lag, sondern auf dem Deck im Rattan-Schaukelstuhl eingenickt war. Noch ein Albtraum. Sie kamen jetzt immer öfter, jeder noch lebendiger als der vorherige. Wann würde das ein Ende haben?

      Nach den Anschlussflügen und


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