DAS EXPERIMENT (ein Whitney Steel Roman). Kim Cresswell

DAS EXPERIMENT (ein Whitney Steel Roman) - Kim Cresswell


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geworden. Gegen vier Uhr morgens war sie endlich eingeschlafen. Müde und etwas mürrisch entschied sie, dass sie sich ihren ersten Urlaub seit Jahren durch nichts vermiesen lassen würde.

      Auf dem geräumigen Deck brannte die heiße Sonne auf ihrer hellen Haut. In weißen Shorts und einem lockeren, rosaroten T-Shirt stand sie da und dehnte sich, während sie das türkisfarbene Meer bestaunte.

      Ihr langjähriger Freund, Marcus Wheeler, hatte ihr für die Zeit seines Auftrags in Europa sein Strandhaus zur Verfügung gestellt. Es war mit offenem Kamin, Whirlpool und Sauna wahrlich ein abgelegenes Paradies, aber die Rückkehr nach Florence schmeckte bittersüß. Das letzte Mal war sie hier gewesen, um ihren Vater zu beerdigen.

      Whitney schloss ihre Augen und positionierte ihre Füße schulterbreit voneinander entfernt, um ihre täglichen Tai-Chi-Übungen zu machen.

      Sie entspannte ihren Körper, atmete lang und tief ein und fand ihre Mitte. Sie beugte leicht ihre Knie, richtete ihre Handflächen gegen ihre Oberschenkel und atmete noch langsamer aus. Mit bewussten, fließenden Bewegungen hob sie ihre Arme auf Schulterhöhe, die Handflächen in Richtung Himmel, und machte mit ihrem rechten Fuß einen großen Schritt nach vorn.

      Sie wiederholte die Bewegungen, bis ein ungeduldiges Dreifachklingeln an der Haustür ihre Konzentration unterbrach. Whitney stürmte durch das Haus und riss die Tür auf, schon bereit, einem armen Hausierer für die Unterbrechung ihres Urlaubs gehörig den Marsch zu blasen.

      »FedEx. Sind Sie Whitney Steel?«

      »Ja.«

      »Unterschreiben Sie hier.« Der Mann reichte ihr das elektronische Unterschriftenpad.

      Sie unterzeichnete.

      Er gab ihr ein Päckchen in der Größe eines Taschenbuchs. »Hier, bitte.«

      Ihr Magen verknotete sich. Sie starrte verwirrt auf das Päckchen. Niemand weiß, dass ich hier bin … bis auf George.

      Nachdem der Zusteller gegangen war, schob Whitney die Tür mit ihrem Fuß zu und bemerkte den Namen Trossen and Meyers in einer Ecke der Verpackung. Irgendwo hatte sie den Namen schon mal gehört. Dann erinnerte sie sich. Masons Scheidungsanwalt. Wieso sollte ihr sein Anwalt etwas schicken? Auf dem Weg zum offenen Wohnraum schlüpfte sie aus ihren Flipflops und riss das Päckchen auf.

      Darin fand sie einen weißen Umschlag, auf dem in blauer Tinte ihr Name stand, eine handgemalte Karte und etwas, das aussah wie eine Videokassette. Mit gewecktem Interesse öffnete sie zuerst den Umschlag.

      Trotz der Hitze der Sonne, die durch die deckenhohen Fenster schien, lief es ihr eiskalt den Rücken herunter. Ein Brief von Mason.

       Whitney,

       vor etwa 18 Monaten empfing das FBI in einem anonymen Tipp von einem Nutzer ihrer Website Informationen über illegale Experimente, die bei ShawBioGen durchgeführt wurden und im erfolgreichen Klonen eines Kindes resultierten. Zur Ermittlung wurde unter der Leitung des Justizministeriums eine verdeckte Sondereinheit gegründet. Aufgrund meines früheren Engagements im Justizministerium wurde ich als Hauptkontaktstelle berufen.

       Das FBI hat die Nutzerin, Carmen Lacey, die zu der Zeit für Nathan Shaw gearbeitet hat, rückverfolgt. Während der folgenden vier Monate standen wir uns nahe.

       Obwohl ihr die Gefahren vollkommen bewusst waren, sammelte sie die beigelegten Unterlagen, da sie fürchtete, Nathan würde diese Technologie verwenden, um seine eigene Super-Rasse zu kreieren, die Technologie zu verkaufen, oder, noch schlimmer, um das Kind umzubringen und seine teuflischen Taten zu verbergen.

       Nathan hält das geklonte Kind, ein dreijähriges Mädchen namens Angel024, irgendwo in seinem Gebäudekomplex gefangen.

       Whitney, du musst dich in dieses Labor einschleusen.

       Vertraue niemandem.

      Ihr klappte die Kinnlade runter. »Um Gottes willen, Mason, ich bin eine Reporterin und kein verflixtes Einsatzkommando. Was hast du dir nur gedacht?« Ihre Beine zitterten. Sie sank auf das Sofa und las weiter.

       Ich weiß, was du jetzt denkst, Whitney. Du bist doch nur eine Reporterin, richtig? Du schaffst das. Du hast den Verstand und das Geschick, um in dieses Labor reinzukommen. Ohne eine Dokumentation oder greifbare Beweismittel kann die Staatsanwaltschaft nichts tun. Sie brauchen Beweise, und bisher waren alle anderen Bemühungen vergeblich. Im Gegenzug bekommst du einen unvergesslichen Exklusivbericht.

      Sie lief vor dem Couchtisch hin und her. »Wieso denkst du bloß, dass ich das schaffe? Wieso? Weil ich den schwarzen Gürtel in Karate habe? Was soll mir das bringen, Mason? Soll ich die Tür zum Labor mit meiner Hand durchschlagen?«

       Kontaktiere Ned Ford im Justizministerium, sobald du die Beweismittel hast. Bedenke, dass Shaw über endlose Einsatzmittel und gewaltige Macht verfügt. Vertraue niemandem … Mason

      Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln. Verdammt, Mason!

      Sie schob das Band in den VHS-Player und drückte auf Play. Der gigantische Plasmabildschirm zeigte erst nur Unmengen an knisternden weißen Punkten, bevor ein unscharfes Schwarz-Weiß-Bild erschien. Whitney kniff die Augen zusammen, um etwas sehen zu können. Irgendetwas. Die Kamera wackelte und schwenkte nach rechts. Es war offensichtlich, dass das Video mit einer versteckten Kamera aufgenommen worden war.

      Ein Kind mit langem, hellem Haar saß umgeben von Spielzeugen und Kuscheltieren auf dem Boden. Jemand in einem weißen Kittel bückte sich und hob das Kind hoch.

      »Zeit für ein paar Tests, Angel. Und danach gibt es Schokoladeneis.«

      Das Kind kreischte gequält und schlug mit seinen kleinen Fäusten auf das Gesicht des Mannes ein.

      Whitney schnappte schockiert nach Luft und wünschte, sie könnte durch den Bildschirm gehen und das Kind trösten. Sie fühlte sich so machtlos.

      Sie fühlte dasselbe hoffnungslose Elend, das sie während der Fehlgeburt in ihrer Ehe erlitten hatte.

      Das Kind schlug und schrie weiter. Die Kamera bewegte sich.

      »Carmen, hilf mir mit ihr, sonst werde ich sie wieder betäuben müssen«, sagte der Mann.

      Die Kamera zoomte näher heran, bis der Bildschirm schwarz wurde. Whitney grübelte über die ganze Angelegenheit, während sie auf die Brandung starrte und beobachtete, wie das Wasser über den Sand rollte. Anmutige Möwen drängten sich auf der Suche nach Abfällen auf dem Privatstrand. Ihr Urlaub hatte geendet, bevor er überhaupt begonnen hatte.

      Das Glück war keinesfalls auf ihrer Seite. Was wäre, wenn sie es nicht mal versuchte? Was würde mit dem kleinen Mädchen passieren? Noch ein Schauer lief über ihren Rücken. Es waren schon zwei Menschen wegen Nathan Shaws geheimer Welt gestorben und Whitney könnte als Nächstes dran sein.

      Mason, der Mann, der immer zu viel getrunken hatte, glaubte, dass sie es schaffen könnte. Könnte sie das? Trotz seiner Fehler hatte er immer an sie geglaubt, und an ihr leidenschaftliches Bedürfnis, das Richtige zu tun.

      Ihre Nase in Angelegenheiten zu stecken, die sie nichts angingen, war, was sie zu einer der besten Enthüllungsreporterinnen im ganzen Land machte. Doch hinter verschlossenen Türen musste sich Whitney noch immer täglich gegenüber den Männern beweisen, mit denen sie arbeitete. Gegenüber denen, die glaubten, dass sie nicht gut genug sei und es auch niemals sein würde. Insbesondere ihrem Kollegen Cliff Peterson.

      Verflucht noch mal. Ich schaffe das. Es war nicht das erste Mal, dass sie sich in eine gefährliche Situation begab, und es würde ganz sicher nicht das letzte Mal sein. Nachdem sie einen Stift und einen Notizblock gefunden hatte, schrieb sie kurzerhand eine Liste.

      Eine Kopie des Bands machen

       George anrufen – Kurier, Schüssel

       Quellen in Florida anrufen

      


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