DAS EXPERIMENT (ein Whitney Steel Roman). Kim Cresswell

DAS EXPERIMENT (ein Whitney Steel Roman) - Kim Cresswell


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wohnen also auch vor Ort?«, fragte sie.

      »Jap.«

      »Scheint nicht gerade, als gäbe das Leben hier draußen, mitten im Nirgendwo, viel her.« Ein Leben, in dem du deinem verrückten Chef in den Arsch kriechst, wollte sie hinzufügen. Wusste Blake, was Nathan vorhatte? Wenn ja, konnte er damit doch unmöglich einverstanden sein, oder?

      »Oh, das macht mir nichts aus. Ich genieße die Ruhe und den Frieden.«

      »Wie lange arbeiten Sie schon für Nathan?«

      »Fast ein Jahr.«

      Reporter zu sein hieß, Menschen lesen zu können. Seine Antworten waren zu kurz und vage für ihren Geschmack. Er verheimlichte etwas.

      Die Stimme ihres Vaters durchströmte ihre Gedanken. Jeder hat etwas zu verbergen. Du musst nur tief genug danach graben.

      Ein Steppenläufer wehte über die Straße. Der Wind heulte. Ein brausender Staubteufel wirbelte um den Truck herum.

      Blake kurbelte sein Fenster hoch und warf ihr einen Seitenblick zu. »Schon mal während eines Sturms in der Wüste gewesen?«

      »Nein.« Ein Blitz erhellte den Himmel. Schnell schloss sie ihr eigenes Fenster. »Aber so wie’s aussieht, wird sich das gleich ändern.«

      »Es regnet nicht oft, aber wenn …«

      Gewaltige Regenmassen donnerten so laut zu Boden, dass Whitney dachte, ihre Trommelfelle würden platzen.

      Blake stellte den Scheibenwischer auf die höchste Stufe und drosselte das Tempo des Trucks bis auf Schrittgeschwindigkeit. Wie konnte er die Straße erkennen? Alles, was sie sehen konnte, war ein Vorhang aus Wasser.

      »Den hier werden wir aussitzen müssen«, rief er und lenkte den Truck in Richtung Seitenstreifen, wo er anhielt.

      Nach ein paar Minuten heftigen Regenfalls hellte sich der Himmel wieder auf und der Wind flaute ab. Blake lenkte den Truck wieder auf die Straße.

      Sie griff nach der Fensterkurbel und rollte ihr Fenster mühsam wieder herunter. Eine Brise frischer Regenluft durchflutete das Wageninnere. »Etwas Derartiges habe ich noch nie gesehen.«

      Dann bemerkte sie etwas Rundes, mindestens einen halben Meter breit, das aus dem Boden hervorkroch. »Was zum Teufel ist das für ein Ding?«

      Blake bremste wieder ab. »Schätze, Sie haben auch noch nie eine kalifornische Gopherschildkröte gesehen?«

      Sie sah zu, wie sich die Kreatur zentimeterweise der Mitte der Straße näherte und stehen blieb.

      »Sie leben in Höhlen in der Erde. Die Männchen haben Hörner, damit sie mit anderen Männchen kämpfen können. Sie nutzen sie auch, um Weibchen in der Paarungszeit zu animieren.«

      Er warf ihr ein zögerliches Lächeln zu, das Schmetterlinge in ihrem Bauch tanzen ließ. Sie spürte, wie ihre Nippel hart wurden. Wieso fand sie diesen Mann so verdammt irritierend?

      »Ich werde das Tier zur Seite schaffen müssen.« Blake parkte den Truck, stieg aus und ließ die Tür auf der Fahrerseite offen.

      Während er die Schildkröte mit einem Stock vertrieb, starrte Whitney auf das Handschuhfach. Nicht sicher, was sie zu finden erwartete, klappte sie es neugierig auf und durchwühlte den Inhalt.

      Alle paar Sekunden blickte sie kurz auf, um sicherzustellen, dass Blake noch immer beschäftigt war. Tankstellenkassenzettel. Eine braune Brieftasche aus Wildleder. Die Brieftasche schlüpfte durch ihre Finger und fiel unter den Sitz. Mist. Sie blickte auf. Verdammt, da kommt er. Sie schloss das Handschuhfach. Denk nach. Die Kamera.

      »Würde es Ihnen was ausmachen, ein Foto von der Schildkröte zu machen? Bei mir zu Hause wird mir keiner glauben, wie groß die ist.«

      »Klar.«

      Sie kramte in ihrer Handtasche, gab ihm die Kamera und wartete, bis er weit genug vom Truck entfernt war, bevor sie abtauchte und nach der Brieftasche griff.

      Bevor sie diese wieder zurück in das Handschuhfach warf, hatte sie gerade noch Zeit für einen kurzen Blick auf den Führerschein. Der Mann auf dem Foto hatte dunkelblondes Haar. Robert Blake Neely. Er färbte sich also die Haare. Na und? Machte das heutzutage nicht jeder?

      »Gefunden, wonach Sie suchen?« Blake warf die Kamera auf den Sitz, sprang ins Auto und knallte die Tür zu.

      Whitney zuckte zusammen.

      Sein Blick verdunkelte sich. »Nun?«

      Sie senkte den Blick auf ihren Schoß. »Ich – habe nach einem Taschentuch gesucht. Ich dachte, Sie hätten vielleicht welche im Handschuhfach.« Das würde er ihr doch unmöglich abkaufen, oder?

      »Hören Sie mal, ich weiß nicht, was Sie hier vorhaben, aber wenn Sie weiter so herumschnüffeln, kann das Ihnen eine Menge Ärger einbringen.«

      »Ich bin Reporterin. Herumschnüffeln, wie Sie es nennen, ist mein Beruf.« Sie richtete sich in ihrem Sitz auf und faltete ihre Hände im Schoß. »Das nennt man Ermitteln.«

      »Sie können es nennen, wie Sie wollen. Wir wissen beide, dass Sie nicht nach einem Taschentuch gesucht haben. Was ist der wahre Grund, weshalb Sie zu ShawBioGen gekommen sind?«

      Sie schaute ihm direkt in die Augen. Sollte sie ihm vertrauen? Konnte sie ihm vertrauen? Er arbeitete für Nathan. Vielleicht könnte sie ihm ein bisschen was erzählen, um zu sehen, wie er reagierte. »Es heißt, Nathan arbeite im Gebäudekomplex an einem neuen Klonprojekt. Ich hatte gehofft, ein exklusives Statement zu ergattern.«

      Blake schüttelte den Kopf und lachte. »Das ist doch nicht Ihr Ernst.«

      Das war nicht die Reaktion, die sie sich erhofft hatte. Nicht mal annähernd.

      Blake lachte immer noch. »Ich nehme an, Sie denken auch, dass er dort außerdem Aliens versteckt hält? Gerüchte, nichts weiter. Wenn ich Sie wäre, würde ich mal meine Quellen überprüfen.«

      Der Mann war schwer zu lesen und klang überzeugend. Vielleicht wusste er nichts von Nathans Experimenten.

      Blake verhielt sich ruhig, bis sie den McCarran Flughafen erreichten. Nachdem er den Truck geparkt hatte, begleitete er sie zum Terminal.

      »Lange Schlange. Könnte eine Weile dauern, bis Sie durch den Sicherheitscheck kommen.« Er strich eine einzelne Strähne auf ihrer Stirn zur Seite.

      Die Berührung seines Fingers ließ ihr Herz schneller schlagen.

      »Also … wenn Sie wirklich klug sind, steigen Sie jetzt in dieses Flugzeug und vergessen ShawBioGen.«

      War das eine Warnung? Es hörte sich so an. Whitney strich die Jacke über ihren Hüften glatt. »Dann liegt es wohl an mir, diese sogenannten Gerüchte zu widerlegen.« Damit drehte sie sich um und lief in den Flughafen.

      Eine Schlange ungeduldiger Reisender wartete darauf, durch den Metalldetektor zu gehen. Sicherheitspersonal, dem es offenbar unmöglich war, zu lächeln, stolzierte mit hölzernen, schwarz lackierten Schlagstöcken durch die Gegend. Während sich die Menschenschar langsam fortbewegte, warf sie einen Blick über ihre Schulter.

      Blake war nirgends zu sehen.

      Die Härchen auf ihrem Nacken stellten sich auf.

      Jemand anderes beobachtete sie.

      ***

      Blake hatte ein riesiges Problem: Whitney Steel.

      Am Münztelefon draußen vor dem Terminal hämmerte er die Nummer, die er sich gezwungenermaßen einprägen musste, in die Tastatur ein. Als das Telefon zum dritten Mal klingelte, ging Mike Jacobs, sein FBI-Kontakt, ans Telefon.

      »Hey, Mike.«

      »Blake. Um Gottes willen, wir haben uns schon Sorgen gemacht. Der Boss ist so richtig mies gelaunt. Verdammt, noch vierundzwanzig Stunden und …«

      »Ich weiß. Chambers hätte das Einsatzkommando losgeschickt.«


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