DJATLOV PASS - Die Rückkehr zum Berg des Todes. J.H. Moncrieff

DJATLOV PASS - Die Rückkehr zum Berg des Todes - J.H. Moncrieff


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ignorierte ihn, aber ihr Ehemann schien die Bemerkung locker wegzustecken. »Nicht jetzt. Der Aufwand lohnt sich nicht, wenn wir nur für eine Stunde hier sind.«

      »Es macht sicherlich keine große Mühe, ein Kaninchen oder Eichhörnchen zu fangen«, sagte Steven. »Seht euch den Jungen doch an.« Er zeigte auf Andrew, der in seinem Parka zusammenschrumpfte. »Er pfeift auf dem letzten Loch. Er braucht die Proteine.«

      »Es ist reichlich Protein in diesen Mahlzeiten. Sie sind für Wanderer konzipiert.« Joe nahm den Topf voller Schnee, den Anubha ihm reichte, und stellte ihn auf das Feuer.

      »Die sind fürs Camping gemacht, da gibt’s einen Unterschied. Und es ist keine richtige Nahrung.«

      »Es geht mir gut, wirklich. Ich bin Vegetarier«, sagte Andrew, was nicht der Wahrheit entsprach, aber Nat hoffte, dass es Steven von seiner Tirade ablenkte. Was war nur los mit dem Kerl? Das Dümmste, was man tun konnte, war es, die Leute gegen sich aufzuhetzen, die für die eigene Verpflegung verantwortlich waren.

      Das zog Joes Aufmerksamkeit auf sich. »Kannst du das denn essen?«

      »Ja, damit komm ich klar. Ich mag es lieber, wenn man nicht sehen kann, dass es mal ein Tier war, wenn du weißt, was ich meine.«

      »Verständlich.« Joe verlagerte den Topf, damit er mehr Hitze erhielt.

      »Warum ist das verständlich? Das ist Bullshit. Was für ein Vegetarier macht eine Tour wie diese? Eine vegetarische Ernährung hat niemals genug Protein und Fett für diese Art von Anstrengung. Weißt du, wie viele Kalorien du allein durchs Zittern verbrauchst?« Steven starrte Andrew an. Nat war sich sicher, dass ihr Produzent seine Wahl an diesem Punkt bereits bereute. Gutes Aussehen war ganz bestimmt nicht alles.

      »Das stimmt übrigens nicht«, sagte Lana. »Wenn man weiß, was man tut, liefert eine vegetarische Ernährung mehr als genug Proteine.«

      Steven grunzte abfällig. »Sicher, wenn er vorhat, stundenlang hier rumzusitzen und Nüsse zu futtern, aber wir haben nicht die Zeit dafür. Ich versteh’ nicht, warum er mitgekommen ist, wenn er nichts weiter als das schwächste Glied ist.«

      Andrew brachte plötzlich mehr Energie auf, als Nat für möglich gehalten hätte, und sprang auf. »Hey, ich hab wirklich die Nase voll von dir. Ich bin immer noch der Produzent und ich kann dich heute noch zurück in die Staaten schicken, zusammen mit einer saftigen Rechnung für alle deine Reisekosten.«

      »Andy …« Nat hoffte, einschreiten zu können, bevor sie einen Punkt erreichten, von dem es kein Zurück mehr gab, aber vielleicht war es schon zu spät.

      »Nein, Nat. Ich weiß, wie gutmütig du bist, aber seien wir doch ehrlich – es war mein Fehler, diesen Typen an Bord zu bringen, und von Anfang an hat er sich als Arschloch erwiesen. So jemanden brauchen wir nicht im Team.«

      »Ich habe mehr Recht darauf, in diesem Team zu sein, als du. Was hast du bisher beigetragen, abgesehen von verlorener Zeit und Gejammere?«

      Nats Mund klappte auf. Sie war ja schon einigen Vollpfosten begegnet, aber noch niemandem, der so entschlossen war, sich unbeliebt zu machen. »Ich lasse nicht zu, dass du so mit meinem Produzenten redest, Steven. Ohne ihn wären wir nicht einmal hier. Du kannst dich entweder entschuldigen und aufhören, Stunk zu machen, oder du gehst nach Hause. Deine Entscheidung.«

      »Du kannst mich nicht zwingen, zu gehen.« Steven kniff die Augen zusammen.

      »Vielleicht nicht ich persönlich, aber Igor vermutlich schon, sollte es dazu kommen.«

      Igor hob beschwichtigend die Hände. »Alle ganz ruhig bleiben. Was sind wir, Kinder?«

      »Ich sehe das wie Nat. Steven sollte sich bei Andrew entschuldigen.« Lana wandte sich dem Bergsteiger zu: »Was du gesagt hast, war gemein und unangebracht. Niemand ist das schwächste Glied. Wir alle haben etwas beizutragen.«

      Nat rechnete fest damit, dass Steven auf stur schaltete und wirklich fies wurde, aber wieder einmal war er für eine Überraschung gut. »Du hast recht, es war nicht richtig, das zu sagen. Es tut mir leid, Andrew. Und ich entschuldige mich auch bei den anderen. Es liegt nicht in meiner Absicht, ein Arschloch zu sein. Ich stehe unter enormem Stress und habe es an euch ausgelassen. Bitte verzeiht mir.«

      Alle schauten zu Andrew mit der Ansicht, dass es seine Entscheidung war, die Entschuldigung zu akzeptieren oder nicht. Selbst Nat, die ihn am besten kannte, war sich nicht sicher, wie ihr Freund reagieren würde. Er war erschöpft und hatte vermutlich auch Schmerzen. Zu behaupten, dass er nicht in Bestform sei, war die Untertreibung des Jahres.

      Andrew schwieg für einen Moment und lächelte schließlich. »Entschuldigung angenommen. Das hier ist schon hart genug, ohne dass wir uns gegenseitig an die Gurgel gehen. Und du bist tatsächlich ein wertvolles Mitglied des Teams, solange du aufhören kannst, ein Arschloch zu sein.«

      Nat hielt den Atem an, aber Steven trat vor, um Andrews Hand zu schütteln. »Abgemacht. Und ich war ernsthaft besorgt um dich, auch wenn es nicht ganz so rüberkam. Wir sollten sichergehen, dass du die nötigen Nährstoffe bekommst. Sonst kann das bei den Temperaturen und der Höhenlage ziemlich gefährlich für dich werden.«

      »Schon okay. Ich bin nicht wirklich Vegetarier. Ich hab das nur gesagt, damit du Joe und Anubha in Ruhe lässt.«

      »Wow, ich war wohl wirklich ein Arschloch.«

      Igor klopfte dem Bergsteiger auf die Schulter und Nat fiel auf, dass Steven sich kein Stück dabei rührte. Zum Glück war es nicht zu physischer Auseinandersetzung gekommen. Sie war sich nicht mehr sicher, ob der Russe gewonnen hätte. »Ja, das warst du, aber das ist vorbei. Jetzt wir essen Plastik-Nudeln, ja?«

      Die Gruppe lachte und Nat beobachtete, wie sich die gespannte Atmosphäre auflöste wie eine Wolke, die sich über sie gelegt hatte. Sie nahm sich vor, beim Essen neben Steven zu sitzen und herauszubekommen, was ihn so unter Druck setzte. Auch wenn er ihr nicht ganz geheuer war, war es doch ihr Job, sich um solche Dinge zu kümmern.

      Lana war jedoch schneller als sie. »Was beschäftigt dich, Steven? Können wir irgendwie helfen?«

      Er schüttelte den Kopf. »Ihr lacht mich nur aus, wenn ich’s sage.«

      »Nein, werden wir nicht.« Lanas Beharrlichkeit wurde vom beipflichtenden Murmeln der anderen begleitet. »Was ist los?«

      »Wie viel wisst ihr eigentlich über die Djatlov-Gruppe? Ich meine, was wisst ihr wirklich?« Steven schritt neben dem Feuer auf und ab, sah jeden von ihnen an.

      Joe zuckte mit den Schultern. »Ich kenne die wesentlichen Fakten. Neun russische Skifahrer sind hier verloren gegangen und ein Suchteam hat ein oder zwei Wochen später die Leichen gefunden. Bis heute weiß niemand genau, wie sie gestorben sind, manche glauben, es war eine Lawine.«

      »Die Lawinentheorie macht überhaupt keinen Sinn. Es war weder die richtige Zeit noch der richtige Ort dafür. Außerdem gab es keine Spuren einer Lawine, wie sie am Zelt oder Lagerplatz zu erwarten gewesen wären«, sagte Lana.

      Steven nickte. »Sie hat recht. Kennt jemand ein paar der anderen Theorien?«

      »Für uns Russen das sein eine große Sache. Ich glaube, ich sie alle gehört haben.« Igor zählte sie an seinen Fingern ab. »Waffentests, Regierungsverschwörung, UFOs, Wildtiere, der Wind um den Berg hat sie verrückt spielen lassen, die Mansen …« Er senkte seinen Kopf in Wasilis Richtung, der ausdruckslos zuhörte. »Entschuldige.«

      »Gar nicht schlecht. Aber du hast eine vergessen. Fällt dir ein, welche es ist?«

      »War das nicht Bigfoot oder so was?«, fragte Anubha und Igor kicherte.

      »Oh ja, Bigfoot. Den ich habe vergessen.«

      »Dicht dran. Nicht Bigfoot, sondern der Yeti. Auch als Schneemensch bekannt.« Von allen war Steven der Einzige, der nicht schmunzelte, aber Nat war das bereits gewohnt.

      »So lächerlich.« Anubha rollte mit den Augen. »Aliens? Bigfoot? Sorry, Yetis. Wer soll das glauben?«

      »Ich zum Beispiel«, sagte


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