BERLIN ZOMBIE CITY. Kalle Max Hofmann

BERLIN ZOMBIE CITY - Kalle Max Hofmann


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dass er die Wahrheit sagte und im Prinzip das Beste für den Neuankömmling wollte – auf eine etwas unbeholfene Art. Während seiner Rede trat sie auf den Balkon hinaus und beobachtete Ben aufmerksam von der Seite. Der regte sich jedoch kein bisschen und schaute einfach nur hinunter auf den Fahrdamm, wo die Infizierten sich langsam verstreuten. Sie torkelten stöhnend und ziellos vor sich hin. Paula versuchte es noch einmal auf die sanfte Art: »Am besten, du bleibst erst mal bis zum Sonnenaufgang hier …«

      Mathias dachte scheinbar immer noch ausschließlich in Parametern technischer Machbarkeit und dozierte weiter.

      »Auch wenn viele von denen nicht gerade beweglich wirken … die haben ein super gutes Gehör und einen ebenso scharfen Geruchssinn. Da ziehst du im Dunklen auf jeden Fall den Kürzeren!«

      Das schien nun doch Bens Interesse zu wecken, er richtete sich leicht auf, also stieg Paula mit ein. »Das stimmt. Jede dunkle Ecke, jeder Schatten kann 'ne tödliche Falle sein.«

      Ben atmete tief durch, anscheinend beruhigte er sich langsam wieder. »Ich muss aber zu ihr. Ich muss doch wissen, was mit ihr ist …«

      Paula nickte verständig. »Versuch doch mal, sie anzurufen. Auf dem Festnetz, meine ich, das geht noch. Wir haben ein Telefon hier.«

      Doch Ben antwortete: »Sie hat nur noch ein Handy.« Paula und Mathias schauten sich kurz an, als Ben zerknirscht hinzufügte: »Ich habe ihr gesagt, sie soll das Festnetz kündigen. Wozu der Scheiß Telekom das Geld in den Rachen werfen …«

      »Wo wohnt sie denn?«, fragte Paula schnell, um Ben von dem Thema abzubringen.

      »In Mitte. In der Nähe vom Hackeschen Markt.«

      Bei dieser Ortsangabe machte Mathias große Augen, anscheinend fiel er aus allen Wolken. »Ey, das kannste vergessen!«, ereiferte er sich, doch Paula gebot ihm mit einer Geste, nicht weiter zu sprechen. Stattdessen übernahm sie die weitere Erklärung: »Wie gesagt, da wo die meisten Leute waren, sind jetzt die meisten Freaks. Und du müsstest zu Fuß durch die halbe Stadt …«

      Ben schaute sie fragend an und echote: »Zu Fuß?«

      Wieder schaltete Paula in einen sachlichen Erklärmodus. »Die Straßen sind total verstopft. Jeder, der ein Auto hatte, hat versucht, abzuhauen, aber das funktioniert einfach nicht, wenn alle auf einmal losfahren.«

      »Noch dazu sind die Tankstellen ausgeplündert«, ergänzte Mathias, »und Autos machen 'nen Höllenkrach. Das lockt die Freaks an wie nix.«

      »Deswegen nehme ich zum Vorräte suchen immer mein Fahrrad«, erklärte Paula. Nun war es Ben, der große Augen bekam, es sah fast so aus, als würde er gleich über Paula herfallen. Wie aus der Pistole geschossen, sagte er: »Dein Fahrrad? Das kaufe ich dir ab!«, doch sie hob nur verwundert die Augenbrauen.

      »Wie soll das gehen?« Sie erwiderte Matthias' peinlich berührten Blick, als Ben nach seinem Portemonnaie kramte.

      »Ich hab jede Menge Geld dabei. Müssten noch gute 500 Euro sein«, murmelte er gedankenverloren. Paula grinste ihn mitleidig an.

      »Lass mich raten … du bist Banker? Manager? Broker?« Ben hielt inne.

      »Wie hast du das denn erraten?«, fragte er überrascht.

      Paula tat es anscheinend fast leid, dass sie recht hatte. »Das merkt man doch an deiner ganzen Art«, sagte sie mit abfälliger Körpersprache. »Du spielst gleich den Chef, hast 'n Boot, wedelst mit Geld … wie so ein Yuppie halt.«

      Ben erkannte an der Galle in ihrer Stimme, dass hier zwei sehr konträre Lebenseinstellungen aufeinanderprallten. »Gut kombiniert«, giftete er zurück. »Du bist auch zufällig die erste Punk-Lesbe, die ich nett finde!«

      Paulas Augen verengten sich, ganz offensichtlich verstand Ben wirklich sehr wenig von Menschen. Doch bevor sie einen gepfefferten Konter geben konnte, wiegelte Matthias ab.

      »Hör’ nicht auf sie. Es ist echt was anderes, wenn man große Pläne hatte. Ich zum Beispiel wollte 'nen Fahrradladen aufmachen.«

      Paula verdrehte die Augen. Diese Geschichte konnte sie schon fast mitbeten, doch Matthias ließ sich von ihrem offen zur Schau gestellten Missfallen nicht abhalten.

      »Ich habe mir den Arsch wundgearbeitet und hatte fast alle Puzzleteile beisammen. So kurz davor, Mann, ich konnte an gar nichts anderes mehr denken. Und jetzt diese Scheiße. Kein Mensch weiß, wie das alles ausgehen wird.«

      »Fahrräder werden danach auf jeden Fall erst mal groß in Mode sein«, schloss Paula zynisch.

      »Okay, alles ist scheiße, das habe ich verstanden«, ging Ben dazwischen. »Aber ich muss jetzt zu meiner Freundin, die ist schwanger, versteht ihr das nicht?« Beim Sprechen bebte seine Unterlippe, die komplette Muskulatur stand unter Hochspannung.

      Paula versuchte es weiter mit Räson. »Du kannst ihr oder deinem Kind aber auch nicht helfen, wenn du tot bist! Glaub uns doch einfach, wir sitzen alle im selben Boot. Jetzt gerade, in diesem Moment, gibt es nichts, was du tun kannst!«

      Ben schüttelte verächtlich den Kopf und versuchte, sich an Matthias vorbei in die Wohnung zu drücken, doch der stellte sich ihm demonstrativ in den Weg.

      »Ey, du kannst da jetzt nicht rausgehen!«

      Aus Bens Augen schoss pures Feuer. »Ihr wolltet mich doch unbedingt wieder loswerden. Und jetzt darf ich nicht gehen?«

      »Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun«, sagte Mathias eindringlich. »Wir haben unser Leben für dich riskiert, Mann! Checkst du das nicht? Wir könnten alle tot sein! Das willst du jetzt einfach wegwerfen?«

      Ben atmete tief durch. Die Situation war wirklich extrem heikel gewesen. »Dafür bin ich euch auch dankbar«, sagte er gepresst, »Wirklich sehr, sehr dankbar. Aber ich muss jetzt gehen.« Er drückte ein wenig in Matthias' Richtung, doch der schubste ihn auf einmal relativ unsanft zurück.

      »Bist du taub?«, herrschte er Ben an. Sein Tonfall schien Paula zu alarmieren, denn sie ging sofort entschieden dazwischen.

      »Mann Matze, krieg’ dich mal wieder ein!«, sagte sie energisch, doch Matthias war kaum noch zu bremsen.

      »Mann, fick dich doch«, herrschte er sie an. »Ich will nur das Beste für die Gruppe, und ihr habt alle verdammt noch mal keinen Plan!«

      Wutschnaubend zog er sich in die Wohnung zurück, und Ben wusste inzwischen nicht mehr, wie er die Situation einordnen sollte. Paula versuchte, es mit Humor zu erklären.

      »Früher hättet ihr euch bestimmt super verstanden. Er will wahrscheinlich, dass du hierbleibst, um mit anzupacken. Für sein Befinden sind die meisten hier einfach zu lasch drauf.«

      »Außer dir«, schätzte Ben.

      »Richtig, ich bin ihm nämlich zu radikal«, grinste sie, »Weil ich eigentlich lieber hier abhauen würde.«

      Sie sah ihn kurz nachdenklich an und fuhr dann fort.

      »Also … wie ist das mit deinem Boot? Passen wir da alle drauf?«

      »Würde wahrscheinlich knapp werden«, überlegte Ben, dann sagte er: »Von der Anzahl der Leute her könnte es gerade so passen, aber dann könnte man sonst nichts mitnehmen.«

      »Könntest du denn auch ein größeres Boot steuern?«, fragte sie gespannt.

      »Klar, ich habe schon als Teenie kleine Ausflugsdampfer gesteuert.«

      »Wie kommt man denn an so was ran?«, wollte Paula verwundert wissen, doch Bens Miene verfinstert sich plötzlich.

      »Meine Familie … ganz schlechtes Thema«, knurrte er.

      Paula legte die Stirn in Falten. »Die meisten von uns wissen nicht, was mit ihren Leuten ist … ich hab' auch keine Ahnung, ob meine Eltern noch leben …« Sie machte eine nachdenkliche Pause. »Ist mir ehrlich gesagt aber auch egal. Leider.«

      »Meine Familie ist mir auch scheißegal«, erklärte Ben aufbrausend. Sein Blick driftete in die Ferne ab und wurde noch


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