BERLIN ZOMBIE CITY. Kalle Max Hofmann

BERLIN ZOMBIE CITY - Kalle Max Hofmann


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die mit einem dicken Schlüsselbund hantiert.

      »Jetzt … jetzt warte doch mal …« Paula ignoriert sie und auch Ben machte einen weiteren Schritt nach vorne, was den Alten mit dem Gewehr zu einer weiteren Drohung veranlasst: »Ich meine es ernst! Ich knall' dich ab!«, schreit er vom Balkon. Ben hält wieder so abrupt an, dass er ins Wanken kommt, doch Paula gestikuliert wild in seine Richtung.

      »Komm her! Die Knarre ist aus Plastik!«, ruft sie. Ben schaut nach oben zu dem Mann, der wutentbrannt das Gewehr sinken lässt und mit bösem Blick zu Paula herunter schaut. Ben fackelt nicht lange und setzt zu einem Sprint auf das Tor an, während der Mann oben loskrakeelt:

      »Paula, spinnst du? Kennst du den?«

      »Fick dich!«, schreit Paula ohne mit der Wimper zu zucken oder auch nur ihren Blick von dem Schlüsselbund abzuwenden. Endlich hat sie sich einen ausgesucht und führt ihn zum Schloss. Der Mann mit der Brille kann sich auch endlich dazu durchringen, seine Lauerstellung aufzugeben, und macht einen Schritt auf Paula zu.

      »Wo … wo hast du denn den Schlüssel her?«, stottert er. Auf dem Balkon fliegt derweil die vermeintliche Schrotflinte auf den Boden und Ben beobachtet, wie der tobende Frührentner in der Wohnung verschwindet. Paula dreht derweil den Schlüssel um, was wiederum die Lehrerin zu einer Wortmeldung veranlasst: »Jetzt warte doch erst mal …«

      Doch Ben hat inzwischen das Tor erreicht.

      »Bitte … Hilfe …«, stammelt er atemlos. Doch in dem Moment, wo das Schloss das erste mal klackt, weil sich der Riegel um eine halbe Länge zurückzieht, kommt der ältere Mann aus der Tür geschossen und rammt Paula aus vollem Sprint in die Seite. Mit der Luft, die dabei aus seinen Lungen gepresst wird, formt er ein Wort, das wie »Bissubescheuert« klingt.

      Paula geht unter der Masse des fülligen Mannes zu Boden. »Mann Wolfgang, du Wichser«, zischt sie unter Schmerzen, die sie offensichtlich als einziges daran hindern, sofort wieder aufzuspringen. Stattdessen zieht sie sich langsam an den Eisenstreben des Tores hoch, während Wolfgang sich des Schlüssels bemächtigt und ihn wieder zurückdreht. Ohne Ben in die Augen zu schauen presst er an ihn gerichtet hervor: »Hau ab! Hier ist kein Platz für dich!«

      Ben schaut ihn flehend an. »Bitte! Ich kann nicht mehr!«

      Paula versucht, sich den Schlüssel zu greifen, den Wolfgang nun fest in das Schloss drückt. Seine wulstigen, vom Schweiß glitschigen und starken Finger sind zu mächtig für Paulas kleine Hände. Er schaut sie triumphierend an, als Reaktion macht sie fassungslos einen halben Schritt zurück und gestikuliert in Richtung Ben.

      »Ey, willst du den da verrecken lassen?«

      Diese Worte stechen Bens direkt ins Herz, er blickt über seine Schulter und sieht, dass der tobende Mob nicht mal mehr 50 Meter entfernt ist. Seine Pupillen verengen sich und springen zwischen einzelnen Gesichtern, die er im Schein der Straßenlaternen kristallklar erkennen kann, hin und her. Es sind von Muskelspasmen verzerrte und von verkrusteten Wunden gezeichnete Fratzen, die jegliche Anmutung von Menschlichkeit vermissen lassen. Geräusche vom Balkon lassen Bens Blick wieder nach oben schnellen, dort postieren sich zwei durchtrainierte Männer, vielleicht Anfang dreißig, mit klappernden Umzugskartons und schauen nach unten. »Wolfgang? Günter? Was ist los?«

      Günter, der Brillenmann, geht mit ausgestrecktem Arm auf Paula zu und bedeutet ihr, zurückzubleiben.

      »Überleg doch mal! Das könnte eine Falle sein!«

      »Ja, vielleicht hat der Komplizen und die wollen uns ausrauben«, stimmt seine mutmaßliche Kollegin hektisch mit ein.

      »Ist mir so oder so scheißegal«, brüllt Wolfgang und deutet mit dem Kopf in Richtung der näher kommenden Meute.

      »Schaut mal, wen der mitgebracht hat! Die Tür bleibt zu!«

      Einer der Männer vom Balkon ruft herunter. »Was ist jetzt?«

      »Die Tür bleibt ZU!!!«, wiederholt Wolfgang laut, den Blick dabei wütend auf den Boden gerichtet. Paula stößt sich nun von der gegenüberliegenden Wand ab und versucht, Wolfgang beiseite zu schubsen, während Ben panisch an der Tür rüttelt, als könne er dadurch den Schlüssel bewegen. Aus dem Hausflur taucht inzwischen ein weiteres Paar auf, vielleicht noch etwas jünger als die beiden Männer auf dem Balkon. Der Mann ist offensichtlich südländischer Herkunft, die Frau ist sehr zierlich und ihr hervorstehender Bauch deutet auf eine Schwangerschaft hin. Beide blicken mit sorgenvollen Blicken zwischen allen Beteiligten hin und her. Bens Blick fällt auf die hervortretenden, weißen Knöchel seiner Hände, die sich um das kalte Metall klammern, und eine unangenehme Wahrnehmung bricht in sein Bewusstsein. Da ist er wieder, dieser Geruch. Der Tod. Er kommt näher, und Ben kann ihn riechen. Die schnaufenden Gestalten haben ihn fast erreicht.

      Wolfgang verpasst Paula nun mit der rechten Hand eine Backpfeife, während seine linke den Schlüssel fest umklammert hält.

      »Papa …« setzt die Schwangere an, als Paula zurücktaumelt, doch Wolfgang schreit mit inzwischen hochrotem Kopf einfach nur: »Schnauze, Melanie!«

      Paula versucht kraftlos, ihm einen Tritt zu verpassen, doch schon im Ansatz der Bewegung bricht ihre Körperspannung zusammen, sie wirkt plötzlich richtiggehend verzweifelt. Ihre glitzernden Augen gucken an Wolfgang vorbei und suchen die Blicke der anderen Anwesenden.

      »Mann, checkt ihr's nicht?«, fragt sie in die Runde. »Guckt mal, die da vorne, die mit der gelben Jacke! Und der Typ mit dem Schal!« Sie gestikuliert in Richtung einiger humpelnder Körper auf der anderen Seite des Tores. »Das sind alles welche, die wir weggeschickt haben! Und jetzt sind das welche von denen!«

      Paulas Stimme überschlägt sich fast, und während sie schreit, sprüht ein feiner Nebel aus Feuchtigkeit aus ihrem Gesicht. Sie holt tief Luft, wobei ihre Augen auch kurz nach oben gehen, als wolle sie sicher gehen, dass die Männer auf dem Balkon sie auch hören können.

      »Mann, wir haben die auf dem Gewissen! Wollt ihr das?«

      Wolfgang und die Anderen starren sie fragend an. Ihre Blicke wandern zwischen Paula und den Kreaturen hin und her – und fallen auch auf Ben, der vor Angst wie erstarrt wirkt. Die schwangere Melanie fasst Wolfgang an die Schulter.

      »Papa, das stimmt. Das Mädchen da«, sagt sie, und deutet auf eine junge Frau, deren halbes Gesicht unter frischem Blut verdeckt ist. Ihr Kopf und der rechte Fuß sind unnatürlich zur Seite geknickt. Mit abgehackten Bewegungen kommt sie auf das Tor zu.

      Eine Welle der Erkenntnis geht durch die Anwesenden.

      »Ich seh' die jeden Tag! Bei jeder Wache!«, schreit Paula.

      »Die kommen immer wieder her – noch so einen ertrage ich nicht!«

      Wolfgang starrt sie mit offenem Mund an. Nervös trippelt er von einem Fuß auf den anderen, seine Aggression scheint für den Moment verflogen. Paula nickt ihm knapp zu und greift den Schlüssel, sie entriegelt die Tür so schnell sie kann. Ben kann sich immer noch nicht bewegen, er weiß, dass es zu spät ist. Er kann den Atem der Angreifer bereits spüren.

      Wolfgang schaut ihm jetzt zum ersten Mal in die Augen, nach einer Schrecksekunde ruft er nach oben: »Matze!«

      Die beiden Männer auf dem Balkon fangen auf dieses Kommando hin an, Pflastersteine aus den Kartons zu nehmen, und bewerfen damit die vordersten Gestalten. Einige werden getroffen und stolpern, Nachfolgende fallen daraufhin über sie herüber. Das verschafft Paula genug Zeit, die Tür zu öffnen, doch es bleibt knapp. Verdammt knapp. Ben schafft es nicht mal richtig, die Tür loszulassen - er wird nach vorne gerissen und stürzt förmlich nach innen, wo er zu Boden geht.

      Melanie und die Lehrerin springen auf ihn zu, um ihm aufzuhelfen, während der jüngere Mann mit den schwarzen Locken dem Brillenträger einen Besenstiel zuwirft, und seinen eigenen direkt durch die Gitterstäbe der Tür rammt. Als der Andere es ihm nach kurzem Zögern gleich tut, bemerkt Ben, dass die Enden angespitzt sind. Die Männer rammen sie in die Oberkörper der Angreifer, um sie am Näherkommen zu hindern. Doch die Gestalten lassen sich regelrecht gegen das Gitter fallen, ihre Arme schlagen wild hin und her, sie versuchen unkoordiniert, irgendjemanden


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