ZOMBIE INC.. Chris Dougherty

ZOMBIE INC. - Chris Dougherty


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Vater gehört hatte. Die berühmte Vierzig-Stunden-Arbeitswoche! Beinahe musste sie lachen. Was zum Henker hatten damals alle mit ihrer zusätzlichen Zeit gemacht? Ihr Vater hatte von seltsamen Dingen erzählt, zum Beispiel, dass die Leute freitags ganz aufgekratzt waren und montags trübsinnig wurden – damals, als die Wochentage noch Namen hatten, in alten Zeiten, als das Konzept der «Woche» überhaupt etwas bedeutet hatte. Jetzt war ein Monat nur die Anzahl der Tage.Jeder Tag war ein Arbeitstag. Na und? Es war besser, als in einem Zweizimmerapartment zusammen mit fünf anderen Leuten herumzusitzen, die man brauchte, um es sich überhaupt leisten zu können! «Was soll's», sagte Dill. «Mir persönlich macht es nichts aus zu arbeiten. Ich bin nicht so faul wie diese Sozialhilfewertmarkenschlampen, die …» Ein mattschwarzer Kombi mit verdunkelten Fenstern und bar jeden Logos oder Verzierungen jeglicher Art glitt in Sicht. «Hab keine Angst», sagte Carl. Sein Tonfall, flach und emotionslos, ließ sie frösteln, weil er implizierte, dass es seiner Meinung nach etwas gab, vor dem sie sich fürchten sollte. «Ich hab keine Angst», sagte sie. «Das sind nur Cleaner. Kein …» Sie schluckte, als sich die Tür des Kombis öffnete und eine Gestalt in einem schwarzen Anzug auftauchte wie eine giftige schwarze Rauchwolke. «… kein Problem.» «M-hm», sagte Carl. Die Figur aus dem Kombi wandte sich dem Gutachterauto zu. Ihr Gesicht war eine konturlose, weiße, leere Scheibe. Dill zog entsetzt die Luft ein. «Hey, wo ist sein …» «Keine Sorge, das ist nur eine Maske. Sie kommen mit jeder Menge dreckigem Mist zusammen. Seine Hände sind auch bedeckt, siehst du? Soweit ich verstehe, ist es ein weißer Overall aus mikrometerdünnem aber undurchdringlichem Material. Der schwarze Anzug darüber ist nur der Schau wegen, genau wie unsere Kakihosen. Bestatter trugen früher Schwarz.» «Undurchdringlich für einen Biss?» «Herrje, schön wär's», sagte Carl. «Nein, undurchdringlich für die Käfer. Keime.» Der Mann lehnte sich wieder in den Kombi. Als er aufstand, saß ein Fedora, so schwarz wie sein Anzug, tief in die Stirn gezogen und wie angegossen auf seinem Kopf. Auf Dill wirkte es bedrohlich, aber sie wusste nicht warum. Entweder war es die Neigung des Huts selbst oder die Schatten, die diese erschuf, aber so oder so war der Cleaner gerade noch ein bisschen albtraumhafter geworden. Er hob eine weiße Hand. Carl winkte zurück. «Warte hier. Und dieses Mal will ich wirklich, dass du wartest, okay?» Dill nickte, unfähig, ihre Augen vom Cleaner zu reißen. Er hatte sich zu der Sauerei beim Kanalrost gedreht. Sein Kopf neigte sich und seine Finger klopften auf seinen Oberschenkel. «Was tut er da?» «Tippen», sagte Carl. «Tippen? Auf seinem Bein?» «Nein, nicht direkt. Er hat Sensoren in den Fingern, entweder in den Handschuhen oder …» Carl schüttelte mit gerunzelter Stirn den Kopf, «… oder, na ja, tatsächlich in seinen Fingern. So oder so, er ist direkt mit einem Tablet im Kombi verbunden. Er gibt die Vorfallsdaten ein, ohne sich selbst, seine Kleider, zu kontaminieren. Die wissen nie, woran sie geraten.» Carls Tonfall wurde bewundernd. «Diese Jungs haben das Tippen richtig gut drauf, das ist verdammt sicher. Warte hier.» Die Tür schnappte auf und er war weg. Der Cleaner fuhr damit fort, auf seine Oberschenkel zu klopf-tippen und der Stoff unter seinen Fingerspitzen zitterte, als sei er leer. Dill zitterte auch. Du machst dich selbst wahnsinnig, dachte sie. Das ist nicht der Schwarze Mann. Es ist nur ein Kerl in einem Anzug. Fleisch und Blut, genau wie jeder andere. Entspann dich. Der Cleaner wandte sich Carl zu, als dieser sich näherte, aber auf Dill wirkte es, als sei das ausdruckslose Gesicht auf sie gerichtet. Sie zitterte wieder. Carls Kopf bewegte sich, während er sprach. Er deutete auf das Haus, den Garten, die Zombiesauerei. Der Cleaner schien nicht zu sprechen, aber er war zu weit weg, als dass Dill hätte sehen können, ob sich die Maske über seinem Mund mit dem Atem von Worten bewegte. Dann kam Carl zurückgeeilt. Der Cleaner hatte etwas hervorgeholt, das wie ein metallener Dirigentenstab aussah. Daraus wurden zwei Stäbe; der Cleaner hielt einen in jeder Hand. Sie funkelten im wolkenverhangenen Vormittagslicht. Die Schultern des Cleaners hoben und senkten sich, ehe er die Arme nach oben streckte. Ein Kabel schlängelte sich zum Auto zurück. Was immer die Dinger in seinen Händen waren, sie standen unter Strom. Carl stieg neben Dill ein. Seine Stirn schimmerte leicht vom Schweiß. Er schlug die Beifahrertür unnötig fest zu. «Ich bin froh, dass es nur einer ist», sagte er. Dill öffnete den Mund, um ihn zu fragen, ob er den Zombie oder den Cleaner meinte, aber alle Gedanken stoben aus ihrem Verstand, als der Cleaner sich über seine Arbeit beugte. Die Stäbe in seinen Händen waren eine Art Hochgeschwindigkeitselektromesser; das mussten sie sein. Er begann mit den Beinen des Zombies und setzte zuerst einen Schnitt von der Kniescheibe zum Knöchel an, teilte die Beine in der Mitte entzwei, enthüllte Knochen und verrotteten Knorpel und gräuliches Fleisch. Dann schnitt er von einer Seite zur anderen, würfelte die Beine wie große, weiche Karotten. Ranzige Stücke rieselten von den aufblitzenden Messern und spritzten auf die Straße und auf Maske und Anzug des Cleaners. Die Kaffeesatz/Blutklümpchen-Substanz begann sich anzusammeln wie Treibgut, wo immer die Messer sich befanden. Ein großer Brocken purpurnen Fleisches landete auf der Schulter des Cleaners und bebte nass. Er machte sich an den Rumpf. Dill sah weg, als ihr übel wurde, aber der Messerklang bohrte sich in sie, schien ihre Ohren zu überspringen und direkt in ihrem Gehirn zu kreischen und zu vibrieren. Wie ein Zahnarztbohrer. Sie blickte rechtzeitig zurück, um zu sehen, wie der Kopf gespalten wurde, wie die Augen auseinander trieben, sich weiteten, um dann wieder gespalten zu werden. Geviertelt und dann geachtelt. Das Heulen der Messer schwoll an, als sie es mit den Schädelknochen zu tun bekamen. Stückchen von Weiß flogen davon und landeten in einem Muster des Irrsinns auf dem schwarzen Anzug des Cleaners. Dill rieb sich mit den Händen über den Mund. «Geht's dir gut? Wird dir schlecht?» Carls Stimme war mitfühlend, aber noch etwas anderes schwang darin mit. Als ob er die Bestätigung von etwas erwartete. Ihrer Schwäche vielleicht. «Mir geht's gut», sagte Dill. Sie lehnte sich zurück und holte tief, langsam und geräuschlos Luft. Ihr würde verdammt noch mal nicht schlecht werden. Sie wollte verdammt sein, wenn das passierte. Sie hatte Schlimmeres gesehen. Herrje, ihr Freund, Denny, spielte ein Spiel namens Breeder, das viel ekelerregender war als das, was der Cleaner da tat. Das Spiel hatte ihren Magen nie zum Brodeln gebracht, hatte ihren Kopf nie schwindlig und leicht werden lassen. Die Messer schalteten sich ab und Dill seufzte vor Erleichterung. Nicht so schlimm. Sie konnte es verkraften. Sie konnte diesen Job machen. Der Cleaner ging um den Kombi herum zu dessen Heck. Er brachte einen langen schwarzen Schlauch zum Vorschein, geriffelt und biegsam, und zog ihn vom Auto zu der Zombiesalsa, die er gerade hergestellt hatte. Er klickte etwas an und der Schlauch hüpfte. Dill erkannte das tiefe, brausende Geräusch – der Schlauch gehörte zu einem großen Staubsauger. Der Cleaner richtete die Düse auf den Zombie. Stückchen und Brocken flogen in den Schlauch hinein, schlugen und klopften gegen dessen gesamte Länge. Größere Teile – eine Hand, ein Fuß – begannen die Düse zu verstopfen, und das Brausen ging in ein Kreischen über, während der Staubsauger sich damit abmühte, seine Ladung aufzunehmen. Der Cleaner trat nach dem Schlauch und schüttelte ihn, und die größeren Stücke begannen sich eins nach dem anderen zu überschlagen und im Heck des Autos zu verschwinden. Dann strömte eine Wolke grauen Rauchs von der Oberseite des Kombis. Gestank – eine Mischung aus Barbecue, Fäkalien, Käse und Müll – erreichte Dill wie eine sehr schlechte Nachricht. Sie würgte. Ihre Augen, geweitet und schockiert, suchten Carl. Sein Blick war entschuldigend, aber auch ein bisschen – ein ganz kleines bisschen – amüsiert. «Ich habe vergessen, dir von dem Teil zu erzählen, wo sie sie einkochen.» Der Staubsauger kreischte wie ein Dämon und darunter, irgendwie mit dem Gestank verworren, glaubte Dill den Cleaner lachen zu hören. Sie lehnte sich zur Tür hinaus und übergab sich, betend, dass Carl nach Zombies Ausschau hielt.

      ***

       «Besser?», fragte Carl, als sie sich wieder in den Wagen zog. Er hielt ihr ein Stoffaschentuch unter die Nase.

       Sie würgte beinahe wieder, während sie davor zurückschreckte.

       «Es ist sauber, herrje», sagte er und schüttelte es.

       Sie schob es fort, aber während sie das tat, erhaschte sie den nostalgischen Geruch von Trocknertüchern. Es war sein Ernst gewesen, dass es sauber war. Sie beobachtete mit Bedauern, wie er es zurück in seine Tasche stopfte, und wischte ihren Mund mit dem Kragen ihres Hemdes ab, das nur nach Reinigungschemikalien roch.

       Ihre Augen drifteten unfreiwillig zum Cleaner. Er war noch immer am Staubsaugen, aber mittlerweile war ein dünnes Kopfstück am Ende des Schlauches befestigt worden. Er schob es über die letzten Reste von geronnenem Blut, um sie auf und fort zu saugen. Er hob eine Hand, schnippte das purpurfarbene Fleisch von seiner


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