ZOMBIE INC.. Chris Dougherty

ZOMBIE INC. - Chris Dougherty


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hätte dich warnen sollen», sagte Carl.

       Sie lehnte ihren Kopf gegen den Sitz zurück und rollte ihn von einer Seite zur anderen. «Ich glaube nicht, dass es was ausgemacht hätte. Ich glaube nicht, dass man auf so was vorbereitet sein kann.» Sie blickte flüchtig zu Carl. Er sah vom Cleaner zu dem Tablet auf seinem Schoß, in welches er Dinge hinein tippte. «Wieso wusste ich das nicht?»

       «Hm? Hör mal, ich hab doch gesagt, es tut mir leid, dass ich es dir nicht erzählt habe.»

       «Nein, ich weiß. Ich meine … wieso weiß niemand etwas darüber? Über das Schneiden. Den … den Staubsauger?»

       Carl zuckte mit den Schultern, warf einen weiteren Blick zum Cleaner hin und tippte noch etwas. «Vielleicht weil es niemand wirklich wissen will. Wenn man nie hier raus kommt …» er nickte, um auf die Nachbarschaft zu verweisen, «… dann weiß man nicht, was vor sich geht. Die Dinge in den Nachrichten oder in Videospielen zu sehen, ist nicht dasselbe, wie sie direkt mitzubekommen. Die Leben der Menschen sind sehr sauber geworden, im Vergleich zu der Zeit vor der Seuche.» Er zuckte wieder mit den Schultern. «Sogar diejenigen, die hier draußen leben, wollen es nicht sehen. Glaubst du, der Hausbesitzer hat von seinem Fenster aus zugeschaut? Wenn das die alten Zeiten wären und jemand würde, sagen wir mal, einen Baum fällen oder so, dann würde er ihm zusehen. Er würde Bilder machen, um sie seinen Freunden auf der Arbeit zu zeigen, aber manche Dinge …» Carl schüttelte den Kopf und tippte wieder, dann richtete er seinen strengen aber nicht gemeinen Blick auf Dill. «Du willst der Reinigungskraft nicht dabei zusehen, wie sie die Toilette putzt, oder? Du willst nicht sehen, was der Klempner aus dem Abfluss zieht.»

       Dill wollte nicht zugeben, dass sie zu arm für eine Reinigungskraft war, obwohl diese staatlich subventioniert wurden; eine Initiative, die die Menschen wieder zum Arbeiten brachte, nachdem so viele Firmen Bankrott gemacht hatten. Eines Tages würde sie eine haben, aber im Moment war sie nur einen Gehaltsscheck davon entfernt, selbst eine Reinigungskraft zu sein. Jedenfalls schrubbte sie ihre eigene Toilette.

       Allerdings verstand sie sein Argument.

       «Sie haben recht. Man hört von Dingen, den besonders ekelhaften Dingen wie Gliedmaßensammlern und Zombiepornos, und der Verstand geht einfach irgendwie darüber hinweg», sagte sie. «Als ob er selbstständig entscheiden würde, was man wissen sollte und was nicht. Hey, ich frag mich, ob das von einem Implantat kommt oder so?»

       «Ha! Wer redet jetzt von Verschwörungstheorien?» Carl schüttelte den Kopf. «Nein. Das war schon immer so, glaub mir. Das ist wie mit den Obdachlosen. In den frühen Zwanzigern hatten wir aufgehört, sie zu sehen. Es gab ganze Gemeinschaften von Zeltmenschen, Tunnelmenschen, Kanalisationsmenschen, aber alle liefen einfach nach dem Motto Soso, welche Obdachlosen? herum, als ob es diese nicht gäbe. Obwohl es schlimmer war, als je zuvor.»

       «Mein Dad hat immer davon geredet», sagte Dill. Sie konnte sich kaum vorstellen, nicht in einem zombiesicheren Gebäude zu leben. 2027 war sowohl das Jahr der Seuche als auch das Jahr ihrer Geburt gewesen. Mit sechsundzwanzig hatte sie keine Erinnerung an eine andere Welt.

       «Ist dein Vater noch in der Nähe?», fragte Carl. Sein Tonfall war freundlich, aber vorsichtig. Das Konzept einer intakten Familie hatte seit der Seuche zu zerfallen begonnen. Man hörte sehr selten von einer ganzen Kernfamilie, die es geschafft hatte, und die Jahre nach der Plage waren nicht viel besser gewesen. Während sich die Gesellschaft umgestaltete, hatten Unfälle, Krankheiten und Dummheit einen qualvollen Tribut gefordert.

       «Er war es, bis ich vierzehn war. Dann war er es nicht mehr.» Ihr Ton war nüchtern. «Ich bin zwei Jahre lang umhergestolpert und bin dann ZI beigetreten. Und dann zog ich in die Innere.»

       «Bist du da noch?»

       «Ja», sagte sie und diesmal war ihr Tonfall knapp genug, um das Gespräch zu beenden. Sie wollte ihm nicht davon erzählen, wie sie mit fünf Mitbewohnern auf engstem Raum lebte, in zwei Schlafzimmer gepfercht und an einem Badezimmer anstehend. Er lebte wahrscheinlich in einem Reihenhaus in der Äußeren. Vielleicht sogar in einem richtigen Haus. Assessment-Angestellte verdienten genug. Das war einer der Gründe, weshalb sie dorthin wollte, neben dem, was Denny sie zu tun bat, und trotz, dass der Job seine eigene Flut von Gefahren mit sich brachte.

       Der Cleaner war mit dem Staubsaugen fertig.

       Er wickelte einen anderen Schlauch vom Auto ab und sprühte das Areal mit einem grünen Schaum ein.

       «Was ist das?», fragte Dill.

       «Der Schaum? Ein Enzym. Es frisst alle, du weißt schon, Stückchen auf, und dann frisst es sich mehr oder weniger selbst auf und voilà! Das Gebiet ist sauber und hygienisch. Sie nennen es Bleiche, obwohl es keine ist.»

       «Hm. Das ist eklig. Und cool.«

       «Jap. Wie so viele Dinge heutzutage.»

      DREI

      Zombie Inc. Firmenhandbuch

      Kleiderordnung: Bekleidung des Assessment-Teams

       (Stand: 01.12.52)

      Zombie Inc. (nachstehend «ZI» genannt) ist stolz auf die Professionalität seiner Mitarbeiter, besonders die derjenigen Teams, welche direkt und physisch mit der Öffentlichkeit im Allgemeinen und ZI-Kunden im Speziellen in Verbindung treten. Angesichts dessen legt ZI die nachfolgende VERBINDLICHE Kleiderordnung nahe (sämtliche Kleidung ist über das ZI-Firmengeschäft oder online über einen von ZI autorisierten Textilvertrieb, wie z.B. Amazon, zu beziehen):

      Assessment-Team, Kleidung im AUSSENDIENST: von ZI genehmigtes weißes Oxfordhemd, jahreszeitabhängig lang- oder kurzärmlig, mit dem ZI-Logo auf der vorderen linken Brusttasche. Dunkelbraune Kakihosen, gerade geschnitten, mit aufgerolltem und gebügeltem Aufschlag. WICHTIGE KLEIDUNGSÄNDERUNG, BITTE AUFMERKSAM DURCHLESEN: Die frühere Kleidungsvorschrift für Schnürschuhe oder Slipper wurde geändert. Vom Änderungsdatum dieser Mitteilung an WERDEN ALLE GUTACHTER AUSSCHLIESSLICH GENEHMIGTE HALBLEDERSTIEFEL MIT STAHLKAPPEN TRAGEN. Dies geschieht aufgrund des Zwischenfalls vom 27.09.2042 in New Trenton, als ein Mitglied des Assessment-Teams seine oder ihre Zehen während eines Reinigungsauftrags verlor.

       Assessment-Team, Kleidung im INNENDIENST: Wird ein Mitglied des Assessment-Teams zum FIRMENINTERNEN Dienst, wie zum Beispiel zu beruflicher Aus- und Fortbildung (auch inklusive Waffentraining, Übung von Ausweichmanövern, Erkennung Echten Todes) oder ähnlichem eingeteilt, so entspricht die Arbeitskleidung des Assessment-Teammitglieds der oben genannten, mit Ausnahme der Erfordernis hablederner Stahlkappenstiefel.

       Assessment-Team, FREIZEITkleidung: Als wesentlicher Bestandteil der ZI-Familie ist Ihr persönliches Auftreten ebenso wichtig wie Ihr professionelles. Wir von ZI sind uns bewusst, dass Eingriffe in die Wahl der Freizeitkleidung missliebig sind, und haben uns daher dazu entschieden, KEINE solchen Eingriffe zu machen, MIT AUSNAHME des folgenden:

       UNTER KEINEN UMSTÄNDEN ALS AKZEPTABEL GELTENDE KLEIDUNGSSTÜCKE:

       Jegliche Kleidung, die die Aufmerksamkeit auf Geschlechtsmerkmale oder -organe lenkt, einschließlich, aber nicht beschränkt auf: pofreie Hosen, schrittoffene Hosen, brustfreie Oberteile, rückenfreie Oberteile, jegliche durchsichtige Kleidung, Kleidung, die in jedweder Art im Bereich der Geschlechtsmerkmale oder -organe leuchtet, flimmert, piept, rotiert oder blinkt. Hoch geschnittene Shorts, welche Geschlechtsmerkmale oder -organe zeigen (inklusive des Hinterteils), Schuhe, die die Körpergröße um mehr als anderthalb Zentimeter nach oben oder unten verändern, Schals oder Gürtel JEGLICHER ART und Flip-Flops.

      ***

       «Was jetzt? Gehen wir zurück oder warten wir hier auf den nächsten Anruf?», fragte Dill.

      Carl blickte auf seine Uhr, ein nostalgisches Überbleibsel aus der Zeit, als er ein junger Mann gewesen war. Der grüne Schaum war verschwunden und die Straße frei von Blut. Der Tag war um etwa zehn Grad wärmer geworden, während die Sonne zur Himmelsmitte gewandert war. Diese Zeit des Jahres war früher einmal Herbst genannt worden und freilich fielen die Blätter noch immer in großer Fülle von den Bäumen, aber ohne Feiertage hatten Gliederungen wie Herbst oder Frühling nur noch wenig Bedeutung. Trotzdem konnte Carl eine kleine Regung der Vorfreude auf das alte Thanksgiving nicht unterdrücken – ein weiterer wehmütiger Rückblick. Obschon man munkelte, dass


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