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SZS gegeben. Wir können uns keinen treueren, liebevolleren Hund als Zelda vorstellen. Jeder, der sie kennenlernt, will sie mit nach Hause nehmen, weil sie sich im Schoß eines jeden Besuchers zusammenrollt, sobald sich die Möglichkeit bietet. Niemand von uns ist perfekt, und in Wahrheit sind es gerade unsere Fehler, die uns so einzigartig und liebenswert machen. Wir bemühen uns oft, die Fehler auszubessern – und manchmal ist das Einzige, was sie besser macht, sie zu akzeptieren. Ich bin dankbar, dass ich dies von Zelda und ihrem SZS lernen durfte.8

      Etwas später sendete mir Ken Rodriguez, Kimberlys Mann, folgendes E-Mail, welches ihm Zelda diktiert haben soll:

      Jedes Jahr erkranken Tausende – wenn nicht sogar Millionen – Hunde an SZS. Manchmal schämen sich die Zweibeiner für ihren SZS-Hund und machen ihm Schuldgefühle. Manche Vierbeiner müssen sich von Scharlatanen behandeln lassen. Manche werden so lange beschämt, bis sie weglaufen, um ein gefährliches Leben auf der Straße zu führen, nur um den peinlich berührten Blicken zu entrinnen. Zum heutigen Stand der Wissenschaft ist aber Mitgefühl die beste Behandlungsmöglichkeit. Wir alle müssen uns das stumme Leiden all jener Hunde bewusst machen, die wie ich [Zelda] mit SZS leben.9

      Manchmal handelt es sich bei unseren „Problemen” mit Hunden tatsächlich um unsere Probleme. Wie Kimberly und Ken empathisch feststellen: Akzeptanz ist die einzige Lösung. Auch ich wünsche mir hin und wieder, ein Hund würde seinen Kopf wegdrehen, wenn er ausatmet oder aufstößt. Ich hatte bereits Hunde, deren Mundgeruch mir den Atem raubte – im wörtlichen wie im metaphorischen Sinne. Andere Hunde schienen meine Meinung jedoch nicht zu teilen. Aus der Perspektive eines Hundes können sie es kaum erwarten, am Maul eines Artgenossen zu schnüffeln oder den Sabber zu kosten, der über seine Lefzen läuft. Wir wissen zwar nicht genau, warum Hunde dies tun, können aber davon ausgehen, dass sie Informationen über ihr Gegenüber einholen. Einem anderen Tier auf diese Art nahe zu kommen kann auch Teil der sozialen Interaktion sein und dem Aufbau einer Beziehung dienen. Intime Körperstellen und Gerüche, die uns Menschen unangenehm sind, spielen eine große Rolle im Leben eines Hundes.

      Immer wieder werde ich gefragt, warum Hunde ihre Schnauze genau an jene Stellen stecken, von denen wir unsere eigenen Nasen tunlichst fernhalten. Oft scheint mein Gegenüber davon auszugehen, dass wir sie davon abhalten könnten, wenn wir sie nur verstehen würden. Hunde schnüffeln an Orten, von denen wir uns nicht einmal im Traum vorstellen können, dass sie interessant wären. Wir begrüßen weder Freunde noch Fremde, indem wir über ihre Lippen schlecken, ihre Nase mit der unseren berühren und an ihren Genitalien riechen oder schlecken. Oft stellen unter Hunden selbstverständliche Verhaltensweisen einen krassen Gegensatz zu dem dar, was unter Menschen salonfähig ist. Unsere Hunde sind jedoch nicht an unseren sozialen Normen interessiert. Eine Bekannte, die den hündischen Sitten relativ offen gegenübersteht, sagte einmal zu mir: „Wenn du eine gute Nase hast, dann setze sie ein!” – und Hunde tun genau das.

      Wollen wir also mehr über Hunde lernen, mit ihnen leben und sie lieben, so müssen wir akzeptieren, dass ihr Zugang zur Welt oft über gewisse Körperteile führt. Nur so können wir einen Zugang zum Verstand, zu den Sinnesorganen und Herzen der Hunde finden. Zwar basiert nicht alles, was im kognitiven, emotionalen und moralischen Leben eines Hundes vorgeht, auf Körperteilen, doch gibt es ausgesprochen wenig, das nicht zumindest damit in Zusammenhang steht.

      In vielerlei Hinsicht sehe ich mich nicht nur als den Vertrauten der Hunde, sondern auch als jemand, der Gerüchte aufdeckt. Wie Kimberly Beck, eine Freundin und Hundetrainerin, bin davon überzeugt, dass sowohl Ersthundehalter als auch Menschen, die bereits ihr ganzes Leben lang Hunde hatten, davon profitieren, „völlig unvoreingenommen” auf einen neuen Hund zuzugehen. In Kimberlys Organisation Canine Effect dreht sich alles um die Mensch-Hund-Beziehung.10 Wer Hunden völlig unvoreingenommen begegnet, so Kimberly, begegnet jedem Vierbeiner als Individuum, ohne Vorurteile, im Hier und Jetzt und nimmt sich Zeit, eine Beziehung aufzubauen und den Hund richtig kennenzulernen. Ebenso wichtig ist es, uns vor Augen zu führen, dass Gerüchte sowohl den Hunden selbst als auch unserer Beziehung zu ihnen schaden. Wir alle profitieren, wenn wir uns damit auseinandersetzen, was wir tatsächlich über Hunde und die Hund-Mensch-Beziehung wissen.

      Es sollte etwas wunderbar Schönes sein, sein Leben mit einem Hund zu teilen. Natürlich können uns die Vierbeiner, die wie viele andere Tiere auch intensive Emotionen empfinden und frech, klug und launisch sind, vor Herausforderungen stellen. Dennoch sollte das Zusammenleben mit einem Hund in erster Linie eine schöne Erfahrung sein – auch wenn es mitunter laut, stinkig oder frustrierend ist. Die Herausforderungen erinnern uns daran, dass Hunde Individuen sind. Geht man von der großen Anzahl Bücher, Fachpublikationen und populärwissenschaftlicher Artikel aus, die sich damit auseinandersetzen, wer Hunde sind und was ihr Verhalten bedeutet, so besteht wohl auf der ganzen Welt großes Interesse daran, diese faszinierenden Lebewesen zu verstehen.

      Die große Frage: Wer sind Hunde?

      Domestizierte Hunde sind faszinierende Säugetiere. Wir schufen sie nach unserem Ebenbild und selektieren bis heute Eigenschaften, die uns gefallen oder nützlich erscheinen, obwohl sich diese mitunter negativ auf Gesundheit oder Lebenserwartung auswirken. Es ist kaum zu übersehen, dass Hunde sich in Größe, Form, Gewicht, Farbe, Fell, Verhalten und Persönlichkeit stark unterscheiden.11 Weil Hunde so stark variieren und aus unserem Leben kaum wegzudenken sind, stellen sie ein beliebtes Thema für Studien mit evolutionären, biologischen und ethologischen Schwerpunkten dar. Besonders ihr Sozialverhalten im Zusammenhang mit Spiel, Dominanz, Kommunikation und sozialer Organisation steht oft im Mittelpunkt des Interesses.

      Dennoch gingen „ernsthafte Wissenschaftler” jahrelang davon aus, dass es sich nicht lohne, Hunde zu untersuchen – eben weil sie als „Artefakte” galten; ein genetisches Konstrukt des Menschen. Anstatt sich natürlich entwickelt zu haben, sind Hunde Tiere, die von uns Zweibeinern dazu gemacht wurden, was sie sind – auf Basis dessen, was wir wollten oder uns vorstellten. Tierärzte und Gentechniker konnten Hunde erforschen, nicht aber ernsthafte Verhaltenswissenschaftler. Mittlerweile sind wir weit von diesem Ansatz entfernt und zahlreiche renommierte Universitäten konzentrieren sich in verschiedensten spannenden Studien auf die Hunde. Die auf der nächsten Seite abgebildete Grafik zeigt den steten Anstieg der Anzahl veröffentlichter Hundeverhaltensstudien in den letzten dreißig Jahren. Vom Jahr 1995 an wird das Wachstum besonders deutlich.

      Immer wieder fällt mir auf, dass regelmäßige Besucher der Hundewiese die Begriffe Domestikation und Sozialisation verwechseln. Hunde haben sich vom Wolf zu einer domestizierten Art entwickelt. Das heißt, dass jeder Hund als Hund zur Welt kommt. Manche Menschen teilen ihr Zuhause mit einem zahmen Wolf und sagen: „Ich habe einen domestizierten Wolf.” Das stimmt so nicht – wenn der zahme Wolf Welpen zur Welt bringt, handelt es sich dabei um Wölfe – um wilde Tiere. Der freundliche Wolf ist ein sozialisiertes Individuum. Ein „domestizierter Wolf” hingegen ist ein Hund.12

      Wie der Titel dieses Abschnitts vermuten lässt, möchte ich in diesem Buch der Frage nachgehen, wer (im Gegensatz zu was) Hunde sind. Hunde wehren sich dagegen, sich auf simple Reiz-Reaktions-Maschinen reduzieren zu lassen. Der bekannte russische Nobelpreisträger Ivan Pavlov leistete einen großen Beitrag zur Lerntheorie, bewies allerdings nicht, dass Hunde Automaten sind. Die Evolutionstheorie, detaillierte wissenschaftliche Daten und der gesunde Menschenverstand machen deutlich, dass Hunde weder stupide Maschinen noch simple „Instinktbündel” sind, die hauptsächlich fixe Verhaltensmuster abspielen. Im Gegenteil: Hunde sind intelligente, denkende und fühlende Wesen, die verschiedene Situationen einschätzen können und wie wir eine große Bandbreite an Emotionen empfinden.13 Hunde treffen Entscheidungen darüber, wie sie sich verhalten wollen und machen niemals etwas „ohne Grund”.14 Tatsächlich basieren viele aktuelle Trainings- bzw. Lehrmethoden auf dem großen Verstand und Herzen der Hunde. Wie wir selbst sind sie Säugetiere. Führen wir uns dies vor Augen, können wir bereits viel über sie lernen. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass viele Tiere – darunter Hunde, Fische und Insekten – so wie auch wir intelligente und fühlende Wesen sind.15 Im Laufe dieses Buches werden wir uns immer wieder, besonders aber in den Kapiteln sechs und sieben, mit den Köpfen und Herzen der Hunde auseinandersetzen. Zwar stecken sie voller Geheimnisse, doch steht außer Frage, dass sie denken und


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