Wie Satan starb. Artur Hermann Landsberger

Wie Satan starb - Artur Hermann Landsberger


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Rufes der Familie wieder einmal veranlasst sehen solltet, ein armes Mädchen in den Tod zu hetzen, dass das dann heute möglicherweise doch unangenehme Folgen für euch haben könnte.“

      „Die Möglichkeit ist bei der heutigen Gefühlsrichtung durchaus nicht von der Hand zu weisen,“ erwiderte Baron Zobel.

      „Im übrigen,“ stellte der Landrat seinen Onkel, „von uns hat sie meines Wissens keiner in den Tod gehetzt.“

      „Sondern?“ fragte der Medizinalrat.

      „Sie hat, was für ein Mädchen ihrer jesellschaftlichen Stellung — wenngleich jesellschaftlich für ein Mädel ihres Standes kaum die richtige Bezeichnung sein dürfte — jedenfalls: Ehre, wem Ehre jebührt! und da muss ich trotz aller Mühen, die sie uns gemacht hat, sagen: sie hat für eine Pedellstochter — zumal für gewöhnlich derartigen Mädchen jedes Jefühl dafür abjeht — den Takt jehabt und sich jesagt: es jeht nich! eine Schreibmaschinenmamsell und ein königlich preussischer Regierungsassessor sind von der Vorsehung nu mal nich füreinander bestimmt. Im Anfang natürlich, da war se, wie alle, bockbeinig und klammerte sich an Peter fest. Schliesslich dämmerte es ihr aber doch, sie lenkte ein, jab nach, entsagte freiwillig ...“

      „... und brachte sich um,“ ergänzte der Medizinalrat.

      „Allerdings,“ bestätigte der Landrat. „Sie sich. Nicht wir sie.“

      Der Medizinalrat bekam einen roten Kopf, richtete sich auf und sagte laut:

      „Erwürgt, erdrosselt, so zwischen euren Fingern, habt ihr sie freilich nicht.“

      „Doch! doch!“ rief laut Frau Julie und sprang auf, „bedacht und bewusst erwürgt und erdrosselt, gerade so, wie du es zeigst, so zwischen euern Fingern, habt ihr sie.“

      Der Landrat riss den Mund auf und rief:

      „Wa?... Wa?...“ und vergass, ihn wieder zuzumachen.

      „Wer? wir?“ rief Baron Zobel und trat vor Frau Julie hin. „Selbst bildlich gemeint ist dieser Vorwurf falsch und niederträchtig. Wir haben mit deinem Einverständnis Peters Abwesenheit in Südwest dazu benutzt, um ihn von seinem höchst sesshaften Verhältnis zu befreien, das er ohne uns vielleicht nie mehr losgeworden wäre.“

      „Sehr richtig!“ stimmte der Landrat bei, der sich wieder in der Gewalt hatte. „Weiter nischt!“

      „Aber wie? wie habt ihr das gemacht?“ rief Frau Julie.

      „Zuerst auf deinen speziellen Wunsch mit Glacéhandschuhen,“ sagte Zobel, und der Landrat fügte hinzu:

      „Die wir uns dabei jehörig bedreckt haben.“

      „Das habt ihr,“ stimmte Frau Julie aus vollem Herzen bei.

      „Ne, ne,“ winkte der Landrat ab. „So nich, anders, liebe Mama. „So ’ne Loseisung, so ’n letzter Akt einer Liaison is doch schliesslich kein Hofball! Das is für jewöhnlich ’n ziemlich schmieriger Handel, mit mehr oder wenijer rührselijem Einschlag.“

      „Je kleiner die Abfindungssumme, um so grösser die Rührung,“ ergänzte Zobel.

      „Sehr richtig,“ stimmte der Landrat bei. „Hauptsache is bei so ’ner Szene die Tonart. Wenn man se natürlich wie du von vornherein statt auf Dur auf Moll stimmt, darf man sich nicht wundern, wenn’s ’n Kladderadatsch jibt.“

      „Jetzt bin am Ende noch ich daran schuld!“ rief Frau Julie.

      „I Jott bewahre! Schuld is Peter. N’ Verhältnis — verzeiht, aber mir scheint, dass das doch ’mal jesagt werden muss — also so ’n Verhältnis is doch nichts weiter als ein auf materieller Verständijung beruhender körperlicher Zu sammenschluss auf Widerruf.“

      „Lass das!“ befahl Frau Julie.

      Aber dem Landrat gefiel die Formel.

      „Wenn ein Teil widerruft, is es aus. Da jibt’s nichts! Und so wenig das Jesetz aus so ’ner Art Verbindung rechtliche Folgen herleitet, so wenig anerkennt der jesellschaftliche Kodex Pflichten moralischer Art — was ja auch sinnlos wäre, da das Janze ’ne höchst unmoralische Anjelejenheit is.“

      „Ich bin auch der Ansicht,“ sagte der Justizrat, „dass es in unser aller Interesse und nicht zuletzt in dem Peters liegt, wenn wir diese unglückselige Angelegenheit endgültig ad acta legen.“

      Frau Julie, deren Nerven seit einer Stunde übermässig angespannt waren, rückte ein wenig nach vorn, legte die weisse, gepflegte, noch immer schöne Hand auf den Tisch, sah ihre Schwiegersöhne an und sagte mit starker Betonung:

      „Gut, es mag das letztemal sein! Aber entgegen dem Gesetz, dem gesellschaftlichen Kodex, und vor allem entgegen deinem Urteil, Anton, wonach ein derartiger Fall eine höchst unmoralische Angelegenheit ist, will ich, dass der armen Aenne wenigstens einmal ihr Recht wird. Dann mag der Fall zwischen euch und mir begraben sein.“

      „So lass es doch ruhn, Mama,“ bat Ilse, „und reg’ dich nicht auf!“

      „Nein! nein!“ wehrte Frau Julie heftig ab. „Ich dulde nicht, dass man sie noch über das Grab hinaus kränkt. Ganz kurz! Was war dann? Ist der Oberpedell eines Gymnasiums ein anständiger Mensch?“ fragte sie laut.

      „An sich — warum nich,“ erwiderte der Landrat.

      „Ja oder nein?“ fragte Frau Julie.

      „Er kann es sein.“

      „Genau so gut und so schlecht, wie es ein Landrat sein kann.“

      „Erlaube! erlaube!“ widersprach Anton heftig. „Mir scheint doch, dass der Vergleich ...“

      „... i Gott bewahre!“ fiel ihm Frau Julie ins Wort. „Ich erlaube gar nicht: es gibt anständige Pedells und unanständige, genau so wie es anständige und unanständige Landräte gibt.“

      „... und — unanständige ... Land ... räte!“ wiederholte Anton. „Na, da muss ich doch sagen, dass man bei der Auswahl der Landräte denn wohl doch etwas sorgfältiger verfährt, als bei der Auswahl von Schuldienern. — Verzeih, Mama, aber der Vergleich ist grotesk.“

      „Ist es durchaus nicht. Denn ich spreche nicht von der Herkunft, von der Kinderstube, von der Bildung, die neben verschiedenen andern weniger wichtigen, meist rein äussern Formen die Voraussetzung für die Ernennung eines Landrats sind: sondern ich spreche von der rein menschlich moralischen Seite, und da wirst du mir zugeben, dass ein Pedell ein ebenso anständiger Mensch wie ein Landrat sein kann.“

      „Diese Nebeneinanderstellung!“ wehrte Anton verdriesslich ab. „Fühlst du denn jar nich, wie unanjenehm und kränkend das für mich is.“

      „Ganz und gar nicht. Ich für meine Person wenigstens ziehe einen anständigen Schuldiener einem unanständigen Landrat vor.“

      „Das sind doch rein jesellschaftlich jar nich miteinander komparable Begriffe.“

      „Wir sprechen ja jetzt von höheren als gesellschaftlichen Werten,“ lenkte Frau Julie ein ohne es zu wollen, „nämlich von menschlichen. Jedenfalls, du gibst mir zu, ein Pedell kann bei allem, was ihn gesellschaftlich vom Landrat trennt, ein anständiger Mensch sein.“

      „Jewiss!“

      „War nun Oberpedell Hoffmann ein anständiger Mensch?“

      „Das war er wohl.“

      „Und seine Frau?“

      „Die war es wohl auch.“

      „Diese Aenne war demnach achtbarer Leute Kind.“

      „Ja, ja, aber was soll das nur?“ fragte der Landrat ungeduldig.

      „Diese Aenne besuchte eine höhere Schule, eine Handelsakademie, sprach mehrere Sprachen und bekleidete in einem der ersten Anwaltsbüros eine durchaus nicht untergeordnete Stellung.“

      „Jewiss! jewiss! ’n Bürovorsteher oder ’n Volksschullehrer wäre wahrscheinlich


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