Wie Satan starb. Artur Hermann Landsberger

Wie Satan starb - Artur Hermann Landsberger


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war. Aber, um nicht ungezogen zu sein, verzichtete ich auf die Premiere, die mir übrigens schon bis da hinaus stehn. Ich sage immer: Ein Publikum, das den Quatsch goutiert“ — der Landrat verzog den Mund, hütete sich aber, zu verdeutschen — „sollte vom allgemeinen gleichen Wahlrecht ausgeschlossen werden.“

      „Bravo!“ rief der Landrat. „Das allgemeine gleiche und geheime Wahlrecht ist überhaupt das blödeste ...“

      „... ich bitt’ dich,“ unterbrach ihn seine Frau, „du wirst doch hier nicht deine Propagandarede gegen das Wahlrecht halten wollen.“

      „Du hast recht,“ erwiderte er, „das jehört nicht hierher.“

      „Na also, wo ist Mama?“ fragte Margot und sah deutlich, wie alle, ausser dem Medizinalrat, bei dem Worte in ihrem Munde zusammenzuckten.

      „Leider“, erwiderte Ilse, „hat sie sich zurückziehen müssen. Die Freudennachricht, die sie völlig unerwartet traf, hat sie derart erregt, dass sie sich legen musste.“

      „Sie hat uns aber warm ans Herz gelegt,“ log Hilde, „Ihnen zu sagen, wie sehr sie es bedauere, dass sie Sie nicht sehen kann.“

      Ilse ging darauf ein und sagte:

      „Auch hat sie mehrmals nach Ihnen gefragt. Schade, dass Sie nicht früher gekommen sind.“

      „Ich sagte Ihnen ja schon: ich war beim Anziehen. Und wenn es am Telephon auch hiess: er ist gesund, so dachte ich mir doch, wer weiss, vielleicht will man mir nicht die Wahrheit sagen. Und denken Sie, ich wäre“ — und dabei fuhr sie mit der hübschen Hand über ihre Brüste — „bis dahin dekolletiert gekommen“ — Ilse und Hilde fuhren zurück und schlossen die Augen — „nun ja, schön ist das nicht, aber so geht man doch jetzt, und schliesslich, wenn es vielleicht auch nicht jedem steht, jedenfalls ich kann mich sehen lassen — also denken Sie, ich wäre in grosser Abendtoilette gekommen und Sie hätten am Ende hier in Tränen aufgelöst gesessen. Wie peinlich wäre das für uns alle gewesen.“

      „Nun, Sie können beruhigt sein,“ erwiderte Zobel, „er lebt und ist wirklich gesund.“

      „Um so besser,“ erwiderte Margot. „Und wie denken Sie sich nun die weitere Entwicklung?“

      „Das hängt zum grossen Teil natürlich von Ihnen ab,“ sagte Ilse.

      „Von mir?“

      „Nun ja. Vor allem müssen wir wissen, ob Sie auch heute noch wie vor vier Jahren entschlossen sind, Peters Frau zu werden.“

      „Ja, warum denn nicht?“ fragte Hilde, und Zobel wandte sich nicht gerade freundlich an seine Frau und sagte:

      „Ich verstehe deine Frage gar nicht.“

      Aber der Landrat mischte sich ein:

      „Ich wüsste auch wirklich nich,“ sagte er, „was sich inzwischen jeändert haben sollte.“

      „Na, geändert hat sich in den vier Jahren ja so manches,“ erwiderte Margot, „und an sich ist die Frage auch nicht unberechtigt.“

      „Ja, erlauben Sie mal, Verehrteste,“ erwiderte der Landrat, „ich verstehe Sie jar nich ...“

      „Na, wenn ich nicht so taktvoll wäre, könnte ich Ihnen das sehr schnell verständlich machen.“

      „Ich bitte ergebenst darum,“ forderte er. „Wir find nicht empfindlich.“

      „Na, vor vier Jahren lagen die Dinge doch wohl wesentlich anders.“

      „Inwiefern?“ fragte Zobel, und Ilse meinte:

      „Ihre Ehe hat doch mit dem Krieg nichts zu tun.“

      „Indirekt schon,“ erwiderte Margot. „Wie lagen denn die Verhältnisse, als Sie vor vier Jahren zu meinem ahnungslosen Vater kamen, um ihm klar zu machen, dass eine Ehe zwischen Peter und mir für beide Teile — na, wie soll ich sagen — also auf gut deutsch, Herr Landrat: eine aufgelegte Sache wäre.“

      „Wie, Sie wissen?“ fragte Ilse erstaunt.

      „Alles weiss ich. Bei uns gibt es — das heisst gab es — denn jetzt, wo unsere Einverleibung in die Gesellschaft sozusagen beendet ist, hat sich auch bei uns manches gegen früher geändert — jedenfalls vor vier Jahren sagten wir uns noch alles. Na, und da weiss ich denn, was mir auch sonst wohl nicht eingegangen wäre, denn ich bin nicht auf den Kopf gefallen, dass auf Ihrer Seite der tadellose, gutaussehende junge Mann im Staatsdienst, mit der Aussicht auf eine grosse Karriere, aus alter, vornehmer Familie, die damals wenigstens noch keinen Schönheitsfehler aufwies, der ebenfalls gut aussehenden Tochter eines reich gewordenen Fabrikanten ohne Stammbaum und mit unverkennbar jüdischem Einschlag gegenüber steht.“

      „Das sind Nebenerscheinungen rein zufälliger Art,“ log der Landrat.

      „Nein, nein, das sind die wesentlichen Voraussetzungen,“ widersprach Margot. „Hier der gesellschaftliche Fundus, bei uns der materielle. Das ist ein ganz einfaches Exempel und geht von selbst auf. Und ist vor allem ein sichererer Wechsel auf die eheliche Glückseligkeit, als die himmelstürmende Liebe.“

      „Na, also,“ sagte der Landrat. „Dann stimmt’s ja.“

      „Stimmte,“ erwiderte Margot. „Durch diese Ehe wäre ich, und durch mich meine Familie, mit einem Schlage auf eine gesellschaftliche Stufe gerückt, auf die wir sonst vielleicht nie, im besten Falle aber in ein paar Jahrzehnten gerückt wären. Nun aber hat der Krieg mit seinem rasenden Tempo eine sogenannte neue Gesellschaft geschaffen, durch die wir mit einem Schlage aufgehört haben, Parvenüs zu sein. Neben zwischen Peter und mir für beide Teile — na, wie soll ich sagen — also auf gut deutsch, Herr Landrat: eine aufgelegte Sache wäre.“

      „Wie, Sie wissen?“ fragte Ilse erstaunt.

      „Alles weiss ich. Bei uns gibt es — das heisst gab es — denn jetzt, wo unsere Einverleibung in die Gesellschaft sozusagen beendet ist, hat sich auch bei uns manches gegen früher geändert — jedenfalls vor vier Jahren sagten wir uns noch alles. Na, und da weiss ich denn, was mir auch sonst wohl nicht eingegangen wäre, denn ich bin nicht auf den Kopf gefallen, dass auf Ihrer Seite der tadellose, gutaussehende junge Mann im Staatsdienst, mit der Aussicht auf eine grosse Karriere, aus alter, vornehmer Familie, die damals wenigstens noch keinen Schönheitsfehler aufwies, der ebenfalls gut aussehenden Tochter eines reich gewordenen Fabrikanten ohne Stammbaum und mit unverkennbar jüdischem Einschlag gegenüber steht.“

      „Das sind Nebenerscheinungen rein zufälliger Art,“ log der Landrat.

      „Nein, nein, das sind die wesentlichen Voraussetzungen,“ widersprach Margot. „Hier der gesellschaftliche Fundus, bei uns der materielle. Das ist ein ganz einfaches Exempel und geht von selbst auf. Und ist vor allem ein sichererer Wechsel auf die eheliche Glückseligkeit, als die himmelstürmende Liebe.“

      „Na, also,“ sagte der Landrat. „Dann stimmt’s ja.“

      „Stimmte,“ erwiderte Margot. „Durch diese Ehe wäre ich, und durch mich meine Familie, mit einem Schlage auf eine gesellschaftliche Stufe gerückt, auf die wir sonst vielleicht nie, im besten Falle aber in ein paar Jahrzehnten gerückt wären. Nun aber hat der Krieg mit seinem rasenden Tempo eine sogenannte neue Gesellschaft geschaffen, durch die wir mit einem Schlage aufgehört haben, Parvenüs zu sein. Neben die meisten andern, die heute auf den teuren Plätzen sitzen, ganz einfach noch weniger sind als sie.“

      „Das ist doch dann aber sozusagen Selbstbetrug,“ meinte Ilse.

      Margot sah den Landrat an und musste lachen.

      „Worüber lachen Sie?“ fragte der Landrat.

      „Mir kam nur so der Gedanke, ob am Ende nicht alles Selbstbetrug ist.“

      Der Landrat bekam einen roten Kopf und sagte:

      „Das soll doch nicht etwa heissen, dass jede jesellschaftliche Distanz, womöglich also auch die zwischen uns und dieser sojenannten neuen Jesellschaft — pfui Deibel! — jar nich vorhanden is und nur


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