Wie Satan starb. Artur Hermann Landsberger

Wie Satan starb - Artur Hermann Landsberger


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für Gefühle?“

      „Nun, zu Peter natürlich.“

      „Zu Peter?“ fragte sie erstaunt, „den ich kaum kenne?“

      „Ja, wenn Sie ihn doch aber heiraten wollen?“ sagte Ilse.

      Margot lachte.

      „An zuviel Gefühl wird die Ehe jedenfalls nicht scheitern. Und dass eine Ehe je an zuviel Vernunft gescheitert wäre, ist mir jedenfalls noch nicht zu Ohren gekommen.“

      „Sie für Ihre Person haben demnach Ihre Stellung zu dem Projekte nicht geändert?“ fragte Zobel.

      „Nein! Mir sagt es zu. Und wenn Peter äusserlich geblieben ist, wie er war, so gefällt er mir. Na, und wie er innerlich aussieht, erfahre ich ja doch erst in der Ehe.“

      „Dann ist ja alles gut,“ sagte Zobel.

      „Ja! Aber Mama! Die ist nicht halb mehr so verrückt nach dieser Ehe wie vor vier Jahren.“

      „Sie sagten doch vorhin, Ihre Frau Mutter warte ungeduldig darauf, mit uns in Verkehr zu treten,“ warf Hilde ein.

      „Ja, glauben Sie, dass das jahrelange vergebliche Warten sie grade günstig für das Projekt gestimmt hat?“

      „Hätten wir das doch gewusst,“ sagte Ilse.

      „Mama gefällt sich augenblicklich nämlich in einer neuen Rolle.“

      „Darf man wissen, welche das ist?“ fragte Ilse.

      „Gewiss! Es ist dieselbe, die Sie uns gegenüber spielen Sie können sich vorstellen, was für ein Vergnügen ihr das bereitet.“

      „Janz unbejreiflich,“ meinte der Landrat gekränkt. „Ihre Frau Mutter sollte dieselbe Rolle spielen wie wir?“

      „Ja, ja, Herr Landrat! Die Welt ist rund und dreht sich. — Wissen Sie, was Leder ist?“

      „Leder?“ wiederholte der Landrat. „Was für ’n Leder?“

      „Einfach Leder! Ich kann Ihnen verraten, Herr Landrat, dass das heute keine schlechte Sache ist.“

      „Ich denke,“ erwiderte der Landrat, „dass Ihr Vater sein Vermöjen in Terrains jemacht hat?“

      „Gewiss. Aber vielleicht kennen Sie Herrn Priester?“

      „Priester?“ wiederholte der Landrat. „Ne, wer soll’n das sein?“

      „In Firma A. W. Priester, bis zum Jahre 1914 Schuhmachermeister.“

      „Ich verstehe jar nich, wie ich zu so ’ner Bekanntschaft kommen sollte.“

      „Es wäre doch möglich, zumal er nur Schuhe nach Mass anfertigte,“ sagte sie und sah auf seine Schuhe — „aber nein, Sie tragen ja fertige Stiefel. Wie unschick! Ich hoffe, dass Peter das nicht auch tut. Sonst gewöhne ich’s ihm ab. Ich bin in solchen Dingen sehr peinlich. Und ein Mann mit schlechtem Schuhwerk ist für mich schon erledigt.“

      „Ich kann Sie beruhigen,“ sagte Ilse, während der Landrat seine Füsse unter den Sessel schob, „mein Bruder gibt sehr viel auf gutes Aeussere.“

      „Eben!“ erwiderte Margot. „So hatte ich ihn doch auch in der Erinnerung. Ich hätte mich sonst nie auf diese Ehe eingelassen. Aber, um auf besagten Schuster zurückzukommen — du lieber Gott, es kann ja nicht jeder Landrat sein! — Also dieser Priester hat sich gleich bei Beginn des Krieges ein grosses Lederlager angelegt und das ständig erweitert. Kurz und gut, der Mann soll heute seine vierzig Millionen haben. Denken Sie, Landrätchen!“

      „Ja, was jeht das denn uns an?“ fragte der Landrat.

      „Unter Umständen viel,“ erwiderte Margot. „Der Mann hat ausser einer Frau nämlich auch einen erwachsenen Sohn.“

      „Wa ...“ stiess der Landrat hervor, „und der soll am Ende“ — er wies auf Margot — „wie? am Ende jar an Stelle von Peter treten? Pfui Deibel!“ — Dann lachte er laut auf und sagte: „Ergebensten Diener!“ und wandte sich zur Tür.

      „Hallo!“ rief Margot. „Einen Augenblick, Herr Landrat, so lassen Sie mich doch ausreden. Dieser junge Mann hat studiert und ist Dr. med.“

      „Die Laufbahn eines Schustersohnes interessiert mich nicht.“

      „Aber meine Mama. Passen Sie auf, wie komisch. Dieser Schuster ...“

      „Scheusslich!“ sagte der Landrat und wandte sich wieder um. „Da dieser ... Mensch durch Sie in Beziehung zu meinem Schwager, dem königlich preussischen Regierungsassessor Dr. von Reinhart jebracht wird, so haben Sie jefälligst die Jüte und nennen ihn nicht immer Schuster.“

      „Ja, aber wie soll ich ihn denn nennen?“

      „Sie sagten doch, er handelt mit Leder. Dann sagen Sie wenigstens Lederfritze.“

      „Gut, den Gefallen tu’ ich Ihnen gern, obschon er als einfacher Schuster tausendmal eher nach meinem Geschmack war als jetzt, wo er Millionär ist. Also denken Sie, wie entsetzlich komisch! Dieser Lederfritze ist plötzlich von einer krankhaften Sucht nach gesellschaftlichem Aufstieg besessen und hat den brennenden Ehrgeiz, in unsere Familie zu kommen! Mama, denken Sie doch, meine Mama, die gerade gelernt hat, sich auf dem Parkett zu bewegen ohne auszurutschen, die soll ihn zu sich emporziehen und gesellschaftlich lancieren.“

      „Und Sie? Was haben Sie damit zu tun?“ fragte Zobel.

      „Ich soll seinen Sohn, dem er das grossartigste Sanatorium der Welt erbauen will, heiraten! Nicht, himmlisch!“

      „Ich finde es degoutant,“ sagte Hilde und führte die Hand vor den Mund, „wenn man denkt, mit wem man da konkurriert.“

      „Sieht man daran nicht besser als an allem andern, wie die Welt sich verkitscht hat?“ fragte Margot, „wenn es so weit gekommen ist, dass meine Mama die Menschen gesellschaftlich zu sich emporzieht.“

      „Und wieweit ist die Sache gediehen?“ fragte Zobel.

      „Ich wusste ja nicht, was hier wird,“ sagte Margot. „Infolgedessen habe ich durch Launen und Ausflüchte die Entscheidung hingezogen. Lange wäre es nicht mehr gegangen.“

      „Sie hätten es, falls Peter ausgeschieden wäre, wirklich über sich gebracht ...?“ fragte Zobel.

      „Warum nicht? Ich denke mir so’n Leben im Sanatorium ganz amüsant. Denken Sie, mit wieviel Menschen man da in Berührung kommt. Wirklich Kranke dürften natürlich nicht aufgenommen werden. Das wäre für mich Bedingung. Aber leicht Nervöse. Gott, wer ist heute nicht nervös!“

      „Ich!“ sagte der Landrat.

      „Das trifft natürlich nur auf die feiner Besaiteten zu,“ erwiderte Margot, und der Landrat, der aus dem Ton die Ironie heraushörte, fragte:

      „Was?“

      „Ich meinte das nur ganz allgemein,“ erwiderte Margot. „Und als Ort hatten wir Baden-Baden in Aussicht genommen. Da gibt’s zwar schon unzählige so’ner Nepplokale, aber das unsrige sollte alle andern in den Schatten stellen.“

      „Und der Mensch?“ fragte der Medizinalrat.

      „Was für ’n Mensch?“ erwiderte Margot.

      „Der dazu gehört! den Sie heiraten sollen?“

      „Ein allerliebster Kerl! Und verliebt, sage ich Ihnen. Also davon können Sie sich gar keinen Begriff machen, was der alles aufstellt, um aus mir das Jawort herauszubringen. — Aber er hat einen Fehler. Er hält sich nicht gut und hat einen schlechten Gang. Das kann ich auf den Tod nicht leiden. Und dann seine Hände! Nicht, dass er etwa einen Schusterdaumen hätte — Sie wissen doch: so!“ — und dabei machte sie die entsprechende Bewegung, schüttelte sich und sagte: „Bex! — Das natürlich nicht. Aber die Hand gefällt mir nicht. Schade! Er ist sonst wirklich ein lieber Kerl! Na, und das Geld ist schliesslich auch nicht zu verachten. Aber wie gesagt: alles in allem gefällt mir Peter doch


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