Wie Satan starb. Artur Hermann Landsberger

Wie Satan starb - Artur Hermann Landsberger


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Margot machte ein verschmitztes Gesicht — „oder glauben Sie das etwa nicht?“

      „Doch, doch — das heisst — teils — teils.“

      „Ja, was heisst das?“ drängte Ilse. „Haben wir es Ihnen gegenüber jemals an der nötigen Achtung fehlen lassen? Bewusst jedenfalls nicht.“

      „Aber nein, liebe Frau Baronin,“ erwiderte Margot und setzte wieder ihr allerliebstes Lächeln auf, „wirklich nicht. Ich wollte damit nur sagen: eine Komtesse wär Ihnen als Schwägerin jedenfalls lieber als Margot Rosen.“

      Alle waren verdutzt, nur Hilde raffte sich auf und sagte:

      „Wie können Sie glauben!“

      „Ich nehme Ihnen das durchaus nicht übel. Mama auch nicht. Sie sagt: das Leben besteht aus Kompromissen. Alles Gute findet sich selten beieinander — na ja, da hat sie doch recht. Ueberhaupt, ich finde es so komisch, dass Mama alles ausspricht, was sie denkt. Sie glauben gar nicht, in welche komischen Situationen sie sich und uns alle dadurch oft bringt. — Na, Sie werden sie ja nun wohl endlich kennen lernen. Es tut mir leid ihretwegen — aber es wird sich nicht umgehen lassen. Ich liebe Mama und finde, es spricht durchaus nicht gegen sie, dass sie in all den Jahren sich den sogenannten gesellschaftlichen Schliff noch immer nicht angeeignet hat.“

      „Ja, ich bejreife ja nich,“ sagte der Landrat, „warum Sie so aggressiv jejen uns vorjehn.“

      Und Baron Zobel, der ganz in Margots Anblick vertieft war, und bald das hübsche Gesicht und die ebenmässigen Glieder, bald die weissen Hände und den kleinen Fuss anstaunte, schnalzte mit der Zunge und sagte:

      „Ich muss auch sagen, Sie finden durchaus unsern Beifall. Sie gefallen uns sehr. Wenigstens mir. Na, und mit dem übrigen, vor allem mit der Frau Mama, da werden wir uns schon abfinden.“

      Margot, die längst fühlte, mit welchem Behagen Zobels Augen auf ihr ruhten, schlug die Beine übereinander, lächelte und sagte:

      „Es wird Ihnen auch gar nichts anderes übrig bleiben.“

      „Aber im Gegenteil,“ parierte Ilse die Unart ihres Mannes, „wir hatten schon lange den Wunsch, Ihre Frau Mutter kennen zu lernen.“

      „Na, der Wunsch hätte sich im Laufe der Jahre am Ende erfüllen lassen,“ erwiderte Margot. „Mama hat von der Stunde an, wo ich durch Familienbeschluss Ihrem Bruder in Südwest verlobt, oder doch wenigstens zugesprochen wurde, täglich auf Ihren Besuch gewartet.“

      „Wir hatten auch immer die Absicht,“ brachte Hilde nicht eben geschickt hervor.

      „Mama besitzt leider so wenig Menschenkenntnis. Ich habe ihr gleich gesagt: du wirst sehen — du wirst sehen, sie kommen nicht.“

      „Pardon!“ unterbrach sie der Landrat, „aber wieso dachten Sie das?“

      Margot sah den Landrat, der gerade kein schlaues Gesicht machte, an und musste lachen.

      „Sie werden sich gesagt haben,“ erwiderte sie, „wer weiss, ob wir Peter wiedersehen. Wozu uns also einen Verkehr aufladen, den wir doch nur der Not gehorchend, pflegen würden. Es genügt, wenn wir die Beziehungen zu dieser Margot lose aufrecht erhalten“ — die verdutzten Gesichter, die alle machten, reizten sie — „so lose,“ fuhr sie fort, „dass wir sie im Falle, dass Peter verschollen bleibt oder fällt, jederzeit, ohne ungezogen zu sein, abbrechen können.“

      „Aber!“ wehrten alle ab, weniger entsetzt darüber, dass dies junge Mädchen ihnen auf den Grund ihrer Herzen sah, als dass sie ohne Hemmung und Rücksicht aussprach, was sie dachte.

      „Mama ist doch eine kluge Frau,“ fuhr Margot fort, „aber glauben Sie, dass ihr jemals solche Gedanken kämen? Vielleicht ist es bei ihr auch Klugheit und sie will nicht sehen und belügt sich selbst. Möglich! Ader ich kann das nicht.“

      Der Landrat versuchte, dieser allen, ausser Margot, peinlichen Szene ein Ende zu machen.

      „Jedenfalls Inädigste,“ sagte er, „die Hauptsache is, dass Peter, wie Sie erfahren haben, lebt und bereits morjen Nacht in erreichbarer Nähe sein wird. Es sind vier Jahre vergangen, dass wir ihm nach Südwest unsern Heiratsplan und Ihre Bereitwilligkeit unter jenauer Klarlejung der Gründe ...“

      „... und materiellen Verhältnisse,“ ergänzte Margot.

      „... übermittelten.“

      „Ich weiss! ich weiss!“ erwiderte Margot, „und obgleich er damals noch unter dem Eindruck vom Tode seiner allerliebsten Aenne stand ...“

      „Aber, aber!“ wehrten alle ab, und Zobel sagte:

      „Wir wollen ihm diese kleine Verirrung doch nicht nachtragen.“

      „Wieso Verirrung? Ich weiss nicht, ob Sie erfahren haben, dass ich bei ihr war. Ich wollte sie sehen.“

      „Leider,“ sagte Ilse.

      „Ich fand sie reizend. Zwar etwas spiessig und so gar nicht das, was ich mir immer unter einer Geliebten vorgestellt habe. So gar nicht — ja, wie soll ich nur sagen: nichts Leichtes, nichts Prickelndes, was man so mit Wohlbehagen wie einen schönen seidenen Stoff durch die Finger gleiten lässt; sie aber glitt nicht, hatte im Gegenteil etwas Starkes, Festes, Bestimmtes; mit einem Worte: sie roch förmlich nach Charakter. Ja, ich bitt’ Sie, so was nennt man doch nicht Geliebte! So was heiratet man, aber so was liebt man nicht.“

      „Ja, wollen wir denn nicht lieber von den Lebenden sprechen?“ sagte der Medizinalrat, und Zobel, der sich endlich sattgesehen hatte, flüsterte seiner Frau zu:

      „Sie ist zwar reizend, aber sie ist furchtbar.“

      „Katastrophal!“ ergänzte der Landrat leise, während der Medizinalrat sagte:

      „Ich finde sie gar nicht so übel.“

      „Tuscheln Sie nicht!“ rief Margot übermütig. „Ich weiss doch, es geht gegen mich.“

      „Aber nein!“ wehrten sie ab.

      „Doch, doch, ich habe gute Ohren und weiss auch so, wie Sie über mich denken.“ — Sie sah sich um: „Uebrigens, das merk’ ich erst jetzt, wo ist denn die Frau Geheimrat, meine präsumptive Schwiegermutt ...“

      „... in Aussicht genommene,“ verbesserte der Landrat.

      „Wie? wie? Das ist doch dasselbe.“

      „Nein,“ widersprach der Landrat, „das heisst: ja. Natürlich ist es dasselbe! Eben darum soll man das Fremdwort vermeiden und den deutschen Ausdruck gebrauchen, der sich damit deckt.“

      „Richtig, richtig,“ erwiderte Margot, „Sie sind ja auch einer von den Sprachreinigungsfatzken! — Pardon! Verzeihung!“ verbesserte sie schnell. „Das platzte mir so heraus. Das Wort stammt von Mama. Sie werden begreifen, was für ’ne Wut die auf diese Sprachfa ...“ — sie beherrschte sich, lächelte dem Landrat zu und sagte breit: „Reiniger hat.“

      „Wieso Wut?“ fragte der Landrat.

      „Jahrelang quält sich Mama damit ab, die letzten Spuren ihrer Kinderstube zu verwischen. Am meisten Schwierigkeiten machte ihr die Erlernung der Fremdwörter. Kaum hat sie es mit Mühe dahin gebracht, sie einigermassen richtig anzuwenden, da kommt der Krieg und mit ihm neben anderen sogenannten kulturellen Fortschritten als einer für den Sieg wichtigsten, dieser Sprachreinigungsfimmel! Na, ich kann Ihnen sagen, ich war mal in so einer Sitzung und hab’ mir die Brüder angesehen. Die sollten sich lieber ihre Haare und Zähne reinigen, ehe sie an die Reinigung unserer Sprache gehen. Jedenfalls: Mama hat sie im Magen, was man ihr schliesslich auch nicht verdenken kann.“

      „Wenn ich nicht irre,“ lenkte Zobel ab, „so waren Sie so freundlich, nach Frau von Reinhart, meiner Schwiegermutter ...“

      „... unserer Schwiegermutter,“ verbesserte Margot schelmisch, und mit süsssaurem Gesicht beendete Zobel seinen Satz und sagte:

      „... zu fragen.“

      „Gewiss,“


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