Haselnussbraune Versuchung. Ysold Abay

Haselnussbraune Versuchung - Ysold Abay


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aus der er mich angesprochen hatte, und blickte in haselnussbraune Augen, kantige Gesichtszüge und eine verwirrte Miene, die meiner wahrscheinlich sehr ähnlich war. Ein einfaches schwarzes Shirt und eine Jeans rüttelten mein Bild von seinem Biker-Image allerdings durcheinander. Ich nickte zur Antwort nur, war mir nicht sicher, wie meine Stimme klingen würde, wenn ich den Mund aufmachte.

      Der Mann, der ein paar Jahre älter als ich selbst aussah, kam noch einen kleinen Schritt näher und blickte unauffällig den Gang hinunter, als wollte er sich versichern, dass wir alleine waren.

      „Was du da gesehen hast, behältst du besser für dich, okay?“ Der bestimmende Unterton in seinen Worten war mir nicht entgangen und so kniff ich nur die Augenbrauen zusammen.

      „Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, es der halben Stadt zu erzählen“, sagte ich und bemühte mich, wie er gleichermaßen abweisend und ernst zu klingen. Die Gesichtszüge meines Gegenübers entspannten sich sichtlich, als ich das gesagt hatte, und er gab seine Lauerstellung auf.

      „Du bist neu“, stellte er fest. Ich war wieder verwirrt, weil ich nicht wusste, was er mir damit genau sagen wollte.

      „Ist erst meine zweite Woche“, gestand ich. Hinter einem der Regale sah ich nun den Manager zu mir herübersehen, der ernst den fleischigen Kopf schüttelte.

      „Weniger quatschen, mehr arbeiten!“, rief er uns zu.

      Der Blonde warf ihm einen finsteren Seitenblick zu, aber ich sah es als Chance, mich mit einem entschuldigenden Blick wieder den Regalen zu widmen. Er sagte ebenfalls kein Wort mehr, griff sich aus dem Kühlregal hinter mir irgendetwas und verschwand dann.

      ***

      Zu dem Ausflug ins „Devils Doorstep“ hatte ich mich nur überreden lassen, weil mein Tag echt beschissen gewesen war und ich Ablenkung gebraucht hatte. Aber nie hätte ich erwartet, dass es mir die kleine Biker-Kneipe so angetan hatte, dass ich freiwillig ein zweites Mal hingehen würde. Vielleicht war es die entspannte Stimmung gewesen oder das gute Essen – beides Dinge, die man in einem Club in der Innenstadt eher nicht finden würde.

      Nach meiner Schicht hatte ich mir im Pausenraum des kleinen Ladens ein anderes Shirt angezogen und war dann direkt zum „DD“ gelaufen. Mia und Alex wollten mich hier treffen. Es war mir auch relativ egal, dass ein ganzer Ordner voller Lernstoff für die Klausuren zu Hause wartete – mein Kopf fühlte sich an, als würde er bei jeder weiteren Information, die ich in ihn hineinstopfte, platzen.

      In der kleinen Kneipe war wider Erwarten wenig los und meine Mitbewohner waren auch nirgends zu sehen. Also bestellte ich mir ein Bier an der Bar und sah mich nach einem freien Tisch um, der möglichst abgelegen war. Nachdem ich die Hand nach der kühlen, grünen Flasche über den Tresen hinweg ausgestreckt hatte, ließ ich den Blick schweifen und etwas, besser gesagt jemand, fiel mir sofort ins Auge. Der blonde Kerl, den ich bereits letzte Woche hier gesehen hatte, und der mir vor ein paar Tagen auf der Arbeit begegnet war, starrte zu mir herüber.

      Das Gefühl, seinen Blick auf mir zu spüren, war irgendwie unangenehm und irgendwie auch nicht. Es kribbelte auf meiner Haut, während ich versuchte, seinen Gesichtsausdruck zu deuten. Ich war unsicher, ob ich etwas zu ihm sagen sollte, und wusste ich nicht einmal, über was ich mich mit ihm unterhalten könnte.

      Na? Spaß gehabt am Wochenende hinter der Bar?

      Den Kopf über mich selbst schüttelnd wollte ich zu dem freien Tisch aufbrechen, den ich im Auge gehabt hatte, aber ein vorsichtiges Rufen ließ mich innehalten.

      „Hey!“ Der Blonde winkte mich zu sich herüber, klopfte mit der Hand auf den freien Platz neben sich auf der Bank. Skeptisch und dennoch neugierig ging ich in seine Richtung.

      „Willst du dich kurz setzen?“, fragte er und machte noch einmal dieselbe Bewegung mit der Hand auf der Bank. Ich war unsicher, ob ich das wirklich wollte. Wer war er und was wollte er von mir? Sich vergewissern, dass ich nichts über seinen kleinen „Ausrutscher“ am letzten Wochenende ausplauderte? Anstatt den freien Platz neben ihm auf der Bank zu nutzen, zog ich einen Stuhl unter dem Tisch hervor und ließ mich darauf sinken.

      „Ich hab mich noch gar nicht richtig vorgestellt.“ Er streckte mir seine Hand entgegen. „Colton.“

      Zögerlich und von dem vorsichtigen Lächeln auf seinen Lippen fasziniert, ergriff ich diese. Die Wärme seiner Haut verwunderte mich, fühlte sich gut an meiner an, schön.

      „Eric.“

      „Hi, Eric.“

      Viel zu lange ließ ich meine Hand in seiner, bevor ich die angenehme Berührung löste und nervös einen Schluck von meinem Bier nahm. Colton sah mich an, sein Mundwinkel zuckte, als wäre er über mich amüsiert.

      „Bist du oft hier?“, fragte ich dann, um das merkwürdig unangenehme Gespräch am Laufen zu halten.

      „Ab und zu“, antwortete Colton. „Ist ganz nett, um nach Feierabend abzuschalten.“

      Ich nickte nur und studierte sein Gesicht so unauffällig es mir möglich war. Der Bart war gepflegt und in Form gebracht, die blonden, etwas längeren Haare streng nach hinten gekämmt. Und obwohl hier und da graue Härchen aufblitzten, machte er einen recht jungen Eindruck auf mich – vielleicht war er zehn oder maximal fünfzehn Jahre älter als ich. Unter dem schwarzen, langärmligen Shirt, das er trug, zeichneten sich deutlich die Muskeln ab. Fasziniert dachte ich darüber nach, dass ich ihn durchaus attraktiv fand.

      Die Stille zwischen uns dehnte sich aus, bis die Tür der Kneipe aufging und Alex und Mia hereinkamen. Ich hatte es nicht als kühles Schweigen empfunden, weil ich ihn so noch eine Weile unauffällig beobachten konnte. Wahrscheinlich hatte er dasselbe getan. Als mich die beiden Neuankömmlinge entdeckten, sprang ich von meinem Stuhl auf, griff nach meinem Bier und sah Colton unschlüssig an.

      „Bis bald“, war das Einzige, das ich herausbrachte.

      Er lächelte nur, nickte zustimmend und ich genoss den Anblick der zarten Fältchen, die sich dabei an seinen Augen bildeten.

      „Wer war das denn?“, flüsterte Mia, nachdem ich mich an den Tisch zu meinen beiden Mitbewohnern gesetzt hatte.

      „Ach, ich hab ihn nur bei der Arbeit getroffen.“ Ich machte eine abwehrende Bewegung mit der Hand, als wäre es irgendeine Nebensächlichkeit.

      „Er sieht gut aus.“

      Unauffällig blickte ich noch einmal zu ihm, er begrüßte gerade eine Gruppe Männer, die zeitgleich mit Mia und Alex hereingekommen waren. Aber ich würde niemals in ihrer Gegenwart zugeben, dass ich das genauso empfand.

      „Hm“, machte ich stattdessen und winkte die Bedienung zu uns herüber, ohne ein weiteres Wort über Colton zu verlieren.

      ***

      Die Vorlesungen, mit denen ich nun schon den gesamten Vormittag verbracht hatte, waren todlangweilig. Trotzdem machte ich mir Notizen und stellte Fragen, wo es nur ging. Nur weil meine Stimmung so kurz vor den Prüfungen immer im Keller war, wollte ich mir dadurch nicht die Note versauen. Und mit dem Blick darauf, dass es vorerst die letzten Arbeiten waren, die ich schrieb, war es vielleicht ein bisschen weniger anstrengend.

      Als ich mich um die Mittagszeit mit Mia und Alex draußen auf dem Hof traf und wir uns bei einem Stand Kaffee und ein kleines Mittagessen besorgten, war ich dennoch froh, aus dem Gebäude raus zu sein.

      „Man, ich hasse diese Prüfungszeit“, spottete Alex. „Alle sind schlecht drauf und genervt.“

      Mia kicherte und ich sagte nichts dazu. Schließlich gehörte ich auch zu den Menschen, die Alex in dieser Zeit auf die Nerven gingen. Auch wenn er in derselben Situation war, wünschte ich mir oft, ich hätte seine Gelassenheit.

      „Wie sieht es heute Abend mit etwas Ablenkung aus?“, fragte ich in die Runde und hoffte inständig, dass die beiden zustimmen würden. Noch einen Abend in meinem Zimmer zwischen all den Ordnern und ich würde durchdrehen.

      „Heute ist doch das Abendessen mit unseren Studienkollegen


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