librsnet@mail.ru
Haselnussbraune Versuchung. Ysold Abay
die Wahrheit. Das Traurige daran war, dass ich mit Sicherheit nicht seinem Geschmack entsprach. Wer in seinem Alter wollte schon was von jemandem wie mir?
Jedes verdammte Mal, wenn ich an Eric dachte, wurde mir heiß. Ich wollte ihn berühren, ihn spüren und küssen. Ihn jetzt neben mir haben und in mein Bett zerren. Gleichzeitig fühlte ich mich unwohl dabei, so über ihn nachzudenken. Es fühlte sich falsch an und unangenehm, als müsste ich Angst haben, dass er meine Gedanken lesen konnte. Und wie zur Hölle sollte ich meine Gefühle in seiner Nähe unterdrücken können? Wenn er mich angrinsen oder sich noch einmal an mich lehnen würde …
Es war nicht das erste Mal, dass ich auf einen Kerl stand. Begehren, Verlangen, mitten in der Nacht aufzuwachen und an ihn denken zu müssen – das hatte ich schon mal gehabt. Aber das war der Grund gewesen, warum ich die Farm verlassen hatte. Ein junger Arbeiter, gut, er war älter gewesen als ich, hatte den Sommer über einige Wochen auf der Farm gearbeitet. Er war der erste Mann, mit dem ich etwas gehabt hatte. Heimliche Treffen in der Scheune oder den kleinen Hütten, in denen die Helfer schliefen, hatten meine Nächte ausgemacht. Er war drei Jahre in Folge gekommen, bis zu dem Zeitpunkt, an dem meine Mutter uns erwischt und mir den Teufel an den Hals gewünscht hatte.
Aber, fuck, das war viele Jahre her. Und ich war seitdem ein anderer Mann, erwachsen, hatte mein eigenes Leben, meine eigene Meinung, weit weg von meinen Eltern. Es schmerzte mich nur, dass es Eric genauso ergangen war und er und ich nicht die Einzigen waren, die solche Erfahrungen machen mussten.
Und wieder hatte ich erfolgreich die Brücke zu Eric geschlagen …
***
Am nächsten Abend schämte ich mich für das, was ich tat. Zwei Mal wäre ich auf dem Weg zu der unbekannteren Bar „#Pride“ in der Innenstadt fast umgedreht. Dann tauchte wieder Erics Gesicht vor meinem inneren Auge auf, wie er mir zulächelte und ich dabei dieses seltsame Kribbeln gespürt hatte. Wenn ich zugab, dass es gerade das erste Mal war, dass ich in eine queere Bar ging, würde mir das sowieso niemand glauben.
Es war kein großer Unterschied zum „DD“, nur etwas moderner und irgendwie dunkler – sofern das möglich war. An der Bar wurden Getränke ausgeschenkt, an den Tischen saßen die Gäste. Nur die kleinen Sitznischen im hinteren Teil waren für mehr Privatsphäre gedacht und neu für mich.
Ich bestellte mir ein Bier an der Bar, wie ich es auch im „Devils“ getan hätte, und ließ mich auf einem der hohen Stühle am Tresen nieder, halb in den Raum hinein gedreht, um die Gesellschaft um mich herum beobachten zu können.
Mir fiel schon bald ein junger Mann auf, der auffällig oft zu mir herübersah und auch nicht peinlich berührt wegblickte, sobald ich ihn bemerkte. Es war, als würden wir stumm das Interesse aneinander austauschen, ob es nun mit einem sanften Lächeln oder einem verhangenen Blick in meine Richtung war.
Es dauerte nicht lange, bis er sich von seiner Gruppe loslöste und zu mir herüberkam. Er lehnte sich vor mir an den Tresen, die dunkelbraunen Haare lässig frisiert, auf der linken Seite trug er einen länglichen goldenen Ohrring. Das eng geschnittene Shirt und die dunkelblaue Hose betonten seine schlanke Figur, doch mir fiel sofort seine Augenfarbe auf. Dunkelbraun. Nicht blau wie die von Eric. Aber das ist egal, dachte ich bei mir. Ich war nicht wegen Eric hier.
„Hi“, schnurrte mir der Junge entgegen und legte ungeniert die Hand auf meine, die locker auf dem Tresen geruht hatte.
„Hallo.“ Ich war mir nicht sicher, ob ich so offensichtliches Interesse gezeigt hatte, wie er es verstanden hatte. Eigentlich war ich mir selbst über mein Vorhaben noch nicht ganz im Klaren.
„Ich seh dich zum ersten Mal hier“, stellte der Dunkelhaarige fest und trat einen kleinen Schritt näher an mich heran. Meine Knie berührten beinahe seine Oberschenkel.
„Ist auch das erste Mal“, antwortete ich, so locker es mir möglich war.
„Nett.“
Er grinste mich an, während er sanft über meinen Handrücken strich, fast beiläufig, als würde er das unterbewusst machen.
„Hoffentlich nicht das letzte Mal“, scherzte ich und lächelte den jungen Mann dabei eindeutig an.
„Möchtest du es etwas privater?“, fragte er und ich folgte seinem Blick zu den kleinen Sitznischen am anderen Ende des Raumes. Keine Ahnung, ob es eine gute Idee war, dort mit ihm hinzugehen, aber wenn ich es nicht ausprobierte, dann wüsste ich es nicht. Alles war besser, als mit meinen nicht gerade jugendfreien Gedanken an Eric zu Hause auf der Couch zu sitzen.
Wir setzten uns nebeneinander auf die gepolsterte Lederbank und der Dunkelhaarige, den ich nicht einmal nach seinem Namen gefragt hatte, rutschte, so nah es ihm möglich war, zu mir. Nicht wie Eric, der sich so weit es ging, von mir weggesetzt hatte. Ich verwarf den Gedanken an Eric wieder und konzentrierte mich auf den jungen Mann, der sich nun zu mir herüberbeugte.
„Warum bist du hier?“, schnurrte er nahe an meinem Ohr. „Denn ich kann mir ganz genau vorstellen, was ich mit dir anstellen will.“
Er legte eine Hand auf meinen Oberschenkel, nur knapp oberhalb meines Knies, doch ich versteifte mich sofort. Es war bei Weitem nicht das erste Mal, dass ich mit einem Kerl etwas hatte, aber …
„Ich denke, ich lasse mich überraschen“, erwiderte ich, die Stimme tief und kehlig, irgendwo zwischen Erregung und Zweifel.
Der Dunkelhaarige nippte an dem Getränk, das er mitgebracht hatte, und sah mich dabei durch seine halb geschlossenen Lider an. Dabei wanderte seine Hand mit sanftem Nachdruck über den Stoff meiner Jeans nach oben. Ich versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, dass es mir unangenehm war, so schnell so intim mit ihm zu werden. Obwohl genau das meine Absicht gewesen war.
Um die Sache etwas zu beschleunigen, legte ich meinem Gegenüber vorsichtig eine Hand an die Wange und wollte mich nach vorne beugen, seine Lippen mit meinen berühren. Er stoppte mich, indem er einen seiner schlanken Finger auf meine Lippen legte, ein eindeutiges Lächeln auf seinen eigenen und sich meinem Hals widmete.
Ich wollte es genießen, wollte es wirklich, denn er war gut in dem, was er da tat. Er leckte über die empfindliche Haut hinter meinem Ohr, saugte und knabberte an mir. Aber das Einzige, das mein Kopf gerade zustande brachte, war, an Eric zu denken. Ich schloss die Augen und stellte mir vor, dass er das mit mir täte, dass es seine Lippen wären. Aber das machte es auch nicht besser und ich musste an den Moment denken, als er sich an meine Brust gelehnt hatte und ich ihn im Arm gehalten hatte.
„Verdammt“, stieß ich aus und drückte den jungen Mann an den Schultern von mir weg. In seinem Blick war zu sehen, dass er nicht verstand, was ich für ein Problem hatte.
„Was ist?“, fragte er verwirrt.
„Es“, ich seufzte. „Es hat nichts mit dir zu tun. Ich kann nicht.“
Dann stand ich auf und ging.
***
Die nächsten Tage waren wie verflucht. Ich wollte Eric unbedingt aus dem Weg gehen, endlich wieder Herr meiner Gedanken werden und nicht ständig ihn vor Augen haben. Das war einfacher gesagt als getan. Ich hatte, warum auch immer, ein schlechtes Gewissen, weil ich ins „#Pride“ gegangen war, um dort jemanden für eine Nacht kennenzulernen und in erster Linie, um Eric zu vergessen. Das war gründlich schiefgelaufen. Mein schlechtes Gewissen galt nicht nur Eric, der ja nicht einmal wusste, dass ich dort gewesen war, – es galt auch dem jungen Mann, den ich hatte benutzen wollen.
Von meinen Arbeitskollegen hatte ich mich zu einem Abend im „DD“ überreden lassen, war aber nach nicht einmal einer Stunde frustriert wieder gegangen, weil ich mit den Nerven am Ende war und sowieso nur über eine bestimmte Person nachdenken konnte. Auf dem Weg nach draußen, ich wollte einfach nur weg von dort, war ich in Eric gelaufen, der gerade die Kneipe betreten wollte. Diese kurze Berührung hatte so viele widersprüchliche Gefühle in mir ausgelöst, dass ich Kopfschmerzen davon bekommen hatte. Noch Minuten danach hatte mein Körper von unserem Zusammenstoß vibriert vor Aufregung.
Ich kam mir total bescheuert vor, komisch, als würde ich etwas