Haselnussbraune Versuchung. Ysold Abay

Haselnussbraune Versuchung - Ysold Abay


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wollte, gut zu überlegen. Einen Moment lang standen wir uns nur schweigend gegenüber. Mein Kopf war leergefegt, während ich darauf wartete, dass er weitersprach, überall in meinem Körper kribbelte es, mein Herzschlag pochte unnachgiebig in meinen Ohren.

      „Du bist so …“, seine Stimme war fast nur ein Flüstern. „Du machst mich wahnsinnig. Ich will dich berühren, dich küssen …“

      Er brach ab und schloss die Augen. Ich konnte sehen, dass sein Atem beschleunigt war, und er versuchte, sich selbst zu beruhigen, bevor er mich wieder ansah. Mir wurde noch wärmer, wenn ich daran dachte, was er sich gerade vorstellte …

      Wie angewurzelt blieb ich stehen. Egal, was ich erwartet hatte, das war es mit Sicherheit nicht gewesen. Mein Kopf war gähnend leer, nur seine Worte leuchteten darin auf wie eine Neon-Reklame. Ich konnte spüren, wie mir das Blut in die Wangen schoss, mir war heiß, obwohl ein sanfter Windhauch mein Haar durcheinanderbrachte. Colton hatte bemerkt, dass ich stehen geblieben war, und drehte sich in meine Richtung. Er hatte seine Hände in den Taschen seiner Jeansjacke vergraben und sein Blick glühte in der Dunkelheit.

      „Ich will ehrlich zu dir sein, so wie du es zu mir immer warst.“ Coltons Blick wurde ernst. „Vor ein paar Tagen war ich in einer Bar in der Stadt, um … Ich war wegen Sex dort, weil ich dachte, dass ich dann nicht mehr an dich denken muss.“

      „Und?“, fragte ich zögerlich.

      „Ich will dich nur noch mehr“, gestand Colton.

      Meine Haut kribbelte, als er das sagte und mich dabei durchdringend ansah. Ich konnte das Verlangen in seinem Blick sehen, hatte es sogar in seinen Worten hören können und ich konnte nicht leugnen, dass ich ebenso empfand.

      „Du kannst jetzt gerne gehen und wir müssen uns nicht wiedersehen. Aber ich kann dir nicht gegenüberstehen und so tun, als wäre nichts.“ Er schüttelte meine Hand ab, die noch immer auf seinem Arm gelegen hatte, und ging davon, ohne sich noch einmal umzudrehen. Ich wollte ihm hinterhergehen, aber meine Beine waren wie gelähmt. Keinen Millimeter wollten sie sich bewegen, solange ich über die Worte nachdachte, die er mir gerade gesagt hatte. So sehr ich seine Ehrlichkeit auch bewunderte, war es das, was ich wollte? Sex mit Colton?

      ***

      Mia war sauer, als ich wieder zum „DD“ zurückgekehrt war. Mehr als das. Sie hatte die Ausmaße einer sorgenvollen Mutter angenommen, weil ich verschwunden war und mich nicht gemeldet hatte. Auch meine knappe Ausrede, ich würde mich nicht gut fühlen und nach Hause gehen, hatten sie nicht besänftigt. Aber ich konnte ihr nicht einfach sagen, was passiert war. Nicht, wenn ich mir selbst nicht einmal sicher war, was es eigentlich gewesen war.

      Auch ein paar Tage später hatte sich in der Hinsicht noch nichts getan. Weder hatte ich mit Mia und Alex darüber gesprochen noch mit Colton. Etliche Male hatte ich angefangen, eine Nachricht an ihn zu tippen, sie aber nie abgeschickt.

      Mir hatte noch nie ein Mann gesagt, dass er mich begehrte. Überhaupt hatte ich nie mit jemandem ein so intimes Gespräch geführt. Schon gar nicht mit jemandem wie Colton. Mir war der Altersunterschied völlig egal gewesen, als er gesagt hatte … als er laut ausgesprochen hatte, dass er mich wollte. Ich hatte nur ihn gesehen, den großen, blonden Mann, der so anders war als alle, die ich bisher getroffen hatte.

      Seufzend legte ich den Ordner beiseite, der auf meinem Schoß geruht hatte und mit dem ich, zumindest noch bis gerade eben, ernsthaft versucht hatte zu lernen. Ich konnte mich nicht auf die Seiten voller sachlicher Texte konzentrieren, wenn Colton mir im Kopf herumschwirrte. Zum wahrscheinlich zehnten Mal heute nahm ich mein Smartphone zur Hand, tippte auf seinen Namen und begann, wie ich es auch schon die letzten Male getan hatte.

      Eric, 20:23 Uhr – Hey, Colton

      Meistens hatte ich an dieser Stelle schon wieder alles gelöscht und war frustriert aufgestanden. Aber es konnte ja nicht ewig so weitergehen, oder?

      Eric, 20:23 Uhr – Hey, Colton. Alles in Ordnung bei dir?

      Nein, das war nicht, was ich sagen wollte. Ich löschte den letzten Satz wieder.

      Eric, 20:23 Uhr – Hey, Colton. Können wir reden? Bitte?

      Oh man, ich klang verzweifelt. Aber genau das war ich. Verzweifelt, weil mein Kopf mir keine Ruhe ließ und das Einzige, über das ich nachdenken konnte, Colton war, der Sex mit mir wollte. Ich drückte auf Senden. Warten brachte nichts, er würde sich nicht von selbst melden, so wie er letzten Freitag geklungen hatte.

      Mein Kopf dröhnte und ich stand auf, um in die Küche zu gehen. Alex und Mia waren nicht zu Hause, wahrscheinlich waren sie in der Bibliothek oder sonst wo, um zu lernen und an ihren Abschlussarbeiten zu schreiben. Draußen brannten bereits die Straßenlaternen und der Himmel war dunkel.

      Mit einem Glas Wasser stand ich in meiner Zimmertür und betrachtete das Chaos, das ich in den letzten Tagen hier angerichtet hatte. Überall lagen Notizen verstreut und Ordner voller Wissen, das ich in meinen Kopf bringen musste. Und mitten in diesem Durcheinander lag mein Telefon, das angefangen hatte zu klingeln – auf dem Display leuchtete Coltons Name auf. Sobald ich mein erstes Zögern überwunden hatte, hechtete ich darauf zu und nahm den Anruf an, aus Angst, er würde es sich anders überlegen und auflegen.

      „Hallo?“, fragte ich außer Atem.

      „Eric?“, kam es vom anderen Ende der Leitung.

      „Ja.“

      „Hi.“

      Ich ließ mich auf mein Bett sinken, während ich wartete, dass er von sich aus anfing zu reden. Erst nach gefühlten Minuten, die wir uns angeschwiegen hatten, wurde mir klar, dass er bereits alles gesagt hatte und ich nun an der Reihe war.

      „Bist du noch dran?“, fragte ich überflüssigerweise, obwohl ich immer wieder Geräusche im Hintergrund gehört hatte.

      „Ja, bin ich“, bestätigte er. Er klang müde und erschöpft.

      „Ich“, in meinem Kopf rauschten die Gedanken. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“

      Colton schwieg eine ganze Weile und ich ließ mich nach hinten auf die Matratze sinken, schloss frustriert die Augen und fragte mich, was ich hier eigentlich gerade machte. Ich hatte mit ihm sprechen wollen, also warum hatte ich mir nicht vorher überlegt, was ich sagen wollte?

      „Bitte, sag nur ja“, kam es von Colton.

      „Ja zu was?“, fragte ich. Unnötig zu erwähnen, dass ich genau wusste, was er meinte.

      „Zu mir.“

      Und zum ersten Mal in meinem Leben war ich mir einer Sache sicher. Ich wollte ihn nicht von mir stoßen und diese Chance verspielen – ich wollte Colton. Und bevor er mein Schweigen als Zögern interpretierte, sprach ich es aus.

      „Ja.“

      Am anderen Ende nahm ich wahr, wie er hörbar die Luft ausstieß und dann ein raues, kurzes Lachen. Es kribbelte auf meiner Haut, wenn ich ihn mir dabei vorstellte, seine Lippen und seine haselnussbraunen Augen, die Muskeln unter dem Stoff des Oberteils verborgen.

      „Wir müssen auch nichts überstürzen. Lass es uns langsam angehen.“

      Ich war mir sicher, dass er das nur aus Rücksicht zur mir sagte. Wenn ich ihn gebeten hätte, sofort vorbeizukommen, hätte er nicht gezögert, das wusste ich.

      „Was hältst du davon: Ich hol dich morgen ab – 18 Uhr? Und … wir sehen einfach, was passiert.“

      ***

      „Wenn irgendetwas ist oder wir dich abholen sollen, dann ruf bitte an.“

      Mia stand mit besorgter Miene vor mir, die Arme vor der Brust verschränkt. Alex lehnte neben ihr an der Küchenzeile, sah allerdings weniger besorgt aus als sie. Ihr zu erzählen, dass Colton und ich „ausgingen“, weil er mir ehrlich gesagt hatte, was er mit mir tun wollte, wenn wir allein waren, war wahrscheinlich keine gute Idee. Sie dachte, wir würden eben nur „ausgehen“.

      Was mich heute Abend erwarten


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