Goldstück-Variationen. Michael Klonovsky
von 1981 bis 1988 Mitglied der SED. Diese Prägung scheint heute noch zu wirken.
12. März
Wir sind »weltoffen« und dürfen uns nicht »abschotten«, lautet bekanntlich das Mantra der Willkommenskulturschaffenden und ihrer Führungsoffiziere. Aber welches Land »auf der Erde Rücken« (Wanderer, Siegfried, 1. Akt) ist nicht »weltoffen« und »schottet sich ab«? Nordkorea, gewiss – doch weitere Beispiele sind nicht so einfach zur Hand. Gut, die Australier schicken sämtliche Boote mit Migranten zurück, weshalb wohl auch keine mehr aufkreuzen, doch sonst herrscht Down Under ein reges Kommen und Gehen. Die Saudis lassen weder Israelis noch Touristen bei sich einreisen, dafür aber Frauen sogar ohne Begleitung, sofern sie am Flughafen von ihrem Ehemann oder einem männlichen Gastgeber abgeholt werden. Ähnliche Restriktionen dürfte es auch in einigen anderen Ländern geben, wo noch rechtgeleitet geglaubt wird, doch dass diese Länder sich regelrecht abschotten, wird gleichwohl niemand behaupten. Nicht einmal die Schotten schotten sich ab. Bei Lichte besehen hat niemand vor, sich abzuschotten, doch sogar der weltoffenste Grüne schließt seine Tür ab.
In der Semantik des gesinnungsethischen Lagers wird dem Imperativ, wir dürften uns nicht »abschotten«, gern die Feststellung beigesellt, dass »Zäune keine Menschen aufhalten«. Das erscheint zwar nicht besonders logisch – warum sollten wir ermahnt werden, uns nicht abzuschotten, wenn es sowieso unmöglich ist? –, aber Logik ist ja Glaubenssache. Allerdings führt uns dieser Widerspruch mitten hinein in eine Argumentation, wie sie die Kanzlerin im Januar in Davos in die funkelnden Worte fasste: »Seit der chinesischen Mauer, seit dem römischen Reich wissen wir: Reine Abschottung hilft nicht, um Grenzen zu schützen.« Und Abschottung durch Unreine wahrscheinlich auch nicht! In der Gegenwart findet man zwar keine abschreckenden Beispiele von exzessiver Weltverschlossenheit mehr, speziell nicht im besten Deutschland, das es je gab, aber der schottende Schoß ist gewissermaßen fruchtbar noch, weshalb unsere Fremdenführerin auch rhetorisch mit dem Grenzzaunpfahl der beiden historisch krassesten Exempel reiner Abschottung winkte. Andere Geschichtsexperten aus ihrer Entourage griffen die Beispiele auf und brachten sie unter die schon länger hier Lebenden. Seither weiß jeder: China, Rom, Abschottung – so geht’s einfach nicht.
Die Errichtung des Limes begann mit den ersten Kastellen unter Kaiser Claudius, unter Domitian (81–96) wurde ein Wachsystem mit Türmen und Patrouillen etabliert, Trajan (98–117) und Hadrian (117–138) ließen schließlich jenen Grenzwall errichten, der heute als Limes verrufen ist. Setzen wir als Grundsteindatum für den Beginn der reinen Abschottung der Einfachheit halber das Jahr 100 an. Geholfen hat es den alten römischen Männern nicht. Die Goten plünderten Rom anno 410, die Vandalen 455, und im Jahr 476 setzte der Germane Odoaker den letzten weströmischen Kaiser ab. Das heißt, der Limes konnte das Imperium nicht mal 400 Jahre lang abschotten, und zur See hin nutzte er praktisch überhaupt nichts. Immerhin: Fast 400 Jahre darbten »senatus et populus Romanus« (Cicero) in Weltverschlossenheit. Die Germanen mussten ihre willkommenskulturellen Menschenrechte förmlich erzwingen. Erst als Rom aufhörte, sich abzuschotten bzw. zu verteidigen, wurde es divers, fahrende Völkerschaften veranstalteten multikulturelle Events, und wenig später begann jene Epoche, die fortschrittliche Historiker »das bunte Mittelalter« nennen.
Noch früher als die Römer, angeblich schon 700 Jahre vor der Geburt des islamischen Propheten Īsā ibn Maryam, begannen die Chinesen mit der Abschottung, ebenfalls nach Norden und mit einem ähnlichen kulturellen Dünkel wie die Römer. Ihre Grenze stand nicht nur viel länger als die römische und war mehr als siebenmal so lang, sie war auch viel stärker befestigt. Wie die Römer zahlten die Chinesen einen hohen Preis für ihre Ausgrenzungspolitik und wurden zu einem der rückständigsten Länder der Erde. Nur im 13. Jahrhundert kam es zu einer Öffnung, und dank der mongolischen Einwanderer erlebte die Kultur eine kurze Blüte im sogenannten Reich der Mitte. Mit den Mongolen kamen auch Muslime, zunächst vor allem als mongolische Hilfstruppen, von denen sich während der Yuan-Dynastie viele in China niederließen. Man nannte sie später »Huihui«, aus dieser Gruppe entstand die eigene Nationalität der Hui, die heute um die zehn Millionen Angehörige hat, was in diesem Land als homöopathische Konzentration gilt. Außerdem haben sich diese und andere Muslime sowohl ethnisch als auch religiös mit den Indigenen bis zur Ununterscheidbarkeit vermischt. Jahrhundertlang konnte das Ungarn Asiens seine Abschottungspolitik weiter betreiben. Unter den Ming-Kaisern wurde die Mauer zu ihrer heutigen Gestalt ausgebaut. Aber obwohl nahezu in »Inzest degeneriert« (W. Schäuble), überlebte dieses Volk gerade noch so dank der Einführung des Kommunismus. Wer heute durch Peking oder Shanghai fährt, kann sich überzeugen: Bunt ist dort nichts. Überall bloß Schlitzaugen, und zwar jede Menge. Sogar die heruntergekommenen Stadtränder sind voll davon. Aber kein Schwarzer, keine Nafris, kaum Frauen mit bunten Tüchern auf dem Kopf oder vorm Gesicht, »Gruppen« ohne Ende, doch keine ist bunt. Nur in der Nordprovinz Xinjiang, wo die fidelen Uiguren als größte Bevölkerungsgruppe leben, vermittelt das Land eine Ahnung von Multikulti.
Merkt euch, Kinder: Abschottung hilft nicht, die Grenzen zu schützen. Beziehungsweise nicht länger als ein paar hundert Jahre, und auch dann hat sie nichts gebracht. Grenzen schützt man am besten, indem man auf beiden Seiten derselben vergleichbar unattraktive Verhältnisse herstellt. Danach kann man sich teure Sicherungsmaßnahmen sparen, und es kommt an den Übergängen auch kaum mehr zu noch hässlicheren Bildern.
Tierquälerei: Etwas, das die Natur in jeder Sekunde veranstaltet.
England hat den nächsten Vergewaltigungsskandal. Wieder handelt es sich, analog zu Rotherham, um minderjährige weiße Unterschichtsmädchen, oft noch Kinder, die von »Asiaten«, wie Bild schreibt (dortzulande ist das ein Synonym für Pakistanis), vergewaltigt, gruppenvergewaltigt, unter Drogen gesetzt, auf den Strich geschickt und misshandelt wurden, und zwar wiederum zu Hunderten. Eines der Mädchen wurde zusammen mit seiner Mutter und seinem Baby ermordet. Aus welchem ethnisch-kulturellen Milieu die Täter stammen, kann sich jeder an den Fingern abzählen, und Daily Mail präsentiert auch ein paar jener edlen Alis und Hussains. Wie in Rotherham wussten die Behörden nahezu alles, ermittelten aber lange nicht, um nicht in den Ruch des Rassismus zu geraten, zumal es Rassen gar nicht gibt, denn die sind ein Konstrukt. Es gibt nur rassistisch und antirassistisch auf der einen, nur rein und unrein auf der anderen Seite, und die Täter haben gleich drei Begründungen, warum sie diese Dinger wie Dreck behandeln dürfen: Es sind keine Moslems, es sind bloß Frauen, und es sind Weiße. Weißes Fickvieh. Von der anderen Seite betrachtet: eine Art willkommenskultureller Beifang.
Geradezu seismographisch wachsam gegenüber dem Missbrauch waren die englischen Behörden aber im Falle Martin Sellners, eines Häuptlings der österreichischen Identitären, der am Sonntag am Londoner Speaker’s Corner eine Rede ausgerechnet über Meinungsfreiheit halten wollte und rechtzeitig gehindert werden konnte, diese traditionelle Stätte der englischen Meinungsfreiheit, an der unter anderem auch radikale Moslems sprechen dürfen, zu schänden. Nach ihrer Ankunft in London wurden Sellner und seine Freundin Brittany Pettibone von der Polizei festgenommen und nach Österreich zurückgeschickt.
14. März
Große Unruhe im Bundestag löste vor einigen Tagen ein AfD-Abgeordneter aus, welcher die spärlich besetzten Reihen der politischen Mitbewerber musterte und offenbar durchzählte; der parlamentarische Schlummer wich hektischer Betriebsamkeit; die Sorge, gleich werde von den Populisten wieder ein »Hammelsprung« anberaumt, ging um; es wurde telefoniert und gesimst, man holte Abgeordnete aus den Restaurants, Hotelzimmern, Bars und, hoffentlich, Bordellen, die Zahl der Saaldiener wurde verdoppelt, die Reihen füllten sich. Aber nichts geschah, der Schelm hatte sich wieder gesetzt und tat, als sei nichts gewesen …
Einer der Saaldiener sagte: »Machen Sie denen ruhig Dampf. Ich arbeite seit mehr als zehn Jahren hier, und die werden von Jahr zu Jahr fauler.«