Goldstück-Variationen. Michael Klonovsky

Goldstück-Variationen - Michael Klonovsky


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Er klagte tatsächlich, die Befürworter der Vereinigten Staaten von Europa hätten »zugelassen«, dass sich in besagten Bevölkerungen gegenüber ihrem Projekt »Zweifel einnisten«.

      Fünftens: Er erklärte »die kohlenstofffreie und kostengünstige Atomenergie« für »unerlässlich«.

      Sechstens: Er verteidigte mit Verve die Urheberrechte von Autoren im Zeitalter der Digitalisierung, und dies mit Worten, wie sie wohl nur ein Franzose sprechen kann: »Diejenigen, die die etymologischen Boten dessen sind, was uns wirklich zusammenhält, die wahre Autorität in Europa, das sind die Autoren.« (Je ne vous crois pas, Monsieur le Président, mais mille fois merci.)

      Siebentens: Anders als selbstvergessene und bildungsferne deutsche Eurokraten will Macron die Vielfalt der europäischen Sprachen erhalten und forderte, dass jedes europäische Schulkind mindestens zwei europäische Sprachen beherrschen soll.

      Achtens: Macron hat sich dafür ausgesprochen, die frei werdenden 73 Sitze der britischen EU-Abgeordneten »als europäische Antwort auf den Brexit« einer transnationalen Liste zur Verfügung zu stellen. »Ich setze mich dafür ein, 2019« – also bei den Europawahlen – »transnationale Listen zu haben«, erklärte er. Und nach Macrons Willen soll »bei den darauffolgenden Wahlen die Hälfte des europäischen Parlaments über diese transnationalen Listen gewählt« werden. Die Brüder meinen es ernst.

       23. Februar

      Der AfD-Abgeordnete Gottfried Curio hatte gestern den für Bundestagsverhältnisse ungewöhnlich subtilen Antrag gestellt, das Parlament möge selbstverständlich die Befreiung des Journalisten Deniz Yücel aus dem türkischen Knast gutheißen, aber parallel dazu deutlich aussprechen, dass dieser zu einem noch nicht öffentlich gemachten Preis erfolgte Freikauf als Verteidigung der Meinungsfreiheit und keineswegs als Gutheißung der deutschen- und bisweilen sogar menschenfeindlichen Kommentare des zuletzt für die Welt geifernden Deutschtürken zu verstehen sei, auf dass diese Verteidigung seiner Rechte nicht mit jener seiner Positionen verwechselt werde. Sagte ich »subtil«? Nun, was heißt subtil, es ist erstes Semester Diplomatie, aber in einem smarten Gesinnungsstaat, wo sich eine von nahezu sämtlichen Medien unterstützte Allparteienkoalition gegen einen neuen Mitbewerber verbündet hat – Tagesspiegel: »Bundestag wehrt AfD-Angriff auf Deniz Yücel ab« –, löst ein solcher Vorschlag autoritäre Beißreflexe aus, die sich nach den hier täglich auszuhandelnden Bedingungen einstweilen noch mit den beliebten menschenfreundlichen Phrasen à la »Wir verteidigen die Demokratie/die Meinungsfreiheit gegen ihre Feinde« drapieren müssen, aber das gewalttätige Bodenpersonal der Humanität ist ja bei jeder AfD-Veranstaltung unterwegs.

      Also, Freunde, Autokraten und Ähnlichäugige: Wer nach diesen Bildern aus dem Parlament, wer angesichts dieser hasserfüllt brodelnden Sportpalaststimmung links der Teufelsbrüder nicht begriffen hat, wer hier Meuten bildet, wer hier hetzt, wer hier gerne verbieten und verfolgen lassen würde, von wem hier die Bedrohung der Freiheit ausgeht, der gewinnt eine Traumreise mit H. Maas und Claudi R. an Bord der »Habermas« zu den Teufelsinseln.

      Ein Wort in diesem Zusammenhang zu Cem Özdemir. Ich habe mich bereits zu denjenigen geäußert, die beim Politischen Aschermittwoch in Poggenburgien und Höckistan bei der Nennung seines Namens »Abschieben! Abschieben!« skandiert haben, und will das passende Wort gern wiederholen: Gesindel. Dass unser grüner Schwabe diese Steilvorlage weidlich ausgenutzt hat, sei ihm unbenommen. Ansonsten hat der Bub natürlich schwer einen an der Waffel – resp., um es etwas angemessener zu formulieren: Da ist der kleine grüne Nazi mal gewaltig mit ihm durchgegangen. Was Özdemir unter Berufung auf nicht im Saal Anwesende den AfD-Bundestagsabgeordneten zu unterstellen geruhte, nämlich dass sie »Rassisten« und Kandidaten für »Neonazi«-Aussteigerprogramme seien, das zeigt, wie perfekt eingedeutscht der Herr Özdemir ist (ich meine in jenes kranke Deutschland seit ca. 1918 ff.), welch kern- und knalldeutsche Denunziationskompetenzen er bei seiner Integration erworben hat. Hail Cem!

      Am Rande: Özdemir rief in Richtung AfD-Fraktion, dass dort diejenigen säßen, die Deutschland hassten, zumindest jenes Deutschland, für das der Herr Özdemir und seine grünen Mitpatrioten stünden. Und was fiel ihm als preiswürdiger Kernbestandteil dieses grünen Deutschlands ein? »Unsere Erinnerungskultur, um die uns die ganze Welt beneidet.« Das sind zwei Märchen in einem Halbsatz. Zum einen gibt es keine deutsche Erinnerungskultur, sondern lediglich einen auf zwölf Jahre beschränkten Erinnerungstotemismus, Erinnerungsexorzismus, Erinnerungshexensabbat. Und um diesen herum eine komplette Erinnerungsamnesie, um nicht zu sagen: Erinnerungsdemenz. Ein kultureller Filmriss. Zum anderen gibt es nirgendwo auf der Erde ein Land, das uns um diese kollektive Neurose beneidet, warum auch? Darauf aber endlich einen Joint!

       25. Februar

      Eine wirkliche Preziose des Qualitätsjournalismus muss ich hier noch preisen, bevor sie in den unendlichen Weiten der Erinnerungskultur verschwindet. Der Washington-Korrespondent des Süddeutschen Beobachters kommentierte die Anklageschrift des US-Sonderermittlers Robert Mueller gegen 13 Russen, denen vorgeworfen wird, sie hätten versucht, die amerikanische Präsidentschaftswahl zu manipulieren, zunächst einmal mit der korrekten Feststellung:

      »Trump hat im November 2016 aus vielerlei Gründen gewonnen, und welchen Anteil russische Facebook-Trolle daran hatten, lässt sich kaum feststellen.«

      Das ist immer so, bei jeder Wahl: Der Anteil der Trolle ist schwer feststellbar. Nie werden wir herausbekommen, wie stark die Atlantik-Brücke deutsche Wähler beeinflusst. Aber da wir im Falle Trump gelernt haben, dass dessen Wählerschaft praktisch debil ist, jedenfalls weder Argumente noch Gründe für ihr Votum besaß, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Trolle diese Leute gesteuert haben, ins Höchstwahrscheinliche, denn:

      »Die hetzerische Internet-Kampagne der Russen zugunsten von Trump erreichte Facebook zufolge bis zu 150 Millionen Amerikaner.«

      Während die friedliebende, grundgütige und allzeit vertrauenswürdige Hillary Clinton zwar unter anderem Geld von den Saudis bekam (sofern hinter dieser Meldung nicht die Russen stecken), aber damit unmöglich 150 Millionen Amerikaner erreichen konnte.

      »Das Ziel war zunächst vage« – also das der Russen, nicht das der Saudis –, nämlich »den Hass in der amerikanischen Gesellschaft zu schüren, die Risse zu verbreitern, Misstrauen und Chaos zu säen. Amerika sollte gespalten und schwach sein. Später, als die Kandidaten feststanden, wurde das Ziel konkreter. Die Russen sollten jenem Bewerber helfen, der Hass, Spaltung und Chaos zu seinem Programm gemacht hatte: Donald Trump.«

      Wer sich gegen die Hillary-Barack-Brave New World stellt und den White trash wieder mit Jobs versorgen will, sät Hass, ist ein Spalter und Chaosdrache, was denn sonst?

      »Das gesellschaftliche Klima im Land war schon vor Trump vergiftet, das soziale Geflecht, an dem die Russen zerrten, war schon vorher brüchig.«

      Circa dreizehn Russen zerren am sozialen Geflecht der USA; gottlob, aus russischer Sicht, war es schon vorher brüchig, aber man weiß ja seit Alexander Karelin, wie sogar einzelne Russen zerren und aushebeln können. Aber nie, ich gelobe: nie haben sich amerikanische Trolle oder CIA-Agenten oder wohlmeinende NGOs in die inneren Angelegenheiten anderer Länder eingemischt, am wenigsten vor der russischen Haustür, in Malorossia bzw. der Ukraine, nie und nimmer.

      »Die Propaganda der russischen Trolle, die den Amerikanern erzählten, dass sie ihre Landsleute verachten sollen, weil sie eine andere Hautfarbe haben, an einen anderen Gott glauben oder das gleiche Geschlecht lieben, wurde von vielen Bürgern begierig aufgesogen.«

      Wenn ein russischer Troll sagt, verachte deine Landsleute, dann kann der durchschnittliche Trump-Wähler einfach nicht Nein sagen. Inwieweit bei Trumps Wahlkampf Menschen, die das gleiche Geschlecht lieben, attackiert wurden, vermag ich nur in einem Fall zu belegen, nämlich anhand der Ausschreitungen an der Universität Berkeley, wo linke Randalierer einen Auftritt des schwulen Trump-Unterstützers Milo Yiannopoulos verhinderten. Wie die pejorative Anspielung auf Leute, die all diejenigen verachten


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