Goldstück-Variationen. Michael Klonovsky

Goldstück-Variationen - Michael Klonovsky


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wenn sie dem Heimatrecht der in Betracht kommenden Personen entsprechen.«

      Daraus können Sie entnehmen, geneigter Leser, dass der Artikel schon etwas älter ist, er stammt vom 26. März 2007 und trug den Titel »Haben wir schon die Scharia?«. Heute ist die Frage ja überflüssig.

       13. Februar

      Fürs Lesen bezahlt werden – selbstverständlich nur fürs Lesen von Büchern meiner Wahl –, das wäre ein Traum. Wenn die Summe stimmte, ich würde sogar darüber nachdenken, das Schreiben einzustellen. Doch, doch …

      Auf das Wohnhaus von Uta Ogilvie, der Initiatorin der Hamburger »Merkel muss weg«-Demo, wurde gestern Nacht ein Anschlag verübt. Auf Indymedia brüsteten sich die üblichen namenlosen Verdächtigen damit. Wenn die Informationen stimmen, haben die Täter nicht nur die Hausfassade und zwei Pkw mit Farbe beschmiert sowie deren Reifen zerstochen, sondern auch einen massiven Glasbehälter voller Farbe durch das Fenster des Kinderzimmers geschmissen. Die Qualitätsmedien beschwiegen den Vorfall auf bewährte Weise.

      Unsere glorreichen Antifanten, die sich selbst keck »Autonome« nennen, sind nichts weniger als das. Sie fungieren längst als die Bodentruppe der erweiterten Groko. Ihr Metier ist die Fortsetzung der von allen Parteien, Medien, Gewerkschaften, Kirchen, NGOs, Universitäten, Theatern, Kabaretts etc. pp. betriebenen Oppositionskritik mit gewalttätigen Mitteln. Sie sind Büttel des Establishments – mit jenem durch den »Kampf gegen rechts« gleichsam osmotisch verbunden – im Einsatz gegen ungehorsame Bürger.

      Wenn rot-grüne Bildungspolitik und Willkommenskultur sich zum Pas de deux vereinen: »Berlins Drittklässler können nicht schreiben«, meldet der Tagesspiegel. »Die Vergleichsarbeiten der Berliner Grundschüler sollten geheim bleiben. Ein SPD-Abgeordneter hat sie dennoch bekommen.«

      In der Sauna bin ich damit beschäftigt, den Inhalt des Wassereimers über den heißen Steinen zu verteilen, als eine Frau späteren mittleren Alters die Kammer betritt. Folgender Dialog entspinnt sich:

      »Ah, Sie machen einen Aufguss.« – Sie setzt sich. – »Aber da ist ja gar kein Zusatz drin.«

      »Tut mir leid, ich habe so etwas nie dabei. Mit genügt es, wenn die Luftfeuchtigkeit steigt.«

      »Es ist aber nicht gesund, wenn bloß Wasserverdampft.« »Warum? Mit Zusatz wäre es doch immer noch dasselbe Wasser.«

      »Aber es ist voller Keime, und die verteilen sich jetzt in der Luft.«

      »Das ist Münchner Leitungswasser, da sind keine Keime drin, und selbst wenn sich im Eimer ein paar gebildet haben sollten, werden sie sofort getötet. Die Steine sind mehrere hundert Grad heiß.«

      Unwilliges Gebrummel. Dialogende.

      Die deutsche Frau bei einer ihrer Lieblingsbeschäftigungen: der Suche nach Umweltgiften.

       12. Februar

      Regelmäßig sehen sich Konservative in Talkrunden mit der Frage konfrontiert, was denn für sie eigentlich deutsch bzw. ein Deutscher sei, vorgetragen meist im Duktus eines höheren Kindergärtners, der es an der Zeit findet, über die Nichtexistenz des Weihnachtsmannes aufzuklären. Zunächst ist die Antwort recht einfach: Deutsch ist – nein, falsch – ein Deutscher ist, wer einen deutschen Pass besitzt. Ein Deutscher muss demzufolge gar nicht deutsch sein. Menschen, die einen deutschen Pass besitzen, können jeder beliebigen Ethnie angehören. Wenn umgekehrt zum Beispiel Heribert P. aus München in den Sudan auswanderte, worüber viele traurig wären, ganz besonders der Verfasser dieses Diariums, und dort brav die Staatsbürgerschaft annähme, könnte er von sich behaupten, er sei sudanesischer Staatsbürger. In gewissem Sinne könnte er sogar sagen, er sei jetzt ein Sudanese, auch wenn das einiges Schmunzeln auslösen dürfte. Aber nimmermehr, er sei sudanesisch. Dergleichen dauert Generationen.

      Wenn Achmed oder Mustafa sagen, sie seien Deutsche, weil sie einen deutschen Pass besitzen, ist das rechtlich korrekt; deutsch im Sinne eines Bündels von über Generationen tradierten und vererbten Eigenschaften sind sie damit (noch) keineswegs geworden. Das ist kein Werturteil, sondern eine Beschreibung; im umgekehrten Falle wäre es nicht anders. Haben Achmed und Mustafa zugleich noch ihren türkischen Pass, sind sie weder Deutsche noch deutsch, sondern etwas Drittes – sofern sie nicht zu jener stattlichen Schar türkischer Einwanderer oder Einwandererkinder gehören, die sich ohne Einschränkung als Türken empfinden.

      Unsere Bestmenschen würden jetzt einwenden, dieses Dritte sei das Fundament für die Zukunft, es sei gut, dass nationale Loyalitäten porös werden, und bald sei dies Thema nur noch ein Spuk aus der Vergangenheit. Die Stichhaltigkeit dieser These würde sich im Konfliktfall zeigen – ich halte es hier mit Carl Schmitt, dass nur der Ernstfall in Betracht kommt, weil der Normalfall banal ist –, aber der Definition, was deutsch ist, kommen wir mit solchen Erwägungen nicht näher.

      Die Frage danach wird in der Regel gestellt, um den Gefragten lächerlich zu machen, weil er an so etwas Absurdes oder Überholtes überhaupt glaubt. Deutschsein, deutsches Volk, deutsche Nationalität, all das sind bloß Konstrukte, die zwar im Grundgesetz auftauchen, aber auf den historischen Müll gehören, weil sie dem Fortschritt in die multiethnische, »bunte« Gesellschaft im Wege stehen, lautet die korrekte Antwort.

      Was aber soll denn nun deutsch sein? In gebotener Kürze und mit aller Bereitschaft zum Fragmentarischen sei eine Antwort skizziert. Wilhelm Busch etwa ist deutsch, diese Mischung aus Gemütlichkeit, Schadenfreude, Boshaftigkeit und Geist. »Ordnung muss sein« ist deutsch. Ingenieurskunst und Made in Germany als weltweites Gütesiegel sind deutsch. Deutsch ist die Mentalität, eine Sache zu Ende zu führen. Es ist deutsch, zu viel zu arbeiten, und eine gewisse Unfähigkeit, die Früchte dieser Arbeit zu genießen, ist es ebenso. Die ewige Frage, was deutsch sei, ist deutsch. Deutsch sind der Tiefsinn, die Pflichtethik und die Neigung zum Prinzipiellen, zu Kehrwoche und Metaphysik. Deutsch sind eine gewisse Provinzialität, die Neigung zum Konformismus und ein unverwüstlicher Untertanengeist, alles Folgen des jahrhundertelangen Umgebenseins von unfreundlichen Nachbarn. Der Sozialismus ist deutsch, die deutsche Seele ist im Innersten sozialistisch. Deutsch ist es, »die Elementa zu spekulieren« und für alles Nichtspekulative technische Lösungen zu finden. Deutsch sind die Brüder Humboldt als Mitbegründer jener Leitkultur, deren Leidenschaft der Erforschung fremder Kulturen gilt, sowie die Idee der Universität als Ort universeller Bildung. Deutsch ist die Treue zu einer Idee bis zur Idiotie. Deutsch sind der Riesling und die Burgen am Rhein, »Eine feste Burg ist unser Gott«, das Meistersinger-Vorspiel und der Einzug der Gäste in die Wartburg im Tannhäuser, der Mond der Romantik, die Begriffsmühlen des deutschen Idealismus, aber auch jene des Amtsschimmels, gehaltene Versprechen und das völlige Fehlen von Eleganz im täglichen Umgang … – ich breche hier ab.

      Das alles seien keine verwertbaren Kriterien, wird mancher einwenden. Sie seien weder verallgemeinerbar noch besonders aktuell. Viele deutsche »Jetztsassen« (Th. Kapielski) könnten mit alldem nicht das Geringste anfangen. Im Grunde legte ich mit diesem Sammelsurium bloß offen, dass ich in der Vergangenheit lebe. All diese Charakteristika seien vergänglich und würden früher oder später in den Mühlen der Globalisierung mit hinein gemahlen werden ins Mehl der ultimativen Buntheit.

      Schon möglich. Aber noch sind sie wirkmächtig, auch im Denken und Verhalten derjenigen, die keine Ahnung davon haben, was ich hier vortrage. Diese Charakteristika genügen vollauf, um die gravierenden Unterschiede zu denjenigen zu beschreiben, die in hellen Scharen zu uns strömen, nichts davon mit sich tragen und angeblich integriert werden müssen. Sie genügen vollauf, um jedem Unverbohrten vor Augen zu führen, wie lange eine solche Integration sogar dann dauern würde, wenn die andere Seite bereit wäre, sich maßvoll anzupassen. Im Übrigen handelt es sich bei der deutschen Mentalität, ökonomisch gesprochen,


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