Goldstück-Variationen. Michael Klonovsky

Goldstück-Variationen - Michael Klonovsky


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Brustform! Oder ihre Brüder! Vielleicht verraten sie uns dann sogar noch ihre Haarfarbe.

      Der Deutsche hat im Stahlbad der Vergangenheitsbewältigung lernen müssen, dass die deutsche Schuld unsühnbar ist und niemals endet, er selber aber diesen Sachverhalt besser nicht thematisieren sollte. Der deutsche Protestantismus wiederum steht vor der Situation, dass seine Vertreter und Theologen nicht mehr an Gott (und auch nicht wirklich an die Göttin) glauben, weshalb sie mehrere Substitute eingeführt haben: das Weltklima etwa oder den Flüchtling, pardon: Geflüchteten. Der Unterschied zum alten Gott besteht darin, dass die neuen Gegenstände der Anbetung gerettet werden müssen. An den Erlöser, also daran, dass Gott seinen Sohn geopfert hat, um alle Schuld der Menschen auf sich nehmen und damit alle Menschenopfer zu beenden, glauben die meisten Protestanten ebenfalls nicht mehr, nicht mal Mad. Käßmann, wenn sie einen geschnasselt hat, weshalb dieser Zerknirschungskult keinen transzendenten Ausweg mehr kennt und seine Betreiber sich an sich selbst und ihresgleichen abarbeiten müssen. (Dass auf dem Stuhl Petri ein Protestant sitzt, wird Klio als Lutherjahr-Gag in ihr ewiges Buch notieren.)

      Damit ist der Protestantismus zu guter letzt völlig autoaggressiv und unterwerfungsbereit geworden. Da die deutsche Schuld unendlich und unsühnbar ist, muss das deutsche Volk aufgelöst werden – hier kommen die Linken und die Grünen mit ins Spiel, mit denen sich der ungläubige Protestant bekanntlich bestens versteht –, was einzig auf dem Weg der Masseneinwanderung eines Tages gelingen kann. Am Altar des Multikulturalismus bringen diese guten deutschen Deutschlandüberwinder täglich Menschenopfer dar, indem sie immer mehr Migranten ins Land holen, die diesen Job erledigen. Über die Opfer darf weder von den Falschen getrauert werden, noch darf man falsche Schlüsse aus ihrem Ableben ziehen, vor allem eben nicht den Schluss, dass man den Täterimport vielleicht stoppen sollte.

      Thorsten Hinz schreibt in der aktuellen Jungen Freiheit dazu: »Die aus der Schuldversessenheit resultierenden Opfer, die kaltschnäuzig in Kauf genommen, möglicherweise sogar eingepreist werden, sind Stationen auf dem Weg zur Unterwerfung. Die schuldtheologisch grundierte Politik wird sukzessive zur untergeordneten, funktionalen Größe einer archaischen Kulturmechanik, die die Lebenswelt Deutschlands und der westeuropäischen Länder mehr und mehr durchdringt. Der Lynchmob, der sich rudelweise um den einzelnen Indigenen sammelt, um ihn zu demütigen, zu verletzen oder zu töten, weiß genau, welche Stellung und Funktion ihm zukommt. Er nennt ihn verächtlich: ›Du Opfer!‹«

      Dass nun ausgerechnet auch immer mehr Juden den neuen Herren der Straße zum Opfer fallen – in Frankreich, wo man ein bisschen weiter ist mit Le grand remplacement, insbesondere –, ist eben Künstler- bzw. Theologenpech.

       25. Januar

      Wenn dereinst im Dietz-Verlag Berlin die »Gesammelten Reden und Aufsätze« unserer geliebten Angela Merkel erscheinen, deren Anzahl hoffentlich bereits gen Vollständigkeit strebt, dann wird auch die »große Europa-Rede« (Die Welt), die unsere Fremdenführerin und Weltkanzlerin in Davos gehalten hat, auf fair gehandeltem Papier und keineswegs in Schweinsleder gebunden verewigt, damit auch der fromme Neubürger sich meditierend in diese Glaubensartikel versenken kann. Was eine »große Rede« sein mag, ist nach zwölf Jahren Merkel nicht so leicht zu beschreiben, aber wir können gewiss einem Blatt vertrauen, das wie nur wenige Dutzend andere für Qualitätsjournalismus steht.

      Rhetorisch hat Angela die Huldreiche eine neue Perle auf die Gebetskette ihrer Weltinnenpolitik gereiht. Deutschland ist nicht mehr nur das Land, in dem die einen länger und die anderen noch nicht so lange leben, es ist »das Land, aus dem ich komme, in dem ich Bundeskanzlerin bin«. Man war ja in Davos. Eine zweite Perle glitzert sanft nun neben jener, Frau Merkel sprach endlich, endlich von »unseren Menschen«, wie die selige Margot Honecker es tat, deren letzte Rede ich als Korrektor beim Ostberliner Morgen mit einer ähnlichen Mischung aus Entzücken und Endlichkeitsgewissheit lesen durfte, wie ich nun einmal mehr jener Kanzlerin lauschte, die meine Sprache veredelt, meine Kultur adelt, mein ästhetisches Empfinden in jeder Hinsicht hebt und die im Podiumsgespräch im Nachgang an ihre übergroße Rede u.a. mich als staatliches Bearbeitungsobjekt markiert hat mit der Formulierung, der Rechtspopulismus sei »ein Gift«, gegen das man vorgehen müsse und das aus ungelösten Problemen entstehe. Wer die Probleme geschaffen haben mag, diese Frage stellte ihr die moderierende Altherrensprechpuppe mit der sonoren Stimme nicht.

      Die beiden am häufigsten in der überaus großen Rede auftauchenden Termini lauteten: »multilateral« und »disruptiv«. Mit Letzterem meinte die Gebenedeite unter den Politikweibern keineswegs die disruptive Umwandlung deutscher Stadtviertel in orientalische binnen weniger Jahre, sondern selbstverständlich Technologien. Die Digitalisierung etwa – wobei sie eingestand, dass das Land, wo sie herkommt und Kanzlerin ist, in vielen Belangen hinter der Entwicklung hertaumelt und -talpt (»Heia! hei! Wie taumeln die Tölpel dahin! Durch das Tal talpen sie schon«, Loge, Rheingold). Da fragte sich der eine oder andere Hörer am Volksempfänger wahrscheinlich, wer denn die vergangenen zwölf Jahre die Deutschland AG geführt hat?

      »Wir sind nicht führend in Digitalisierung«, räumte die Geschäftsführerin mutig ein. So müsse man beispielsweise »den Bürgern eine Möglichkeit geben, mit ihrem Staat in Zeiten der Digitalisierung zu kommunizieren«. Von einem iPhone 10 telefoniert es sich mit der 110 doch ganz anders! Jammerschade, dass das Teil nicht aus ’schland kommt. Aber in welcher Technologie ist denn das Land, aus dem Frau Merkel stammt und wo sie als Kanzlerin malocht, noch führend? Energieerzeugung? Die anderen Europäer betreiben nach wie vor ihre Atomkraftwerke, deren Strom sie in das einstige Land der Physiker, Chemiker und Ingenieure liefern, wenn dort kein Wind weht und keine Sonne scheint, so wie sie umgekehrt, wenn zuviel Wind weht und die Sonne lacht, gegen einen kleinen Obolus den deutschen Stromüberschuss annehmen. Das ist europäischer Geist! Die Frau, die Deutschland durch die Kataklysmen der globalisierten Disruptionenen führt, ist schließlich Physikerin!

      In welchen Bereichen ist dieses Land denn überhaupt noch führend? Weltklimarettung? Afrikarettung? Eurorettung? Geschlechtervielfaltsrettung? Rette sich, wer kann! »Die Gefahr, dass die Welt über uns hinwegrollt, ist groß«, sprach die Kanzlerin, denn es war eine große Rede. Sie meinte damit natürlich die Digitalisierungsbestrebungen der anderen – falls schon wieder ein paar verschwiemelte Rechtspopulisten Nektar aus gewissen Sprachbildern saugen wollen –, sonst rollt hier gar nichts über uns hinweg!

      »Daten sind die Rohstoffe des 21. Jahrhunderts.« Das könnte Claus Kleber nicht besser formulieren! »Wir müssen schauen, dass wir ein interessanter Investitionsstandort sind.« Was man dafür braucht, ist klar: Hohe Steuern, große Parteiapparate, viele sympathische, gebildete, aufstiegswillige, religiös tolerante Einwanderer, die ihre Viertel bunt ausschmücken, mehr Politikwissenschaftler, mehr Sozialpsychologen, mehr Gender-Expertinnen, mehr Kulturanthropologen, mehr Windräder, mehr NGOs, mehr Initiativen gegen »rechts«. Genossen, wir sind auf einem guten Weg.

      »2015 ist die Globalisierung nach Deutschland in Form von Menschen und mit Flüchtlingen gekommen.« Vorher hatte man von ihr in Deutschland nicht einmal ein Schwänzchen gesehen. Nun auf einmal »gab es die Migration, wo man (= diejenigen, die schon länger hier leben und weder zu den Nettostaatsprofiteuren noch zur Asylindustie gehören) den Eindruck hatte: Uns wird etwas weggenommen.« Den Eindruck nur. Mit Ausnahme der denkbar wenigen, denen das Leben weggenommen wurde oder die Gesundheit oder das Gefühl, ihr Unterleib gehöre ihnen. Mit Ausnahme derjenigen, denen ihr Stadtteil weggenommen wurde und ihr Sicherheitsgefühl oder ihr Seelenfrieden auf dem Schulweg. Einigen wird auch der Wohnraum weggenommen, damit Neubürger darin hausen können, doch das sind Einzelfälle. Merkel hat wahrscheinlich nicht den Eindruck, dass die optimistisch geschätzten bis zu 30 Milliarden Euronen aus dem Steuersäckel, die im Jahr zur Pflege des Goldes aus den Schiffen gezahlt werden, statt in die Sanierung von Straßen, Schulen, Bädern, die digitale Forschung und ähnliche Profanitäten zu fließen, dem Bürger weggenommen werden, doch es gibt sehr zurechnungsfähige Leute, die meinen, auch die Steuergelder würden dem Bürger entwendet, bei der Höhe der deutschen Sätze ohnehin (immer die Mehrwertsteuer dazurechnen!).

      Kommen wir zum Blick auf die Welt, Merkels Lieblingsperspektive. »Deutschland


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