Thomas Müller. Jörg Heinrich
vor Ort dabei, als Glücksbringer. Was denkt der Stürmerstar des TSV Pähl über den Stürmerstar des FC Bayern München? „Es ist nicht so, dass sich Thomas aufgrund seines Erfolges irgendwie verändert hätte. Von dem her ist er der gleiche Typ, der er schon immer war. Ich schätze seine direkte, lustige Art.“ Einziger gravierender Nachteil: „Thomas ist ein Typ, der nur sehr schwer verlieren kann. Und wenn man ihn dann mal beim Kartenspielen so weit hat, dass er verliert, dann ist er für einen kurzen Moment nicht so gut zu sprechen.“
Thomas Müller, der Mann, der nicht verlieren kann und das deshalb auch selten tut, ist mit seiner Lisa dem Landleben treu geblieben. Kein Wunder, wie der Fußballweltmeister 2014 verraten hat: „Ich bin gern ein Landei. Ich komme vom Land und habe mich hier immer sehr wohlgefühlt. Ich wüsste auch nicht genau, wo die Vorzüge liegen, in der Stadt aufzuwachsen. Oder welche Nachteile ich gehabt haben soll, weil ich in einem Dorf aufgewachsen bin. Ich habe jedenfalls nichts vermisst.“ Selbst im Urlaub, wie nach der EM 2016, zieht es Thomas und Lisa nicht wie andere Fußballkollegen an karibische Traumstrände. Sie bleiben daheim und genießen mit den Hunden „Micky“ und „Murmel“ die bayerische Heimat. Thomas Müller: „Wir haben Hunde und Pferde zu Hause, da sagt man nicht einfach: Die lassen wir jetzt mal schön links liegen und fliegen drei Wochen in den Urlaub. Mit ihnen Zeit zu verbringen, macht uns Spaß.“
Die letzten Jahre haben die Müllers in Straßlach-Dingharting im Süden Münchens verbracht, in der „FC-Bayern-Gemeinde“, in die es auch Franck Ribéry verschlagen hat. Der Schweizer „Kraftwürfel“ Xherdan Shaqiri wohnte während seiner Bayern-Zeit ebenfalls hier. Die Straßlach-Dinghartinger gehen nicht ganz so dezent mit ihrer orts ansässigen Prominenz um und feiern ihre Bayern-Stars schon mal per Transparent an den Ortseingängen, so wie 2013: „Die Gemeinde Straßlach-Dingharting gratuliert ihren Spielern vom FC Bayern München zum Gewinn des Triples“.
Daran liegt’s allerdings nicht, dass es die Müllers jetzt gut zwanzig Kilometer weiter Richtung Südosten zieht, nach Otterfing, eine 4.700-Seelen-Gemeinde bei Holzkirchen. Typisch Thomas, typisch Lisa – kein Glamour, kein Pomp. Kein Grünwald, kein Tegernsee, wie Manuel Neuer oder Philipp Lahm, kein sündteures Penthouse in Schwabing oder Bogenhausen. Stattdessen das Oberland, der Landkreis Miesbach, dort, wo Bayern vielleicht so weiß-blau ist wie nirgendwo sonst, gut 30 Kilometer von München entfernt und mit dem Auto nur 25 Minuten vom Trainingsplatz an der Säbener Straße in München-Harlaching.
Gut, ein paar Extrawürste haben sich die Müllers dann doch braten lassen, wie der Holzkirchner Merkur erfahren hat. Eigentlich dürfen Zäune und Mauern in der oberbayerischen Gemeinde nur 1,20 Meter hoch sein. Damit niemand spechten kann, ob Thomas und Lisa daheim sind und ob die Dame des Hauses womöglich im Bikini im Garten liegt, hat der Otterfinger Gemeinderat laut Merkur ausnahmsweise eine 1,85 Meter hohe Mauer und einen 1,65 Meter hohen Zaun genehmigt. Bauamtsleiter Heinz Hirz hat Verständnis für die prominenten und schutzbedürftigen neuen Mitbürger: „Selbst mit Hilfe eines Teleobjektivs muss ja nicht jeder sehen können, ob die Leute im Grundstück gerade eine rote oder grüne Badehose tragen.“
Bereits 2012 hatte Lisa Müller hier einen Pferdehof auf unbestimmte Zeit gepachtet, seit 2014 laufen die Planungen für den Hausbau der Müllers, in unmittelbarer Nähe zu den Stallungen. Als einzige Extravaganz leisten sich Thomas und Lisa einen Swimmingpool. Ansonsten gilt die neue Heimat des Weltmeisters und seiner pferdenarrischen Gattin als durchaus bodenständig, zumal der Otterfinger Gemeinderat die Baupläne im Laufe des Genehmigungsverfahrens an anderen Stellen auch ein wenig zurechtgestutzt hat.
Ein bisserl was von den Pählern haben die Otterfinger jedenfalls schon gelernt. Denn wo genau die Müllers bauen, bleibt ein Geheimnis. Bürgermeister Jakob Eglseder von der CSU: „Wir wollen nicht, dass da ein Remmidemmi losgeht.“ Der Ortsvorsteher freut sich auf die Neuzugänge: „Sie sind sehr sympathisch und bodenständig und werden der Gemeinde guttun.“ Mit Prominenz kennt sich die Ortschaft ohnehin aus. Bereits seit gut 40 Jahren residiert in Otterfing-Wettlkam die Schlagersängerin Katja Ebstein, die 1970 beim Grand Prix Eurovision de la Chanson mit dem Hit „Wunder gibt es immer wieder“ berühmt wurde. Sie wird jetzt quasi Nachbarin von Thomas Müller – dem Mann, der keine Wunder braucht, sondern über den sich seit 2009 die ganze Fußballwelt wundert.
Bürgermeister Eglseder legt übrigens Wert darauf, dass nicht nur ein Sportstar nach Otterfing zieht, sondern gleich zwei. Er traut Lisa Müller im Dressursport viel zu: „Ich bin zuversichtlich, dass sie in die deutsche Elite vorrückt“, verriet er dem Holzkirchner Merkur. Thomas Müller, Fußball-Weltmeister 2014, und Lisa Müller, Dressur-Olympiasiegerin 2024, darauf könnten die Otterfinger mordsmäßig stolz sein. Mit dem Ruhm der prominenten Nachbarn würden die Menschen am Rande des Hofoldinger Forsts hoffentlich genauso entspannt und gelassen umgehen, wie es die Pähler seit vielen Jahren mustergültig vorleben.
KAPITEL 3
Der Chef: Karl-Heinz Rummenigge über Thomas Müller
Was sagt eigentlich sein oberster Chef über Thomas Müller? Ist der Vorgesetzte zufrieden mit seinem Angestellten? Macht es Spaß, diesen bei der Arbeit zu beobachten? Und wie fällt das Arbeitszeugnis aus? Ein paar Fragen an Karl-Heinz Rummenigge, den Vorstandsvorsitzenden der FC Bayern München AG.
Hallo Herr Rummenigge, wann haben Sie Thomas Müller eigentlich zum ersten Mal bewusst erlebt?
Rummenigge: So richtig zum ersten Mal positiv aufgefallen ist er mir damals unter Louis van Gaal, zu Beginn der Saison 2009/10. Ich hatte Thomas zwar davor schon einige Male gesehen, in der U-19 und bei unserer Zweiten Mannschaft. Und er hatte ja auch schon ab 2008 ein paar Bundesliga-Einsätze bei uns. Aber es gibt natürlich überhaupt keinen Zweifel daran, wer ihn für die Profis entdeckt hat – das war Louis van Gaal. Er hat in seiner Amtszeit als Trainer ja nicht umsonst diesen Spruch geprägt, „Müller spielt immer“. Und das kam wirklich aus tiefster Überzeugung. Van Gaal fand diesen jungen Kerl und seinen Fußball vom ersten Tag an klasse. Und das haben wir ja auch im letzten Jahr gesehen, als er Thomas Müller quasi „für immer“ zu Manchester United holen wollte.
Was war Ihr erster Eindruck von diesem doch sehr besonderen Fußballer?
Rummenigge: Thomas ist natürlich ein Phänomen, das sehr schwierig zu beschreiben ist. Es ist ja so, dass jeder Weltklassefußballer irgendetwas Spezielles hat, das er besonders gut kann: Schnelligkeit, Technik, Dribbling, Abschluss. Thomas kann alles – aber alles nicht wirklich im Weltklassestil. Es ist dieser einzigartige Thomas-Müller-Stil, der ihn eben so erfolgreich macht. Er geht Wege, die kein anderer geht, und er hat eine unglaublich schnelle Reaktionszeit. Ich glaube, Thomas Müller hat die schnellste Reaktionszeit, die ich im Fußball je bei einem Spieler erlebt habe.
Er ist den meisten anderen im Kopf voraus?
Rummenigge: Absolut. Der Kerl ist unglaublich wach, unglaublich pfiffig. Und die Kombination all dieser Müller-Eigenschaften macht dann eben doch einen absoluten Weltklassefußballer aus.
Noch eine Qualität von Thomas Müller: Er ist so gut wie nie verletzt. Was soll er sich auch wehtun?
Rummenigge: Das ist auch etwas sehr Wichtiges. Er ist einer dieser Spieler, die so gut wie nie ausfallen. Damit ist Thomas für einen Trainer und für seinen Verein natürlich ein Goldstück. Wenn wir unseren Kader planen, müssen wir ja immer im Hinterkopf haben: Was passiert, wenn ein Spieler ausfällt? Wie können wir ihn adäquat ersetzen, wer hat ähnliche Qualitäten? Deshalb haben wir mittlerweile wegen der enorm hohen Belastung in der Bundesliga, im Pokal, in der Champions League jede Position doppelt besetzt. Aber bei Thomas können wir diesem Problem ganz entspannt entgegensehen. Der spielt und spielt und spielt.
Was macht seine Spielweise aus, dieses „Raumdeuten“, von dem immer wieder gesprochen wird? Sieht er tatsächlich Räume, die es noch gar nicht gibt – ahnt aber schon im Voraus, dass sie entstehen könnten?
Rummenigge: Carlo Ancelotti hat mir dazu etwas Interessantes erzählt. Carlo sagte mir, dass er Thomas gar nicht so dramatisch in unsere Taktik einbindet – weil er auf dem