Rosenegg. P.B.W. Klemann

Rosenegg - P.B.W. Klemann


Скачать книгу
tausend Gulden bedeutete und den Inhalt besagter Truhe kaum auf die Hälfte verringerte. Welch Reichtum sich da vor uns auftat! Die zwanzig Gulden, an deren Glanz ich mich noch gut entsinne, waren der größte Reichtum, den ich bis dato besessen, schienen mir ein fürstliches Vermögen, und sorgfältig vergrub ich sie in der Nähe des Bächleins unter einer Wurzel, die sich zum Wasser reckte. Ich nehme an, die anderen werden es ähnlich gemacht haben, denn Kameraden waren wir freilich, aber Schurken nun mal auch. Das meiste der anderen Beute wurde verteilt unter allen, erhielt ich schöne Kleidung, einen guten Wams und eine schöne Hose, gute lederne Stiefel dazu. Einen Degen erhielt ich aber nicht, gehörten sie doch zu den begehrtesten Gütern, was ich sehr bedauerte, noch eine Muskete oder Rüstung, was allesamt an die älteren Kämpfer unter uns ging, zu denen ich nicht gezählt wurde. Ich kann nicht sagen, dass ich nicht enttäuscht war. War ich nicht bei den Vorkämpfern gewesen? Sind nicht wir es gewesen, die unsere Victoria erst möglich gemacht hatten? Hatte ich nicht mein Leben riskiert bei diesem Abenteuer? Und nun konnte ich nur zusehen, wie die anderen mit ihren Waffen prahlten, die Degen zogen und mit den Musketen zielten.

      Der Werner muss meine Enttäuschung ersehen haben, denn er kam auf mich zu und klopfte mir die Schulter, sagte, dass ich gute Arbeit geleistet hätte, und reichte mir eine seiner beiden Armbrüste als Geschenk, dieselbe, die ich im Kampf verwendet. Ich dankte ihm und freute mich ehrlich darüber, über die Waffe und mehr noch über das Lob.

      Oh, welch Euphorie meine Kameraden nun ergriff! Es wurde gescherzt, welche Burg wir als Nächstes plündern würden, wo wir alles noch zuschlagen könnten. Allerlei Phantastereien wurden gesponnen, wie es eben so geschieht im Überschwang, phantasierten die anderen von den prächtigsten Schätzen, die in mancher Burg gehortet würden, vom Hohentwiel, Hohenkrähen und anderen Hegauer Festen, die, dem reifen Apfel gleich, nur darauf warten würden, gepflückt zu werden. Und indessen diese jubilierten und sich gratulierten, dachte ich nur an den Preis, den wir dafür zu zahlen hätten. Indessen sie sich freuten und gegenseitig anstachelten, verblieb ich schweigend. Die Witwe war’s, die mich fragte, was für finstere Miene ich denn nur mache? Und ich antwortete, dass mir die Sache ungeheuer vorkomme, ich nicht glaube, dass wir so leicht davonkämen. Warum dachte ich so? Weshalb konnte ich mich nicht mitfreuen? Es war die Szene im Turm, die mich immer noch schaudern ließ, der kalte Blick des Jünglings, der in mir nachwirkte, mich zu der Ansicht kommen ließ, es zu weit getrieben zu haben, uns zu großer Schuld schuldig gemacht, deren Sühne unweigerlich zu geschehen habe. Auch schien ich nicht der Einzige zu sein, den eine üble Ahnung befallen hatte, sah ich doch den Wagner nur gequält sich freuen, meinte ich, den Zweifel auch in ihm erkannt zu haben. Vielleicht deshalb mahnte er zu Ruhe und Besonnenheit. Erst müsse man unsere Kameraden auslösen, sie sicher aus der Hand des Edlen wissen, dann erst könne man sich über Zukünftiges unterhalten.

      image Kapitel 6 image

      Vom Abschied aus meiner Hegauer Heimat

      Die gute Stimmung in unserer Bande herrschte die nächsten Wochen weiter fort, schien entgegen mancher Erwartung kaum Jagd auf uns gemacht zu werden und wurden keinerlei Truppen von Schergen gesichtet, welche die Wälder durchkämmten, uns zu finden. Der Wagner sandte etliche aus sich umzuhören, was von unserer Sache berichtet wurde, Bastian unter ihnen, die bei Bekannten und Familie nachzufragen hätten, welche Geschichten dazu kursierten. Und zahlreiche Zeitung gab es freilich, war unser Überfall allerorten großes Gespräch. Die wildesten Spekulationen hörte man, wer den Überfall denn unternommen und wer angeordnet haben könnte, glaubten viele die Württemberger des Hohentwiels dahinter, als einzige Protestanten in den hegauer Landen, andere wiederum vermeinten, eine Bande von Eidgenossen wäre es bestimmt gewesen, in jedem Falle, so waren sich die meisten bald einig, seien es Protestanten oder Reformierte gewesen, welche die guten Katholiken des Roseneggs so schändlich gemetzelt. Nur die Wenigsten glaubten, es sei eine gewöhnliche Räuberbande gewesen, und nur die Allerwenigsten sahen die Wagner’sche Bande im Spiel, hatte uns doch die Politik des Wagner einen zureichend guten Ruf beschert. Zumal es den meisten ganz und gar unmöglich erschien, dass Räuber es wagten oder gar schafften, eine Festung einzunehmen, was uns alles sehr zugute kam. Zu jener Zeit hörten wir auch von jener Historie, welche die Runde machte, dass ein Stallknecht des Roseneggs Kreuz und Bein schwöre, den Geist des jungen Grafen gesehen zu haben, nur tags nach dem Überfall. Dieser habe sich seinen liebsten Gaul aus den Stallungen genommen, ihn dabei wortlos angesehen und sich mitsamt dem Tiere vom Acker gemacht, war verschwunden und danach von keinem mehr gesehen. Ja, seltsam ist es, hatte ich diese Geschichte damals alsbald wieder vergessen, ermangelt es nach derlei Ereignissen doch nie an den abenteuerlichsten Geistergeschichten und Ammenmärchen, und erst viel später, als sich unser Totgeglaubter schon längst wieder gezeigt, entsann ich mich daran. Damals jedenfalls habe ich ihr keine Bedeutung geschenkt, haben wir alle sie für Mär gehalten, schien doch sicher und gewiss, so der junge Graf noch am Leben, er sich gezeigt haben würde. Es wurde gehört und vergessen, brachte keinen auch nur eine Sekunde um seinen Schlaf.

      Nein, Zweifel und Sorgen schienen unter meinen Kameraden kaum vorhanden, e contrario weiß ich noch, wie fröhlich man sich gegenseitig zu dieser oder jener Tat beglückwünschte, wie der eine prahlte, wie er eine der Wachen niedergestreckt, oder der andere prahlte, wie knapp er dem Tode entronnen. Potztausend!, sagte dann einer, hast gesehen, wie ich den Wachtmeister gelegt!, und ein anderer: Beim Teufel, hab dir schön den Arsch gerettet, als ich dein Gegenteil gestreckt!, und dergestalt vieles mehr. Bastian hielt sich meist auffällig ruhig bei derlei Prahlerei, und als ich ihm einige Tage danach dankte, dass er den Vogt niedergehauen hatte in dem Palas, sagte er: Na ja, wärst du nicht auf ihn los, hätte er wohl mich erwischt, von daher sind wir quitt, und fügte noch hinzu: Weißt du, es war der Erste, den ich je getötet. Wir sprachen nicht wieder davon, doch ich glaube, auch ihm war das Bild des Toten geblieben.

      So wogen wir uns jedenfalls in trügerischer Sicherheit, sahen dem Karfreitag entgegen, unsere Freunde auszulösen. Die Übergabe sollte auf einem offenen Feld nördlich des Ortes Gottmadingen stattfinden, an dem eine kleine Marienkapelle stand, zur vollen Mittagsstunde. Deutlich zeigte sich nun, wie auch dem Hauptmann die Sache ungeheuer war, dass er mein mulmiges Gefühl wohl teilte. Vorsichtig war er stets, doch dieses Mal insbesondere. Schon Tage vor dem eigentlichen Treffen ließ er uns die Gegend auskundschaften, und zwar gründlich und im weiten Kreis, prüfte alle Möglichkeiten eines Hinterhaltes, die Wege, welche sich zum Heranschleichen eigneten, Verstecke, die größere Mannesgruppen verbergen konnten ebenso wie die besten Wege zur Flucht. Gut hatte er den Ort gewählt, dachte ich mir damals, als ich diesen inspizierte, denn die ganze östliche Seite des Feldes war halbmondförmig von Wald umgeben, boten sich dadurch zahlreiche Fluchtmöglichkeiten, so die Lage brenzlig werden sollte. Zudem lag das Feld in einer Senke und der Wald ging vom Rande des Feldes aus in die Höhe, dass man trefflich vom Walde her das ganze Feld im Blick hatte. Wir suchten und merkten uns Bäume, auf die sich klettern ließ und die gute Sicht boten für unsere Späher, überlegten uns die besten Zu- und Abgangswege und woher die Kürassiere wohl kommen würden. Am Mittwoch vor Karfreitag bemerkten wir zum ersten Male einige gerüstete Reiter, die ebenfalls das Gebiet auszukundschaften schienen. Ich glaubte nicht, dass sie uns auch bemerkt hatten, zumal wir im Walde gut verborgen uns aufgehalten. Wir beobachteten sie, wie sie das Gebiet abritten und die Gegend kundschafteten, wie sie sich, gleich unsereins zuvor, genaues Bild der Landschaft machten. Als wir dem Wagner davon berichteten, forderte er genaueste Beschreibung, was er sich dabei gedachte, behielt er jedoch für sich.

      Am Freitagmorgen brachen wir auf, noch bevor die Sonne vollends aufgegangen. Fast die ganze Mannschaft war dabei, nur eine Handvoll blieb im Hort zurück. Der Hauptmann und vier weitere zu Pferd ritten ohne uns anderen zum Übergabeort. Falls man Wachen aufgestellt habe, sollten diese glauben, es nur mit dem Hauptmann und seinen wenigen Begleitern zu tun zu haben. Gut sichtbar sollten diese auf dem Feld warten und die Übergabe tätigen, derweil wir anderen uns von der gegenübrigen Seite, durch den Wald verborgen, nähern sollten und versteckt Stellung beziehen, um, falls etwas schiefging, den Rückzug zu sichern. Wie unsere Horde so durch den Wald streifte, über fünfzig Mann in langer Kolonne, aufs


Скачать книгу