Rosenegg. P.B.W. Klemann
der Wagner. Was also tun?, fragte Korporal Schuhmann. Der Hauptmann erhob sich, wie stets, wenn er eine Ansprache hielt, und etwa Folgendes sprach er: Ich habe nicht vor, euch in den Tod zu führen, darauf mein Wort. Allein ich lasse die Kameraden nicht einfach im Stich. Drum sage ich, wir schauen uns die Sache an, sehen, ob es besagten Zugang wirklich gibt, und überlegen dann, ob es tatsächlich gelingen könnte. Sehen wir keinen Weg, so soll es nicht sein. Falls aber doch, scheint es möglich und sei die Möglichkeit auch klein, so sage ich, dass wir es riskieren, denn schuldig sind wir solches unseren Freunden. Er sah in die Runde, ich tat es ihm gleich, sah zwar immer noch den Zweifel, aber auch die Köpfe nicken und zustimmen. Danach werden sie uns jagen wie’s Vieh!, warnte die Witwe, wie’s Vieh! Der Wagner nickte: Recht gebe ich dir, doch was bleibt uns Wahl?
Von der Erstürmung der Festung Rosenegg und der erstmaligen Begegnung meines viel besungenen Herrn
Hoch auf einem langgezogenen Hügel, beiderseitig umwaldet und von steilen Felswänden flankiert, stand die Burg Rosenegg. Obgleich sie nicht so wehrhaft und mächtig war wie der in Sichtweite gelegene Hohentwiel oder der gleichfalls nahe Hohenkrähen, reckte sie sich dennoch hoch und ehrfürchtig gen Himmel. Eine kleine Festung war’s, vielleicht zwei Joch an Ausmaß, mit kleinem ummauerten Innenhof, dafür aber mit engem Zwinger, wehrhafter Vorburg und einem hohen Bergfried, der über einer Steilwand errichtet sich an die zehn Klafter in die Höhe streckte. Ein prächtiges Gestüt mit großen Stallungen befand sich innerhalb der Vorburg, mit schönen Rössern gespickt, die auf den Wiesen und Weideflächen, die sich westlich des Rosenegg auf einem Plateau erstreckten, besten Auslauf hatten und frisches Gras.
Mehrere Tage hatten unsere Kameraden bereits die Burg und Umlande ausgekundschaftet, sich gutes Bild gemacht, die besten Schleichwege und Spähposten erschaut und das Burgvolk beobachtet und dabei manche Gewohnheit erfahren und die Besatzung geschätzt. Allein zweierlei fehlte noch herauszufinden, zum einen, ob gemeldeter Zugang wahrhaft vorhanden und passierbar war, zum anderen, so Ersteres der Fall wäre, wie ins Innere der Burg gelangen, folgend den Zugang zu entsperren. Dem Abhilfe zu schaffen, wurde eine kleine Rotte entsandt, den besagten Zugang ausfindig zu machen, meine Wenigkeit darunter, hatte ich doch des Edlen Beschreibung erster Hand vernommen, dazu der Siegfried, der die Stelle zu kennen glaubte, ferner der Hauptmann und Korporal Schuhmann als die Kriegsverständigsten.
Wir fanden denn auch ohne Schwierigkeiten verfallenen Unterstand, welcher derart alt, vermorscht und verwittert war, dass er gewiss keinen Regentropfen mehr abzuhalten vermochte. Gut hatte der unbekannte Edle den Weg signalisiert, fanden wir alsbald prophezeites dorniges Gestrüpp, welches sich dicht und breit entlang des steilen Berghangs zog. Und nach wenigem Suchen und Zerschlagen manchen Strauchs entdeckten wir schließlich tatsächlich einen engen Eingang, gleich hinter welchem sich eine in den Fels geschlagene Treppe auftat, die steil hinauf gen Burg führte. Potztausend, gewaltig falterte es da in meinen Eingeweiden, als ich den dunklen Gang hinaufstarrte, sei’s aus Freude, dass es ihn gab und wir ihn gefunden hatten, oder weil unser Abenteuer nun wohl Fortsetzung fand. Der Korporal wurde vorgeschickt, hatten wir eine Kerze dabei, die wir ihn anschlugen, zu sehen, ob der Weg frei und bis hinauf führe. Nach einer Weile kam er retour. Alles sei genau wie geschildert, verschließe eine eiserne Tür den Ausgang, die keine Möglichkeit der Öffnung biete. Hintereinander müsste man gehen, sei der Gang reichlich eng, sonsten aber könne man es besser schwerlich treffen.
So verblieb die letzte Schwierigkeit zu meistern, wie nämlich ins Innere zu gelangen, doch auch hierzu fand sich alsdann passende Solution. Die Witwe hatte sich solche erdacht, nachdem wir beobachtet, wie einige Wanderhändler hinauf in die Burg gelassen wurden, dort ihre Ware feilzubieten. Als solche uns zu verkleiden dürfte unsere beste Gelegenheit sein, war derart Volk oft weitgereist, dass auch unbekannte Gesichter Einlass fänden, hatten wir zudem erhört, dass die Gräfin eine Vorliebe für guten Stoff und Händler im Allgemeinen habe.
Der letzten Ausrede verlustig, beschloss deshalb der Hauptmann, wie er vor versammelter Mannschaft verkündete, der Versuch sei zu wagen. Frisch geschmiedet stand der Plan fest, der sie wie folgend vernahm: Eine kleine Gruppe von uns solle als fahrende Händler verkleidet versuchen, ins Innere der Burg eingelassen zu werden. Sechs von unseren Leuten, die Witwe unter ihnen als Frau und meinerseits mit meinen jungen Jahren, um Vertrauen zu erwecken, ferner die Jägersbrüder Linz, der kräftige Siegfried Schleier und der Wagner als unser Kommandant, sollten um Einlass bitten, um Waren feilzubieten. Einmal eingelassen hieß es dann, das innere Burgtor unbedingt offen zu halten, indessen einer von uns, der Andreas, wie beschlossen wurde, die Kameraden einlassen solle.
Von unserer Gruppe hing es also ab, und sollten wir scheitern, wäre nicht nur das Unterfangen selbst verloren, sondern tot die gefangenen Kameraden, und unsereins wahrscheinlich obendrauf, dass du dir wohl gedenken kannst, lieber Leser, wie’s in uns zuging. Ich nehme dich nicht gerne mit, Lakai, sagte der Wagner tags zuvor zu mir. Denn es wird ein harter Kampf da drinnen. Allein mit einem Buben dabei sieht die Sache besser aus. Er meinte es entschuldigend, war er sich bewusst, in was für heikle Lage er mich befahl, doch ich war jung und ungestüm, und wurde es mir auch reichlich eng um den Hals, ein jedes Mal, dass ich an Bevorstehendes dachte, war ich auch stolz und willig, dass mir solch wichtige Rolle zukam.
Am Feuer saßen wir, den Abend zuvor, jeder seine Waffen und Wehr richtend, sollte ich eine der Armbrüste von Werner nehmen, die ich gut fettete, indessen der Bastian mir gegenüber seinen Bidenhänder schliff. Seine eine Hand war noch blau und wund, der Marter wegen, hatten sie ihn, wie er mir sagte, mit Hammer und Fingerschraube ordentlich gedrillt. Doch er verwand es gut und sehnte sich bereits nach Rache. Zuvorderst aber solle der Rosenegger Vogt das Seine erhalten, wie er es sagte. Für unsere Freunde!, meinte er und sah zum Richard, der seinen Spieß spitzte und grimmig nickte. Johann Spindler, so des Vogts Name, war als harter Richter bekannt, der ordentlich sein anvertrautes Volk quälte, und nicht von ungefähr nannte man ihn hinter seinem Rücken schlicht den “Schindler”. Eure Köpfe haben das Henken nötig, sei sein liebster Ausspruch gewesen, erzählten mir Bastian und Richard, und nicht selten habe er seinen Worten Taten folgen lassen. Vor allem, war der Graf selber auf Reisen, was oft der Fall gewesen, liebte es der Schindler, ganz nach Belieben sein Volk zu schikanieren. Sei die ganze Geschichte auch nur für eines gut, so wenigstens dazu, dem Hundsfott den Schädel zu spalten, so Bastian, und hätte der Schindler in jenem Moment des Bastians Antlitz ersehen, er wäre unweigerlich über alle Berge.
Dann kam er endlich, der große Tag. Oh, wie nervös ich war, lieber Leser, schlug mir das Herz bis zum Hals. Verstand ich doch, dass es bei geplantem Unterfangen zu Toten kommen konnte, ja würde. Kaum ein Auge hatte ich die vorherige Nacht zubekommen, und mit flauem Magen und klammen Beinen folgte ich unserer Truppe ins Abenteuer. Auf dem Weg sahen wir einen Bussard niedersausen auf eine Ratte oder Maus, und ich weiß noch, wie der Egon vermeinte, dass dies deutliches Omen sei für unseren Sieg, und ich machte mein Kreuz und hoffte, er würde recht behalten. Bald trennten wir uns, blieben nur wir sechs übrig, die wir die Händler gaben, hatten uns einen Wagen besorgt, in dem wir unsere Waren, wie bei Händlern üblich, lagerten, die wir eigens zum Zwecke der Tarnung beschafft. Unter dem Wagenboden waren die Waffen versteckt, drei gespannte Armbrüste, darunter die meine, einige kurze Spieße, Dolche und Degen und die Pistole des Hauptmanns. Mein gutes Messer trug ich an meiner Seite. Von Musketen sahen wir ab, da der Geruch der Lunten uns verraten mochte und kaum Zeit verbleiben würde, sie im Inneren anzuzünden. Die Tage zuvor hatte ich die Burg reichlich beschauen können und dachte freilich, ein recht gutes Bilde von ihr im Sinn zu haben, wie wir dann aber den regulären Weg den Hügel hinauf nahmen und sich die Festung hoch über unseren Köpfen emporstreckte, kam sie mir mit einem Male viel größer vor, wie sie dort hoch oben über den Felsen aufragte mit ihren mit breiten Zinnen besetzten Wehrmauern, den Wachtürmen und dem Bergfried. Gespäht hatten wir zuvor meist vom Walde aus, von Hängen und Bäumen, mit einiger Entfernung, um nicht aufzufallen. Nun aber stand sie im Ganzen vor uns und wurde größer, je näher wir kamen. Glotz nicht wie’s Schlachtvieh!,