Rosenegg. P.B.W. Klemann
bewachsen ist. Genau dort, zwischen jenem Gestrüpp liegt ein schmaler Zugang verborgen. Er führt durch den Fels hinauf in die Burg. Ich hörte, wie der Mann aufstand und zu uns rüberkam. Er stellte sich direkt hinter mich. Ein eisernes Tor versperrt den Weg in die Burg daselbst. Das Tor – und nun höre, denn dies ist wichtig – kann allein von innen geöffnet werden. Vergeblich wäre es, es auf andere Weise öffnen zu wollen, ist es tief in den Stein eingelassen und von einem schweren Riegel verschlossen. Von innen jedoch ist es schnell und leicht geschehen. Sein Mund war nun nah an meinem Ohr, und kalt lief es mir den Rücken hinab. So jemand nun die Burg einnehmen wolle, wäre somit gewiss der einfachste und sicherste Weg, gelänge es, selbigen Zugang zu eröffnen, damit eine rechte Truppe in die Burg gelänge. Erst einmal im Inneren der Burg, dürfte es ein Leichtes sein, die wenige Besatzung niederzuhauen, welche sich auf kaum mehr als zwanzig Mann belaufen dürfte. Folgendes ist noch zu Beachten. Führt jener Zugang zwar in die Burg, jedoch nur in den Zwinger und nicht in die innere Burg selbst, befindet sich der Eingang im hintersten Eck des Zwingers versteckt hinter einem offenen Stall und Pferdeunterstands. Gelänge es nun den Defensoren, das innere Burgtor zu verschließen, wäre alle schöne Mühe umsonst gewesen, was doch reichlich schade wäre. Ich hörte, wie der Kerl sich wieder zurück hinter seinen Tisch begab und Platz nahm. Ein Letztes noch, erinnere deinen Hauptmann daran, dass bis Karfreitag der Auftrag spätestens erledigt sein müsse. Dort könnt ihr dann auch eure Kameraden auslösen, wie ich mit ihm bereits akkordierte. Hast du alles verstanden? Ich nickte. Er hieß mich, alles genau zu wiederholen. Ich tat wie geheißen, und gut muss ich es gemacht haben, denn er sagte zum Dicken: Nun, so schlecht scheint deine Wahl nicht gewesen zu sein. Der Dicke nickte und sprach zu mir: So, du Glückshannes, dann werden wir dich mal freilassen. Da sagte ich, ob’s denn nicht besser wäre, würde mir ein Kamerad mitgegeben. Könne ich dergestalt sicherer des Weges sein, und gewisser wäre, dass gemeldete Zeitung unseren Hauptmann auch erreiche. Worauf der Dicke schimpfte, ich solle mein unerhörtes Maul bloß halten und froh sein, dass ich selber gehen dürfe. Doch der Kerl hinter mir lachte trocken und vermeinte: Ein gewitztes Bürschlein hast du da erwählt, in der Tat. Lass ihn einen mitnehmen. An Männern werden sie brauchen, was sie bekommen können. Gesund muss er aber sein. Ich erwählte mir den Bastian.
Erneut zogen sie uns Säcke über den Kopf, banden uns die Hände und packten uns dann bäuchlings auf einen Gaul, mich auf einen und Bastian auf einen anderen. Eine rechte Weile ritten wir so, bis sie irgendwann anhielten, mich grob vom Gaul warfen und dann befreiten. Ob wir wüssten, wo wir uns befänden?, fragte der Dicke. Wir wussten es, waren unweit von wo sie uns verschleppt. Nun denn, sagte der Dicke, ein Gruß an euren Hauptmann. Worauf sie uns stehenließen und sich davonmachten.
Wir eilten zum Hort, fehlten auf dem Wege freilich nicht, uns zu versichern, dass keiner uns folge. Weit vor dem Hort fingen uns schon die Wachen ab, der Richard Wengenroth darunter. Herzlich grüßten wir uns, schlossen uns in die Arme. Der Hauptmann habe allzeit Wachen postiert, seit uns die Kerle fortgeführt, berichtete der Richard. Wie wir entkommen seien und wie es den anderen ergehe?, fragte er ferner. Er solle uns erst zum Hauptmann vorlassen, denn genug zu erzählen gäbe es, was jedermann angehe.
Mir Erleichterung in den Augen grüßte uns der Wagner, und alle anderen auch, bestürmten uns mit tausend Fragen, und von allen Seiten klopfte man uns auf die Schultern. Maul zu halten sei!, befahl der Hauptmann, und wir setzten uns an unseren großen Tisch, er uns gegenüber und unsere ganze Bande drumherum. So berichtet, denn die Neugier brennt mir unter den Nägeln, meiner Treu! Und so taten wir, erzählten von unserer Gefangenschaft, von den Kameraden, erzählte der Bastian von seiner Marter und ich, was jener Unbekannte mir als Botschaft für den Wagner mitgegeben. Hernach wir geendigt hatten, fragte zunächst der Wagner den Bastian, was seine Foltermeister in Erfahrung hätten bringen können. Als der Bastian geantwortet, fragte der Wagner ferner, ob jene nun also wüsten wo der Hort gelegen? Keine Spur des Vorwurfs war in seiner Stimme. Bastian vermeinte darauf: Groß ist der Wald und der Hort nicht leicht zu finden. Und mit Worten allein lässt sich der Weg schwerlich erklären. Doch ungefähr wissen sie es durchaus. Zudem mag sich, nach entsprechendem Traktament, gewiss jemand finden, ihnen den Weg zu weisen. Der Wagner nickte und sprach in die Runde: Fortan gilt noch gründlicher zu wachen als bisher und recht haben wir getan, die Gäule zur Flucht bereit zu machen. Wer weiß schon, was die wahre Intention des Kerlen. Da frug ich den Wagner, worin denn ihre Abmachung bestanden habe, und gebannt horchte ich, obzwar ich mir manches schon selbst zusammengereimt hatte. Den Rosenegg!, sagte der Wagner. Wir sollen ihn einnehmen und brennen, so lautete der Handel. Pah, Handel!, spuckte der Hauptmann aus, als Zeichen, was er von halte. Ich sollte seiner Botschaft erwarten, worin ich genauerer Weisung finden würde, sagte er. Später erst verwunderte ich, wie mich selbige wohl zu erreichen habe. Nun weiß ich es, du warst der Bote. Sodann gelte es die Burg zu brennen. Tun wir’s nicht, so geht’s den Kameraden an den Kragen. Tun wir’s, versprach er, die Unseren freizulassen und obendrauf eine Belohnung von fünfhundert Gulden. Ein “Potztausend!” entfuhr da dem Bastian, hatte ich ihn bis hierher noch von nichts unterrichtet. Der Rosenegg? Er kannte die Burg gut, entstammte der doch aus Rielasingen, welcher Ort den Rosenegger Herrschaften unterstand. Eine richtige Festung sollen wir einnehmen? Worauf die Witwe ergänzte: Mehr noch gilt, die Herrschaften seien zur Strecke zu bringen. Der Wagner bestätigte. Fünfhundert Gulden seien durchaus wert, sich die Finger ein wenig schmutzig zu machen, beschied der Amon. Wessen der Korporal Schuhmann zustimmte und sagte: Hoch ist der Einsatz und hoch der Gewinn! Und was meint ihr, ist erst in der Burg alles zu holen? Und die Augen des alten Kriegsknechts glänzten. Der Wagner sagte: Wir haben uns die Sache gut besehen. Sie stürmend zu nehmen ist freilich unmöglich. Gelänge es aber, hinter die Mauern zu kommen …, der Wagner zuckte mit den Schultern, die Schätzung des Kerls ist so falsch nicht. Kaum mehr denn zwanzig Mann unter Waffen dürften sie haben. Ob denn jemandem gemeldete Stelle aufgefallen sei, von welcher der Fremde geredet habe?, fragte er in die Runde. Und Siegfried Schleier, ein großer, hünenhafter Kerle, erwiderte: Aye, einen solchen Unterstand sah ich wohl! Auch an das Gestrüpp vermeine ich mich zu entsinnen. Und mancher stimmte dem bei. Ob man zu jener Stelle gelange, ohne von der Burg aus gesehen zu werden?, wollte der Hauptmann ferner wissen. Der Siegfried bestätigte, sei der Unterstand trefflich verborgen von Hang und Gebüsch. So stünde es im Ideal, unsereins gegen zwanzig, fünfundzwanzig Mann! Er wischte sich übers Gesicht, wie Wahrscheinlichkeiten wägend. Und ich sah in die Runde, sah Sorge und Spannung, nahte eine Entscheidung, die unser aller Leben betreffen sollte. Schwer bewaffnet werden die Kerle sein!, sagte einer. Ist ein Streich, wie wir ihn noch nie geführt haben! Und ein anderer: Sind keine Kriegsknechte, Hauptmann! Haben kaum Musketen, keine Kanonen! Worauf der Amon: Was braucht’s Kanonen, wenn wir so reinkommen! Und Korporal Schuhmann sagte: Gedenkt der Kameraden! Wollt ihr sie einfach sterben lassen? Solches ließ viele der Zweifler verstummen. Darauf der Bastian: Teufel, ein Honigschlecken wird’s gewiss nicht! Und er rieb sich die Finger, die sie ihm ordentlich geschunden hatten. Wenngleich ich den Vogt nur allzu gerne vor mir hätte! Denn selbiger war’s, der einstmals ihre Freunde gehenkt. Ich nicht minder!, vermeinte der Richard, aber was soll man von der Sache halten? Woher kennt er uns? Und weiß von uns? Worauf ich von dem Gesellen zu Radolfzell erzählte. Und die Witwe sagte: Euch Galgenvögel auszumachen bedarf es wahrlich keiner Zauberei. Darauf der Richard trotzig: Dennoch kommt so ein Kerl daher, Gott weiß, wer er ist, will mir nichts, dir nichts, dass unsereins eine Burg für ihn soll einnehmen? Ich trau der Sache nicht weiter, als ich spucken kann! Worauf der Egon mahnte: Mag der Teufel den Kerl geschickt haben! Ob ich eine Ahnung hätte, wer der Fremde gewesen, fragte mich der Wagner, und ich erwiderte, dass es unfraglich ein Edler sei, doch mehr könne ich nicht sagen. Und er nickte und vermeinte, für ihn gelte selbiges, waren wir beiden die Einzigen, die ihn überhaupt zu Gesicht bekommen hatten. Und mit Überzeugung fügte ich, dass ich dem Unbekannten nicht trauen würde. Recht hat der Lakai, vermeinte darauf der Egon, die Sache stinkt! Der Wagner gab dem recht, doch sagte er dann: Allein, was ist des Kerls Gewinn, so wir scheitern? Welchen Nutzen sollte er von haben? Nein, er will, dass es gelingt, sonst würde er keinen solchen Aufwand betreiben. Würde er unsereins Schlechtes wollen, ein Leichtes wäre es gewesen, solches anderweitig und auch leichter zu besorgen. Nein, um die Herrschaften geht es ihm! Und was nun solches