Rosenegg. P.B.W. Klemann

Rosenegg - P.B.W. Klemann


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      Die hohen Herren waren inzwischen im Rathaus angekommen, ging es auf dem Platze davor allerdings noch recht betrieblich zu, wurde überall dieses noch gebaut und jenes vorbereitet, indessen das ungeduldige gemeine Volk noch ausgeschlossen verblieb. Ich sah einen prächtigen Reiter, von Adel offenbar, gerade einen großen Korb mit frischem Hafer auf dem Platz verschütten, wo bereits ein stattlicher Haufen gelegen. Auch wehte uns der Duft gebratenen Fleisches entgegen, konnte man viel Rauch aus dem hölzernen Pavillon aufsteigen sehen, wo ein riesiger Ochse am Stück gebraten wurde, sah man die riesigen Haxen des rotierenden Tieres langsam aufsteigen und wieder unter dem Dach verschwinden. Ich sah zum Brunnen hinüber, denn auch hier waren einige Gesellen am Hantieren, und was ich sah, machte mir ordentlich das Maul wässrig, denn Schröter schleppten große Fässer mit Wein heran, welche sie oberhalb des Brunnens auf einem Podest positionierten, um des Wassers statt Wein in den Brunnen fließen zu lassen.

      Bald waren auch diese letzten Vorbereitungen am Endigen, und gut war’s so, denn das Volk war ungeduldig und kaum mehr zu halten. Zuletzt ritten drei Reiter vom Rathaus heraus, derweil die Fürsten mitsamt dem Kaiser vom Balkon des Rathauses aus zusahen, der eine Reiter ritt zum Haufen mit Hafer, wo er mit einem silbernen Becher sich bückte und etwas Hafer schöpfte, ein anderer ritt zum Pavillon, wo er offenbar ein Stück des Bratens sich kredenzen ließ, und der letzte schließlich zum Brunnen, wo er weißen und roten Wein, der sich inzwischen aus den Rohren ergoss, in ein Service silberner Becher goss. Nachdem jene drei Reiter wieder im Rathaus entschwunden, bahnte sich das Volk seinen Weg auf den Platz, und die Gardisten wichen zum Rathaus hin, dem Volke das Feld zu überlassen. Bastian, Andreas und ich ganz zuvorderst, hatten wir unser Ziel sogleich auserkoren und rannten, so schnell die Beine uns trugen, zum Brunnen hin. Verdurstenden gleich warfen wir uns an eines der Becken mit weißem Wein, denn sie hatten den Brunnen in mehrere Becken unterteilt, so dass in manche weißer und in manche roter Wein floss; und ich begann zu saufen, indem ich schlicht mein Maul in das Becken hielt und dergestalt mit vollen, gierigen Schlücken mir den guten Trunk einverleibte. Bastian und Andreas neben mir folgten meinem Exempel, während um uns herum die Hände und Arme gleichfalls an das begehrte Gut zu gelangen suchten, wurden von allen Seiten Becher und Flaschen und Hände in die Becken getaucht, dass es nur so spritzte und schwappte, mir der Wein in die Nase und über die Brust lief. Jemand drückte mich grob beiseite, dass ich mich verschluckte und husten musste, der Amon war’s, und auch die Übrigen waren nun da, der Wagner, der einen Becher in der Hand hielt, weiß Gott woher, die Witwe, die aus selbigem Becher trank, der Korporal, der seine große Feldflasche tief eintauchte, ferner der Jakob, der Friedrich und der Egon, die mit den gewölbten Händen den Wein zum Munde führten, in Ermangelung besserer Instrumente. Ich sah den Andreas, der am Rand des Beckens hochgeklettert und sich den Wein direkt aus dem Rohr ins Maul fließen ließ.

      Den Bauch bereits prall gefüllt und mit leichter Übelkeit ob des schnellen Saufens, hielt ich kurz inne und sah hinüber zu den anderen Becken. Und obgleich ich derart vollgesoffen war, dass mir schon reichlich schwindlig wurde, wollte ich mir doch auch den guten Roten schmecken lassen. Zu gemeldetem Zwecke kletterte ich also den Brunnen empor, der, wie beschrieben, mit einigen großen Steinen verziert und geschmückt war, an denen man trefflich Halt fand, hielt mich auf halber Höhe an einem der Dekorlöwen fest und senkte dergestalt von oben herab meinen Kopf zum Rohre, aus welchem der gute Rotwein floss. Ich hielt das offene Maul in den Strahl und soff, was ich konnte, versuchte derweil mich der vielen Becher zu erwehren, die um mich schwirrten wie die Fliegen und gleichfalls versuchten, an den Weinstrahl zu gelangen, als mich endlich jemand packt und von da oben runterzerrt, dass ich mit dem halben Bein im Becken lande. Ich entsinn mich noch an ein wütendes Gesicht vor mir, als ich mich wieder rappelte, das mich schimpft, da fliegen schon die ersten Fäuste. Lässt wohl unseren Bub in Ruhe!, hörte ich den Egon rufen. Meine Kameraden müssen gesehen haben, dass ich derart angegangen wurde, denn ich sah nun den Korporal Schuhmann selbigem Kerle kräftig den Kopf gegen den Brunnen hauen, und auch die anderen waren gehörig am Händeln.

      Kaum erhoben, mit der Intention, meinen Freunden beizustehen, bemerkte ich, dass mir der gute Wein doch reichlich zu Kopf gestiegen war, und so kommt es, lieber Leser, dass fürderhin meine Erinnerungen eher wirr und unklar mir erscheinen, kann ich mich zwar des meisten Geschehenen entsinnen und ist mir wohl auch nichts in Gänze verloren gegangen, doch sind die Bilder in meinem Geiste hinter einem trüben Schleier versteckt und gleichwohl verworren, als habe jemand Bilder, Zeiten und Orte, welche in meinem Gedächtnis aufgehoben, gemischt und durcheinander gebracht, dass ich im Folgenden, der Logik als meinem Leitstern folgend, den Ablauf der Sinnhaftigkeit nach zu schildern gedenke.

      In jedem Falle war, als sich mein Schwindel ein wenig legte, der kurze Kampf schon zugunsten unserer Partei entschieden, und man gedachte, wohin nun zu gehen sei, waren wir doch alle schon zu genüge satt gesoffen, was uns freilich nicht hinderte, unsere Feldflaschen zum Abschied zu befüllen. Aufs Trinken müsse wohl das Essen folgen, vermeinte dann jemand, und auch ich gab etwas zum Besten wie: Jawohl, ja, auf zum Ochsen! Jenes Ziel im Auge, drängten wir uns durch das viele Volk zu jenem Pavillon hin, bei dem, ähnlich wie beim Brunnen zuvor, mächtig Aufruhr im Gange war.

      Ein treffendes Bild ist mir noch im Sinn geblieben, das die Tollheit der Leute gut bescheint. Und bin ich mir auch nicht gewiss, ob ich jenes gesehen habe, als wir zum Ochsen hingelaufen, oder dann, als wir von dort weg sind, will ich es dir dennoch an dieser Stelle kurz skizzieren, lieber Leser; sah ich nämlich eine Handvoll Leute das Podest erstürmen, von welchem aus die Schröter den Wein in den Brunnen fließen ließen, hatten manche dieser Kerle Beile oder Hämmer in den Händen, mit welchen sie die Fässer wie die armen Schröter gleichermaßen bedrängten. Und während Letztere ihren Widerstand bald als hoffnungslos realisierten, ihr Heil in der Flucht sahen und vom Podeste sprangen, blieben die Fässer der Rage der Meute hilflos ausgesetzt, hieben die Kerle wild auf jene ein, dass es endlich einem Fass den Boden ausschlug und sich der gute Wein im großen Schwall daraus ergoss. Indessen die Oberen teils ihre ganzen Köpfe in die offenen Fässer tauchten, versuchten die Darunteren schlechterdings den ausfließenden Wein mit dem Maul aufzufangen und soffen ihn etliche gar, gleich Schweinen und Säuen, aus den sich auf dem Boden gebildeten Pfützen, dass sie einem mehr Tier als Mensch dünkten.

      Wir jedenfalls wollten nun unseren Teil des Bratens ergattern, und durch den vom Wein beheizten Übermut gingen meine Kameraden nicht gerade handzahm zu Werke. Bald hatten wir uns bis hinvor ans Fenster, wo die Küchenmeister den Ochsen ausgaben, Platz erstritten, und ich ersah nun das riesige Tier, welches an einem dicken Balken, der jenes vom Maul bis zum Hinterteil durchspießte, über dem Feuer garen. Und als ich es erblickte, lieber Leser, durchfuhr mich ein gewaltiger Schrecken! Erst dachte ich, der Wein müsse mir zu kräftig zu Kopf gestiegen sein, denn was ich da sah, schien zwar dem Kopfe und dem Schwanz nach ein stattlicher Ochse zu sein, erwuchsen diesem jedoch über den ganzen Körper verteilt, vor allem aus dem Bauch heraus, alle möglichen seltsamen Köpfe und Glieder mit Mäulern und Augen, manche groß und manche klein, dass ich unweigerlich jener vier Tiere aus der Offenbarung gedachte, wo es da heißt: “Und die vier Wesen haben, jedes einzelne, sechs Flügel, und außen herum und innen sind sie mit Augen übersät, und sie rufen ohne Unterlass Tag und Nacht: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, Gott, der Herrscher über das All, und der war und der ist und der kommt.” Worauf ich mir kräftig die Augen rieb, nicht ohne mich vorher zu bekreuzigen. Hernach ich allerdings genauer hingesehen, erkannte ich, dass es nicht bloß ein Ochse war, den sie da brieten, sondern sie den Ochsen gefüllt hatten mit allerlei Viehzeug, mit Lämmern, mit Hühnern und Gänsen, und deren Köpfe und Glieder und Augen waren es, die aus dem bratenden Ochsen rausstanden und rausschauten, dass ich mich von meinem Schrecken gut erholte.

      Der meiste Teil des Bratens war noch vorhanden, doch auch hier drängte das Volk mit Ungestüm, seinen Teil zu erhalten, und die armen Köche sahen sich von allen Seiten angegangen, dass sie sich nur noch mit ihren Messern und Beilen zu erwehren wussten und manches Blut floss. Wir waren ihrem Bedrängnis freilich keinerlei Abhilfe, denn schon sprangen die ersten von uns, der Wagner und der Korporal namentlich, über den Tresen, ihren Teil abzugreifen, wir anderen dicht dahinter. Zwei der Köche, die am großen Rad gestanden, mit welchem der Ochse gedreht wurde, stellten sich uns entgegen, beide mit Beilen bewaffnet. Den ersten packte der Korporal am bewehrten Arm, zog ihn zu sich her, worauf der Wagner selbigem kräftig eins einschenkte und niederstreckte. Den


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