Rosenegg. P.B.W. Klemann

Rosenegg - P.B.W. Klemann


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      Von der trefflffllichen Festivität und Kaiserwahl zu Frankfurt am Main

      Früh brachen wir auf, noch bevor die ersten Sonnenstrahlen den Horizont erhellten. Hatten wir nämlich erfahren, dass man gedachte, des Morgens die Stadttore abzusperren, und wollten deswegen zuvor noch dort sein. Hans Blocher begleitete uns zusammen mit der Maria, hatte sie ihn reichlich persuadiert, dass er sie mitnehme, und manche Schelte und manche Schelle sich eingefangen, wie wir mitbekamen, endlich aber ihren Willen durchgesetzt. Ein schöner Tag würde es werden, man sah es gleich, war ganz wolkenlos der azurne Himmel und tausend und mehr Sterne zierten das Firmament. Trefflich fühlte ich mich an jenem Tage, hatte die vorgestrige Übelkeit gut verwunden und war schon wieder für jedes Wettsaufen zu haben, gelobt sei die Jugend!

      Wir kamen in Sachsenhausen an, als der Sonne Schein in Ferne erst angedeutet zu erkennen war und dessen zum Trotz waren die Straßen bereits voll des Volkes und die ersten Schlangen bildeten sich vor den Toren, wollten alle noch vor der morgendlichen Absperrung ins Innere. Jedermann wurde visitiert nach Waffen, welche wir, da wir solches bereits vermutet, allesamt in der Herberge gelassen hatten. Drinnen angelangt, verabschiedeten wir uns vom Blocher und seiner Maria, gedachte der Blocher, sich mit seinem Kupplerkameraden zu treffen, lud uns aber ein zu späterer Stunde, so alles vorüber sei, dort vorbeizuschauen. Auch in der Stadt war schon reichlich Volk unterwegs, kamen wir dennoch gut durch bis zum Römer, hier allerdings war alles abgesperrt und abgeriegelt, standen allerorts die Stadtwache, aber auch andere Gesellen, bunt gekleidet und kräftig bewehrt, trugen sie alle das Gleiche, längsgestreifte Wämser und Hosen, in Gelb und Blau und ein wenig Rot, waren bewaffnet mit Hellebarden oder Partisanen, gerüstet mit Panzer und Haube, Letzteres geziert mit einem leuchtend roten Federbusch. Wir fragten einige der Umstehenden, was selbige denn für Vögel seien. Die Schweizergarde nenne man sie, hörten wir dann, die Leibwachen der geistlichen Kurfürsten aus Trier und Mainz, harte eidgenössische Krieger, und ich fühlte einen seltsamen Stolz in meiner Brust, denn obzwar ich nie bei den Eidgenossen gelebt, fühlte ich mich mit ihnen verbunden, entstammte Vater schließlich ihren Landen, und ich freute mich, dass man die Schweizer Krieger pries, erfreuten sich selbige großer Berühmtheit in allen Ländern, war es nicht umsonst an ihnen, den Papst selber zu defendieren. Jene prächtigen Krieger jedenfalls bewachten den Römer, und keiner durfte auf den Platz. War tags zuvor noch alles voll gewesen von Gauklern und Spielleuten, war jetzt alles voll von diesen bunten Vögeln, so beschlossen wir, vorerst zum Markt zu gehen, zumal die Glocken das Spectaculum ankündigen würden und wir uns auch noch gut in der Zeit wähnten für einen Morgentrunk und frühe Speise.

      Ordentlich zur Sache ging es hier, waren die Straßen und die einzelnen Märkte um den Dom prall gefüllt, drückte sich Leib an Leib, zu Amons größter Freude, war dieser nämlich ein trefflicher Beutelschneider, was auch die Ursache war, weshalb es ihn zu uns Räubern verschlagen hatte. Seinen kleinen Beutelritzer hatte er stets parat – eine kleine sichelförmige Klinge –, welchen er zwischen Zeige- und Mittelfinger hielt und dergestalt geschickt die Schnüre der Börsen trennte, so jemand so unvorsichtig war, diese baumelnd zu tragen, andernfalls die Taschen und Beutel aufritzte, um an deren Inhalt zu gelangen. Als wir den Platz der Garküchen und Standschenken erreicht, hatten drei Börsen bereits ihren Besitzer gewechselt, war eine derart gefüllt, dass der Amon, der nicht gerade seiner Spendabilität wegen bekannt war, allen eine Runde Speis und Trank ausgab.

      Gut fröhlich waren wir bereits, als die Glocken schlugen, begaben wir uns dann wie alles Volk zur großen Marktstraße, hatten sie dort mit Holzplanken einen Weg oder Brücke aufgebaut, die ganze Strecke bis zur Kirche hin, damit die edlen Herren sich ja nicht die Füße schmutzig machten, jenen zudem mit schönem, rotem Tuch überspannt. Zu beiden Seiten jenes roten Weges standen je zwei Reihen von Gardisten dicht hintereinander, die inneren Reihen mit der Muskete bewaffnet, die äußeren mit Hellebarde bewehrt, welche sie schräg vor sich hielten, dass kein Durchkommen war. Kaum war der letzte Glockenschlag verklungen, schallten die Trommler und Trompeter vom Römer aus ihre Klänge in die Luft, und es begann der Marsch in Richtung Sankt-Bartholomäus-Dom.

      Zuvorderst liefen im gemächlichen Gleichschritt die Musikusse und trommelten und trompeteten, gefolgt von einer langen Reihe Bannerträger mit hohen, goldbestickten und goldverzierten Bannern, ferner eine ganze Schar von Bischöfen, aufs Schönste geschmückt mit Gold und Zierrat, umgeben und umzingelt von anderen niederen Pfaffen, die Weihrauchkugeln schwenkten und Weihwasser sprenkelten. Sind’s die Kurfürsten?, frug ich laut an keinen Bestimmten gewandt: Die Geistlichen, mein ich. Und eine ältere Dame neben mir gab Antwort in mein Ohr: Nein, die Kurpfaffen sind schon in der Kirche. Als die Klerikalen vorüber waren, folgten die großen und größten Herren unserer Lande. Zu Fuß und zuerst einiges an Offizieren, bewehrt und mit Ornat behangen, zahlreiche Räte der Stadt mit ihrem Rätehabit und Rätehaube und einiges an adligem Volke. Ferner hoch zu Ross folgten vier Herrschaften, und ich rief: Sind’s die Kurfürsten? Worauf die Frau neben mir vermeinte: Ach nein, ’s ist der Landgraf zu Darmstadt mit den Söhnen! Ihnen folgte wiederum eine Schar aufs Äußerste verzierte Vögel, trugen jene rote und goldene, mit Tier und Wappen bestickte Mäntel und Trachten, so dass ich wieder vermeinte, jene müssten unfraglich die obersten Fürsten der deutschen Lande sein, und gleiches kundtat, doch wieder korrigierte mich die Dame: Ach Mensch, ’s sind doch nur die Herolde! Hinter diesen kamen nun drei Gestalten, die in der Tat noch prächtiger aussahen als alle zuvor, trugen jene eine dicke, mit weißem Fell umspannte Haube, hoch und breit, fast wie eine fellerne Krone, dazu einen schönen Mantel oder Umhang, der bis zur Brust aus gleichem Fell bestand und dann in spanisches Rot überging. Jeder der Dreien hielt eine der Reichskleinodien, einer den goldenen Reichsapfel mit dem goldenen Kreuz, das aus ihm herausragte, nächster das Reichszepter, ein langer, goldener Stab mit reichlich Edelsteinen und anderer Zier, und zuletzt das Reichsschwert, blank gezogen und in die Höhe gehalten, ging ein besonderer Schimmer aus von dessen Klinge. Nun sind sie’s aber!, rief ich bestimmt: Die Kurfürsten! Worauf aber das Weib wieder nur den Kopf schüttelte: Nein, sind nur die Abgesandten. Die Echten seien gar nicht erst angereist. Was? Weshalb?, frug ich enttäuscht. Wer weiß? Mag ihnen nicht geschmeckt haben, erneut ’nen Habsburger auf dem Thron zu wissen. Und ich gedachte bei mir: Wieso sie ihm dann ihre Stimme gegeben? War der Habsburger schließlich einstimmig erwählt worden, wie wir mannigfaltig vernommen hatten.

      Lange hielt meine Enttäuschung freilich nicht, denn obzwar ich die größten Fürsten unserer Lande nicht in persona zu Gesicht bekommen, sah ich nun aber, keinen Steinwurf von mir entfernt, den Habsburger Ferdinand, den erwählten Kaiser. Der ist aber der Echte?, frug ich die Frau, worauf sie lachte und erwiderte: Freilich, der ist echt. Sein Kinn kann es bezeugen. Ein welches er in der Tat stolz hervorgereckt hatte, geziert nur mit einem kleinen, fein geschnittenen Bart, ritt er auf einem schönen, weißen Pferd unter einem weiten, verzierten Baldachin oder Himmel, der von sechs Mannen zu Fuß an langen Stäben hochgehalten wurde. Ja, da ritt er, der Habsburger Fanat, so nah und so stolz, und manchmal frag ich mich, was wohl geschehen wäre, so ein anderer seinen Platz eingenommen hätte? Wenn sich ein deutscher Ravaillac gefunden haben würde, den Lauf der Geschichte zu verändern?

      Doch gibt es leider nur die eine Welt, die eine nur, die notwendige, denn lasse Gott kein Alternativ zu, geschieht doch alles, was ist, notwendig, so, wie es geschieht, vorherbestimmt und festgeschrieben in Gottes Geist und Sinn, wie Calvin es einstmals erkannt und auch gelehrt. Mancherlei Unfug und Unsinn habe dieser mitunter gepredigt, vermeinte zumindest mein lieber Vater, hierbei indessen sei es der Wahrheit entsprechend, denn sei die Welt nicht vorhergesehen durch Gott, so müsse dieser folglich unwissend sein über ihren Verlauf, was freilich ganz unmöglich ist. Ferner könne es auch nicht zwei oder mehr Weltenläufe geben, alle in Gottes Sinn und nebeneinander existierend, zumal die Folge wäre, dass doch wohl der eine Lauf einem anderen vorzuziehen sei, der eine besser, der andere schlechter beurteilt werden könne, so auch das Leben in dem einen dem Leben in dem anderen vorgezogen würde, folglich der eine ungerechter gegen den anderen wäre im Vergleich, was wiederum ein Widerspruch zu Gottes Wesen ist. Was alles unweigerlich zur einen Wahrheit führe, dass es nur die eine einzige Welt geben könne und schlechterdings notwendig alles geschähe, was geschieht. Ja, dergestalt hatte ich ihn oftmals philosophieren hören, meinen seligen Vater,


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