Rosenegg. P.B.W. Klemann

Rosenegg - P.B.W. Klemann


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suchten wir uns was zu saufen und schwatzten über das Gesehene. Hast ihn gesehen?, fragte dann einer, und man antwortete: Potz Teufel, ja! Hast das ganze Gold gesehen? Das Kinn? Dann lachte man und freute sich. Über den ganzen Reichtum sprachen wir, über die herrlichen Mäntel aus Zobel und rotem Samt, über die wunderbaren Pferde und die Kleinodien. Dass sicherlich manch Zauber in den Kleinodien stecke, meinte etwa Egon, und wir diskutierten, was sie wohl alles vermögen würden. Worauf ich meine Geschichte von der Lanze kundtat, die mir Vater erzählt hatte, und frug, warum die heilige Lanze denn nicht dabei gewesen sei? Und ein Fremder bei uns, der sich als Amtsschreiber vorstellte, vermeinte, sie gehöre wohl nicht zum präsentierten Ornat, sei gar nicht erst aus Nürnberg hergebracht worden.

      Einiges an bösen Stimmen hörte man auch, hörte die Leute hier und dort schimpfen, und Andreas beteiligte sich gern und fleißig. Dass wieder ein Lakai Spaniens über unsere Lande herrsche, hieß es dann, eine Hure des Papstes, und unter seinem Kleide lauere schon, Sackläusen gleich, die Meute der Jesuiten, das Land im alten Glauben zu bekehren. Keiner der Protestantischen ist selbst gekommen!, schimpfte Andreas etwa. Keiner! Und doch heißt’s, sie alle hätten den Habsburger erwählt. Wie könne solches nur geschehen sein? Und viele nickten und stimmten ein in solche Reden. Egon und Friedrich, die beide feste Katholiken waren, gingen in Opposition. Was jene denn schwätzen würden? Müsse doch dem Unverständigsten klar sein, dass der Kaiser nun mal vom guten, alten Glauben zu sein hätte. So hätten doch die Protestanten schon ihre drei Erzfürsten, hätten ihre vielen Landesfürsten, hätten Bürgermeister und Räte und würden trotzdessen nichts können als maulen und mehr verlangen. Tausend Jahre wär es gut gewesen mit der einen Religion, und nunmehr und auf einmal reiche es nicht, brauche man zudem nicht nur eine neue Religion, brauche man gleich viele neue, welche sich auch untereins nicht verleiden mögen. Allein sie wurden niedergeredet, waren die meisten dort doch fleißige Lutheraner.

      Unter gutem Sterne stehe der ganze Schosen wahrlich nicht, vermeinte irgendwann jener verständige Amtsschreiber, habe sich gleich nach der Wahl bedenklicher Casus ereignet, als nämlich ein wilder Köter den Trierer Erzpfaffen angefallen und ins Bein gebissen habe und erst von jenem abgelassen, als sie selbigen totgeschlagen. Als sei jenes des bösen Omens nicht genug, habe sich zudem die Wunde am Bein schlechterdings durch nichts kurieren lassen, dass sie endlich gar einen Juden haben rufen müssen, sich der Sache anzunehmen, wie er aus sicherer Quelle wisse. Was alles unfraglich nichts Gutes prognostiziere.

      All solcher sorgenvollen Reden zum Trotze wurde uns die Weile nicht lang, war das Volk e contrario fröhlich und heiter, selbst beim Disputieren, prostete man sich zu, schwatzte und lachte und spottete über die hohen Herren, und freute sich des Kommenden.

      Dann war es soweit! Erklangen die zahllosen Glocken der Kirchtürme, tönten ferne Fanfaren und Jubel schallte dumpf aus den Dommauern heraus, zu verkünden, dass das römisch-deutsche Reich seinen neuen Kaiser habe. Sogleich eilten wir vor die Eingangspforten. Weit vorn am Dom nahmen wir Posto, wo das Volk so dicht gedrängt war, dass man Leib an Leibe stand. Die Türen wurden aufgestoßen, und die Prozession begann. Weiter nach vorne drängten wir und ich nutzte die breite Statur des Bastian, mich dahinter zu bergen, während er durch die Massen pflügte. Ganz zuvorderst angekommen, stand nur noch ein grimmiger Hellebardier vor uns, der mit seiner Waffe uns sperrte und dabei einiges an Mühe hatte, die ganze Meute fern zu halten, die drückte und drängelte und kräftig schob.

      Über den roten Weg kamen gerade die Vertreter der Kurfürsten vorüber, zu Fuß diesmal, und erneut die Reichskleinodien in Händen. Dicht in Folge der frischgebackene Kaiser, unter seinem gewaltigen Baldachin, auch zu Fuße und in vollem Ornat, schimmerte er goldgelb von Kopf bis Fuß, und sein Haupte zierte die Reichskrone, eckig und schwer, und ich muss gestehen, dass sie mir ein wenig grob und ungeschliffen vorkam, ein großer, goldener Klotz mit vielerlei verschiedenem Gestein beklebt. Viel zu groß und schwer drückte sie mir für jenen kleinen Kopf des neuen Herrschers, der manche Mühe haben musste, sie zu tragen. Regungslos starrte er geradeaus, ohne seinen Blick in die eine oder andere Richtung zu wenden und ohne jedes Zeichen von Freude, einer Statue gleich, kein Mensch aus Fleisch und Blut.

      Ihm folgend die drei Erzpfaffen im kurfürstlichen Mantel und Haube, der Mainzer, Johann Schweickhardt von Kronberg, ferner der Kölner, Ferdinand von Bayern, und endlich der Trierer, Lothar von Metternich, der wahrhaftig arge Mühe beim Laufen hatte und kräftig humpelte. Ganz zuletzt kamen noch drei Reiter, jeder von ihnen mit einem dicken Beutel auf dem Schoß. Da griffen diese tief in ihre Beutel und warfen unversehens frisch geschlagene Münzen unter die Menge, und nicht nur Heller oder Pfennige waren es, sondern Halb- und Ganz- und Doppeldukaten, manche groß und manche klein, gab es neben den üblichen runden Münzen auch kleine viereckige aus Gold und Silber.

      Du kannst dir wohl leicht imaginieren, lieber Leser, welche Wirkung solchem erfolgte, wurde die Masse, als sie den ganzen Reichtum fliegen sah, mit einem Male ganz toll und wild, mehr noch als sie ohnehin schon gewesen, wurde wild geschoben und gedrängt, und Bastian und ich mögen die meisten an Tollheit noch überboten haben, und Arme und Beine einsetzend, versuchten wir tunlichst zu jenen Reitern zu gelangen. Links und rechts nahmen die Leute ihre Hüte vom Kopf, drehten sie um, mit ihnen die Schätze zu fangen. Ich sprang hoch und versuchte die Münzen aus der Luft zu erschnappen, mag die eine oder andere wohl derart erwischt haben, dann sah ich Bastian, der schlechterdings in die hochgestreckten Hüte griff und fremder Leute Beute so für sich beanspruchte, was ich ihm bald nachahmte, in jeden Hut, den ich sah, hineingriff, und alles, was ich dergestalt ergatterte, eilig am eigenen Leibe verstaute. Schon kam es zu Verwünschungen und Händel, brüllten die Leute mich an, mancher schlug gar nach mir. Jemand warf mich zu Boden – oder bin ich gefallen? Fand ich mich jedenfalls zu Boden wieder, umringt von lauter Fuß und Bein, wollte wieder hochwärts, da sah ich es um mich rum blinken und glitzern, silbern und golden, krabbelte deshalb auf den Knien weiter umher, griff hier und dort hin, drängte mich zwischen den Füßen hindurch, noch mehr der Beute zu machen. Man stand mir auf die Hände und Beine, trat gegen Bauch und Kopf, und bald lag ich bäuchlings da, spürte die Leute auf mich treten und fallen, dass ich schon gedachte, sie würden mich gar totdrücken. Da packte mich der Bastian unter den Achseln und zog mich auf die Beine.

      Die Hellebardiere retirierten indessen, konnten der wilden Meute nicht mehr Herr werden, die immer weiter zu den Reitern drängte. Komm mit! Zum Reiter!, vermeinte Bastian und kämpfte sich in Richtung des nächstgelegenen, nah zu unserer Rechten. Aus den Augenwinkeln sah ich den Wagner und Jakob und Andreas mit Umstehenden rangeln, war einiges an Schlägerei im Gange. Als wir den Reiter erreichten, war dieser schon von allen Seiten so dicht bedrängt, dass er versuchte, sich mit den besporten Stiefeln zu erwehren, und seine Münzen den Bedrängern vor die Füße warf, in Hoffnung, sie solcherart abzulenken, was teils gelang, und auch ich bückte mich schnell, die eine oder andere einzusacken. Kaum wieder oben, sah ich den Bastian am Pferd selbst hochspringen und dem Reiter einfach zwischen die Schenkel in den Münzsack greifen. Da wurde es diesem endlich doch zu bunt, und er gab dem Gaul die Sporen, den Zugang zum Römer im Auge, den die übrigen Gardisten mit letzter Kraft zu sperren suchten. Weit kam er aber nicht, hatten die Leute seine Zügel gepackt und hielten den Gaul auf, versuchten einige, es nun dem Bastian gleich zu machen und an den Münzsack selbst zu gelangen, andere versuchten gar, ihn vom Gaul zu ziehen, was das erschreckte Tier endlich aufbäumen ließ und ausschlagen. Viel fehlte nicht, und der Reiter wäre gefallen, hatte er schon die Zügel verloren und schlug verzweifelt mit den Fäusten gegen die vielen Hände, die ihn zu stürzen suchten, da kam ihm einer seiner beiden Kameraden zur Hilfe, preschte mit seinem Pferd heran, was die Leute weichen ließ, packte die Zügel des Pferdes und zog ihn mit sich auf den Römerplatz zu. Nur kurz währte der Schrecken der Meute, bevor sie die Verfolgung aufnahm, und nur mit Knappheit schafften es die beiden, sich auf den Römer und hinter die Gardisten zu retirieren.

      Mit gestellten Waffen und dicht an dicht stehend, gleich einem Pikenhaufen im Felde, versperrten die Gardisten dem Volk den Einlass zum Platz. Bastian, Andreas und ich standen weit vorne, nah bei den Gardisten, die ihre Hellebarden gefährlich vor unseren Gesichtern kreisen ließen. Ich blickte mich um, zu sehen, was die Übrigen trieben. Hatten sich die Menschen indessen auf den roten Stoff gestürzt, über den die Prozession geschritten war, schnitten sich große Stücke heraus, sie nach Hause zu führen, oder hingen sie sich über die Schultern, wie etwa der Friedrich


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