Rosenegg. P.B.W. Klemann

Rosenegg - P.B.W. Klemann


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ist Stunde der Männer!

      Schlimm war der nächste Morgen, mag auch dir solches Befinden wohl bekannt sein, lieber Leser, wenn der Hals dir brennt wie Feuer, im Maul kärgliche Dürre herrscht, wenn Schweiß deinen Körper benetzt und der Schädel dir brummt. Dergestalt brachen wir auf in die Stadt, frühmorgens war’s, Andreas sah nicht arg besser aus als ich, und für trefflich Gespött und Heiterkeit sorgten unsere Gesichter bei unseren Kameraden. Auch Bastian lachte herzlich über uns, war er taufrisch wie stets, konnte jener doch saufen wie kein anderer. Ich ritt auf einem der Kutschgäuler, die wir den Juden abgenommen, einem fetten, stinkenden Tier, schaukelte nach vorn und nach hinten und vice versa, dass mir je länger, je übler zumute wurde und ich zuletzt mein spärliches Frühstück auf den Weg spuckte. Oh, wie lachten die räudigen Hundsfötter über mich armen Tölpel, und manche Verwünschung mag ich ihnen gesandt haben, im Geiste freilich, getraute ich mich doch kaum, mein Maul zu öffnen. In solch unerquicklich Zustande jedenfalls führten sie mich durch die Stadt, bekam ich kaum mit, wohin wir unterwegs waren. So hatten die anderen beschlossen, zu empfohlenem Badehaus zu gehen. Ein großes Gebäude war es, mit breiter Pforte, erwartete uns im Inneren ein dicker, glatzköpfiger Kerl hinter einem kleinen Tresen, der überrascht schien über Kundschaft, zumal es sonntags gewesen, und auch derart bezeugte: Frühe Kundschaft lob ich mir am Tag des Herrn! Haben gerade erst begonnen, das Wasser zu heizen! Einen stattlich Preis verlangte er, den Groschen pro Kopf, und ich überlegte noch, dem Spaße zu entsagen, doch weil die anderen alle zahlten, ließ ich mich breitschlagen, gelobt dafür sei Gott! Die Witwe durfte nicht, war jenes Bad nur für Männer gedacht, und auch der Wagner meinte darauf, dass er schon jemanden habe, ihn sauber zu reiben, weshalb wir uns zum späteren Treffen am Römerplatz absprachen.

      Und so betraten wir anderen jenes Badehaus, das erste, das ich je betreten, und ich kann mich noch an jenen typischen Geruch von Kalk und Dampf erinnern, den alle solchen Häuser gemein haben. Wir wurden in den Umkleideraum geführt, und der Hausherr rief einige Namen, schon kamen schöne, junge Dirnen herbei, nur mit dünnen, leinenen Tüchern bekleidet, die sich unserer annahmen, einem jeden aus den Kleidern halfen und begannen uns zu waschen. Ich sträubte mich ein wenig, war ich doch derart Umgang nicht gewohnt, da lachte das Mädel, das sich meiner angenommen, und meinte: Willst doch nicht mit Beinkleid ins Wasser? So ließ ich es geschehen, ließ mir sanft die Füße waschen, mit einem großen Stück Seife den Rücken und die Haare einreiben und manches mehr und mit lauem Wasser alles abspülen. Sie legten uns gleichfalls leinene Tücher um die Hüften und führten uns dann in die Badestube. Schön gekachelt war der ganze Boden, glatt und warm, und schwer war die Luft von warmem Dampf, der aus den vielen hölzernen Zubern aufstieg, die frisch gefüllt waren mit sauberem Wasser und manchen Kräutern, mit Eisenkraut und Lavendel und Salbei, die ihren Duft verströmten.

      Sie hießen uns hineinzusitzen, je zwei Mann zusammen in einem Zuber, hätten gleichwohl gut sechs von uns in einen reingepasst. Sitzplätze waren in die Wannen eingearbeitet, und dergestalt saß ich dort, der Andreas mir gegenüber, sog die guten Dämpfe ein, indessen die wohlige Wärme mich durchflutete. So unerquicklich mein Befinden noch vor wenigen Stunden gewesen, so prächtig fühlte ich mich mit einem Male, dumpf und fern schien alles Lärmen, alle Kälte, wohlig und warm war alles in jenem Hause. Die Augen hatte ich geschlossen im seligen Wohlbefinden, plätscherte sacht mit den Füßen und Händen, muss wohl etwas eingeschlummert sein, als ich plötzlich zierliche Hände an meinem Nacken spürte. Wie lange ich wohl eingedöst war?, fragte ich mich, denn als ich nunmehr die Augen auftat, dünkte es mir geschäftiger als noch zuvor, liefen die Dirnen von hier nach dort, mit Unterschied aber, dass sie allesamt ihre Tücher abgelegt hatten, und nunmehr gänzlich nackig herumspazierten wie Eva einstmalen im Paradies. Große Augen machte ich ob solcher Freizügigkeit, sah so viel Busen und Hintern und Haare, wie ich lebtags niemals gesehen, dass mir erneut ganz schwindelig wurde. Ob es denn genehm sei?, hörte ich die Dirne fragen, die hinter mir am Zuber stand und mich mit ihren Händen behandelte, was ich benickte. Und Andreas mir gegenüber machte derartig selbstzufriedenes Gesicht, dass ich gar auflachen musste. Ein kräftiges Weibe kam heran, mit dickem Hintern und dicken Brüsten, brachte ein Brett, worauf sich Aufschnitt, Brot und Eingelegtes fand, welches sie quer über den Zuber zwischen die beiden Badenden, in diesem Falle Egon und Friedrich, legte. Ersterer gab ihr einen lauten Klaps auf den Hintern und vermeinte, sie solle nicht zu weit weg, er habe noch so manches Bubenstück mit ihr vor Augen, und zwinkerte mir zu, als er merkte, dass ich zu ihm sah.

      Auch wir bestellten etwas zu speisen, erfrischten uns an klarem, weißem Wein und genossen die Berührungen der Damen, die alsbald zu uns ins Wasser stiegen, sich eingängiger mit uns zu beschäftigen. Nicht schlecht erstaunte ich, als jene wohlsame, träge Atmosphäre sich plötzlich zu wandeln begann, aus sanftem leisen Plätschern nach und nach erst ein Schwappen, dann gar Wellen wurden, und war zuvor kaum ein Laut zu hören gewesen, im Höchsten ein zufriedenes Seufzen, erklang nun gänzlich anderes Lautenspiel. In den folgenden Stunden sah ich Dinge, die ich in solcher Deutlichkeit noch niemals gesehen hatte, und kann kaum leugnen, dass ich selber kräftig daran partizipiert. Als wir das Bad verließen, hatte ein jeder das zufriedenste Lächeln im Gesicht, waren wir sauber und befreit von allem Schmutz und hochzufrieden mit uns, obzwar wir geschröpft waren wie die Martinsgänse, hatten die werten Damen nämlich redliche Arbeit geleistet und uns den Mammon mit allem, was ihnen zur Verfügung gestanden, gehörig ausgetrieben. Potz Teufel!, sagte Bastian danach, als wir das Badehaus verließen. Jetzt weiß ich, wie’s im Himmel ist! Worauf ich lachte und vermeinte, wenn es dort derart zuginge, müsse ich solches in der Bibel überlesen haben.

      Ja, eine seltsame Bewandtnis ist es mit der Sünde, lieber Leser, kommt sie doch mal so augenscheinlich und klar daher, wie vormals auf dem Rosenegg etwa, dass dich die Schuldigkeit gar ins Gesicht schlägt und deinen Geist und dein Gewissen niederdrückt, dann wieder erscheint sie so sauber und rein, als wäre nichts dabei, lässt dich trefflich gut und zufrieden fühlen, so wie bei uns dort und damals im schönen Frankfurt.

      Der Wagner schalt uns alle Simpel, als wir ihn auf dem Römerplatz trafen, doch musste er auch lachen, nachdem wir ihm berichtet, wie trefflich sie uns ausgenommen. Fast alles Geld, das wir den Juden geluchst, war dahin, und wir grübelten, wie die Kasse wieder zu füllen sei, wussten wir nicht, wie lange es noch zum Feste dauern würde. Und indessen wir noch am Disputieren, ob innerhalb oder außerhalb der Stadt am besten zu rauben sei, erübrigte es sich bereits, denn mit lautem Schall und Prunk und manchem Getöse traf der heilige deutsche Reichsschatz ein. Von Weitem schon vernahmen wir die Trompeten, waren sie vom Norden her durchs Eschenheimer Tor eingeritten und folgten ihnen nun die Leute in großer Zahl, wollten alle einen Blick auf diese heiligsten der deutschen Schätze werfen. Mehr noch an Wagen und Gardisten waren es als zuvor in Würzburg gewesen, hatten sich die Nürnberger und Aachener Delegationen vereint, um gemeinsam in die Stadt einzukehren. Vor dem Römer machten sie endlich halt und begannen die Kleinodien ins Gebäude zu schaffen. Ich versuchte einige Blicke zu erhaschen, streckte Beine und Hals empor, doch war weit abgesperrt durch Soldaten und Gardisten, standen so viel weiteres Volk und Pfaffen an den geschmückten Wagen, dass nichts groß zu ersehen war. Hernach alles abgeladen und verstaut gewesen, traten die Stadtschreier aus, läuteten ihre großen Glocken und ließen verlauten, dass folgenden Tags die Krönung stattfände, und kaum hatten sie geendigt, als schon die Vorbereitungen begannen.

      Südlich des Platzes wurde ein hölzern Pavillon aufgestellt, dazu eine große Bühne und etliche Tische, und in der Mitte des Platzes begannen sie den Brunnen der Gerechtigkeit zu schmücken und auszubauen, wurde, was sonsten das Becken war, in welches das Wasser hineinplätscherte und floss, mit Stein und Dekor dergestalt zugerichtet, dass es aussah wie ein schmucker, großer Felsen, auf welchem die Justitia stand, und aus selbigem zu mehreren Seiten Rohre führten, zu welchem Zwecke und wozu, das sollte ich alsbald erfahren. Ferner stellten sie einen herrlich gearbeiteten, aus Holz und anderem Material gefertigten zweiköpfigen Adler darauf, fast mannshoch, und zu beiden Seiten noch zwei goldene Löwen, welche in ihren Pranken die Reichswappen hielten. Nachdem wir uns genugsam sattgesehen hatten, machten wir uns zum Aufbruch bereit, waren gespannt und aufgeregt und freuten uns des Lebens, in Erwartung des nächsten Tages, des Festes aller Feste, der Krönung des römisch-deutschen Kaisers zu Frankfurt am Main.

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