Rosenegg. P.B.W. Klemann

Rosenegg - P.B.W. Klemann


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In welchem Loch habt ihr euch denn versteckt gehalten? Der Kanzler sei nicht mehr, sei längst verhaftet und habe nichts mehr zu vermelden, worauf er auf ein Flugblatt verwies, das von Khlesls Verhaftung kündete. Der Hauptmann schaute es mit Interesse an, obwohl er, wie ich wusste, mehr schlecht als recht lesen konnte. Der Ferdinand sei derjenige, der nun bestimme, und aus anderem Holze sei er geschnitzt als sein Vetter, der Kaiser, ein welcher bereits mit einem Bein im Grabe liege. Und ein jeder kenne ja des Ferdinands Spruch: “Besser eine Wüste regieren als ein Land voller Ketzer!” Man sehe nur, was er in seinen Landen angestellt habe, vergeblich suche man den neuen Glauben in Graz und Umlande.

      Hier stockte der Erzähler und vermeinte, dass er ja gerne erzähle, dass sich aber mit trockenem Maul nun mal schwer erzählen lasse. Der Wagner verstand den Wink und bestellte ihm einen ganzen Krug mit Wein, indessen wir anderen uns einen teilen mussten. Der Kurier nahm einen großen Schluck und fuhr fort. Ein weiteres Gerücht besage, dass die Rebellen den Bastard von Mansfeld geworben hätten, welcher mit großer Männerschar gen Böhmen unterwegs sei. Der Mansfelder?, wunderte sich der Wagner. Ich hörte, er stünde im Sold von Savoyen, ist er nicht Kathole? So sage man, bestätigte der Kurier, allein gedient wird, wo das Geld sitzt. Wie heiße es so schön und richtig: “Mächtiger als alle Potentaten ist der Herr Dukaten!” Und die Stände in Böhmen würden wohl gut zahlen. Gewaltig braue sich da was zusammen, so sich die Union auch noch einschalte, was sie fraglos werde, dann stünde uns ein Krieg bevor, wie er lange nicht mehr gewesen, und nicht nur in Böhmen und Mähren, nein, auch in den deutschen Landen wäre dann Krieg, verkündete jener unheilvoll und schloss mit einem: Üble Sache wird’s!

      Ach würde doch nur sein guter Herr zum Kaiser gewählt, vermeinte selbiger plötzlich mit Wehmut, denn ein besserer Kaiser würde dieser abgeben als die verdammten Habsburger, stünde es wahrlich besser um unsere deutschen Lande. Ja, ist’s denn ausgeschlossen?, fragte der Wagner darauf. Ausgeschlossen freilich nicht, e contrario sogar, werde der Name des Herzogs oft gemeinsam mit besagter Würde genannt, doch hieße dies zu paktieren mit den Ketzern, zumal die Habsburger ihre Stimme keinesfalls einem anderen als einem der Ihren geben würden, ein welches der gute Maximilian wohl kaum erwäge. Wie denn die Kaiserwahl vonstatten gehe, fragte hierauf der Bastian, und froh war ich, dass er fragte, wollt ich es doch selber gern erklärt bekommen und ersparte mir dadurch den abschätzigen Blick des Kuriers, denn ein solcher Menschenschlag war jener, wie sie dir im Leben ein ums andere Mal über den Weg laufen, dergestalt nämlich, welcher sich zwar freut, viel zu wissen und dieses auch zu teilen, gleichzeitig aber herabschaut auf alle diejenigen, die weniger verständig sind, wo doch gerade jenes Unwissen ihr eigenes Wissen erst zu wahrem Glanze bringt.

      Jedenfalls begann der Schlaukopf mit seiner Explikation, die sich in etwa wie folgend vernommen: Geschrieben stehe alles, wie jedermann wohl wisse, in der goldenen Bulle, jenem heiligen Kontrakt des guten Kaisers Karl dem Vierten, der seit Hunderten von Jahren die Regeln des Spiels, wie er es nannte, festlege. Sieben Stimmen gäbe es, den Kaiser zu erwählen, zu küren, wie es nobler ausgedrückt heiße, weswegen man es auch “die Kur” nenne. So gäbe es die drei geistlichen Kurwürden des guten alten Glaubens, zuvorderst den Mainzer Erzbischof Johann Schweickhardt von Kronberg, ferner den Trierer Erzbischof Lothar von Metternich und endlich den Kölner Erzbischof Ferdinand von Bayern, Letzterer, was nicht ohne Wichtigkeit, des Maximilians Bruder, ein Wittelsbacher folglich. Ferner die drei weltlichen Kurfürsten – hatte es zur Zeit der Erschaffung der Bulle freilich nur den richtigen Glauben gegeben und waren also auch diese Fürsten vormals alle gute Katholiken gewesen, bevor die teuflische Saat des Luthers und des Calvins ihre ketzerischen Früchte tragen konnte – seien sie leider nunmehr allesamt vom falschen Glauben. Ersterdings der lausige Calviner Friedrich der Fünfte, der Pfälzer Kurfürst, der jeden Tag seinem englischen Weibe, verwöhntes Balg des englischen Königs Jakob, den Arsch ordentlich sauber lecke, dabei jeden Furz, gleich welchem Körperende er entfleuche, als köstlich preise, und ganz jenem Dufte folge, ferner der räudige Lutheraner oder Calviner, oder Weiß der Teufel, was er im Moment ist, wie er sagte, in jedem Falle ein Ketzer, der Herr von Brandenburg Kurfürst Johann Sigismund aus dem Hohenzoller Geschlecht, ein Geizhals und Lüsterling von allererster Güte, und endlich der Erzlutheraner Johann Georg Kurfürst von Sachsen, ein Wettiner, der Vernünftigste unter den Dreien, was nicht viel heißen müsse, nichts hasse jener mehr als die Calviner und nichts liebe er so sehr wie die Jagd und das Bier, nenne man ihn nicht umsonst den “Bierjörge”.

      Ja, ein begnadeter Schwätzer war er, der Kurier, und kam nun langsam vom Trab in den Galopp. Letzterlich, so fuhr er fort, und nun solle man mit Obacht lauschen, der entscheidende Kurfürst, das Zünglein an der Waage, wie man so sage, der König von Böhmen und mittlerweile auch von Ungarn, – Letzteres sei freilich für zu behandelnde Causa ohne Belang –, Ferdinand der Zweite, fest beseelt vom guten Glauben, leider aus dem dreckigen Schoße Habsburgs, aus welchem schon so viele klägliche Geister hervorgekrochen. Und jene sieben seien es, die wählen würden, wobei die Mehrheit der Stimmen den Ausschlag gäbe. Wer nun die Prinzipien der Arithmetica beherrsche, demjenigen dürfe mit Klarheit verständig sein, wo der Hase im Pfeffer begraben, denn die Habsburger begehren die Macht und niemals würde ein Ferdinand dem Kaiserthron entsagen. Wolle nun also der gute Herzog von Bayern, Gott mit seiner Seele!, seiner statt Kaiser werden und werfe seinen Hut in den Ring, so brauche er nicht nur die drei Stimmen der geistlichen Kurfürsten, welches vielleicht noch möglich sei, zumal der eine ja sein lieber Bruder, ferner bräuchte es noch im Mindesten die eine Stimme eines Ketzers. Ein gefährliches Spiel wär es allemal, nicht nur für den Herzog, auch für die katholische Sache selbst, sollte er sich gegen die Habsburger stellen und so die katholische Einigkeit entzweien. Und einen mächtigen Feind würde er sich schaffen mit den Habsburgern, deren Größe die letzten Jahre und Jahrzehnte wohl gelitten habe, die jedoch immer noch die schreckliche Macht Spaniens hinter sich wüssten, und man vergesse nicht das letzte Mal, dass sich die deutschen Lande mit Spanien zu messen wagten. Nein, nein, daran glaube er beim besten Willen nicht, dies sei zu gewagtes Spiel für seinen weisen Herzog, daher seine Conclusio, dass der nächste Kaiser unfraglich Ferdinand zu nennen sei. Aber wenn die Böhmen den Ferdinand nicht als ihren König akzeptieren, wagte ich einzuwenden, zählt seine Stimme dann noch etwas? Hierauf jener anerkennend den Kopf hob und in meine Richtung nickte: Hört, hört, da haben wir ja ein kluges Köpfchen unter den Unseren! Was Lob ich mir gerne an den Hut steckte. Genau die richtige Frage sei es, die ich da stelle, und gleichfalls der Kern des Problems der dummen Böhmen, die nämlich darauf bestehen würden, einen neuen König zu bestimmen, frei nach ihrer Wahl, wie es der verrückte Kaiser Rudolf der Zweite ihnen einstmals zugesichert, der törichte alte Tropf. Doch dieses kann nicht sein, denn dieses darf nicht sein! Kämen jene nämlich auf die Idee, einen Ketzer zum König zu erwählen, würde das Machtgefüge wanken, würde die Stimmmehrheit des Kurtages in ketzerische Hände fallen, ein welches niemals und keinesfalls passieren dürfe, man betrachte nur das sich ergebende Paradoxon, ein Ketzer als Römischer Kaiser? Gar vom Papst gekrönt? Nein, nein, ein solches Unding, solche Unmöglichkeit würden der Herzog wie die Habsburger mit aller Kraft zu verhindern wissen. Dies sei auch der Grund, weshalb wohl kein anderes Haupt sich finden lasse, so sehr die Böhmen auch suchen würden, welches die schwere Bürde der Wenzelskrone zu tragen vermöge, denn welcher Mensch könne schon dumm genug sein, sich derlei aufzubürden?

      Wie werde sich der Herzog also verhalten?, wollte Wagner wissen. Keiner ist so schlau wie unsere Bayrische Durchlaucht!, vermeinte der Kurier darauf mit Stolz. Im Moment mache er schlechterdings gar nichts, tue so, als gehe ihn die ganze Sache herzlich wenig an, verkünde offiziell, dass es weder Angelegenheit der Bayern noch der Katholischen Liga, welche ganz und gar nach seiner Pfeife tanze, sei, und lasse sich herzlich bitten von den Habsburgern, seinen mächtigen Arm zu heben. Doch wartet’s nur ab!, sagte der Kurier und neigte seinen Kopf konspirativ zum Wagner, denn hinter den Kulissen sehe die Sache anders aus. Von Seinesgleichen würden täglich ganze Scharen ausgesandt, nach Köln, nach Trier, nach Mainz und zu allen anderen katholischen Ständen, dass Seinesgleichen kaum mehr zur Ruhe käme. Die Sache spitzt sich zu, das sag ich euch! Sobald die Habsburger genug Zugeständnisse gemacht hätten, was sie ohne Frage tun würden, werde zu den Fahnen gerufen. Bayern zieht in den Krieg! Das ist so sicher, wie ich – mein altes Hirn bekommt den Namen nicht mehr hin – … heiße! Und geschieht’s nicht dieses Jahr, geschieht’s im


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