Rosenegg. P.B.W. Klemann
gäbe, der große Johann T’Serclaes von Tilly!
Krieg!, sagte der Hauptmann darauf ganz verträumt, und wie er es aussprach, klang es fast nach einem Segen. Lange noch unterhielten wir uns, erfuhren wir vielerlei der Händel und Zustände in Europas Ländern, denn nicht nur zu Böhmen und den deutschen Landen hatte jener Kurier Ahnung und Meinung, auch zu Frankreich und Spanien, zu den Engländern und Holländern und vielen mehr hatte er Kunde und Zeitung, die er gerne teilte, zumal der Hauptmann ihm noch einen weiteren Krug mit Wein spendierte, was bekanntermaßen die Zunge lockert.
Als wir spät abends unser Lager aufschlugen, hieß der Hauptmann uns zusammensitzen und verkündete, dass, wenn die Werbung beginne, er sich der Armee anzuschließen gedenke. Der Schuhmann neben ihm nickte, er werde auch beitreten. Es stehe freilich jedem frei, sein Glück selbst zu bestimmen, sagte der Wagner, zumal der Krieg kein Kinderspiel sei, doch seine Entscheidung stehe fest. Bei den Ligisten sei er noch ein unbeschriebenes Blatt, daher wolle er in Bayern bleiben und sich werben lassen, um im ligistischen Heer zu dienen. Mich brauchte man nicht lange persuadieren, jung und dumm wie ich war, erklärte ich mich gleichfalls bereit zum Kriegsdienst. Und die anderen taten es mir gleich, wollten auch sie im Krieg ihr Glück versuchen. Nur der Egon haderte. Zu alt fühlte er sich, um noch das Kriegshandwerk zu erlernen, zumal er zweifelte, ob sie ihn überhaupt als Rekrut aufnehmen würden. Zur Werbung wolle er uns begleiten und dann weitersehen.
Bis dahin sollte es freilich noch dauern. Wir zogen in die Wälder in den Würzburger Umlanden, waren wir nun mal keine städtischen Ganoven, solches weder gewohnt noch zugehöriger Kunst verständig, zogen deswegen in den Wald, unserem Räubertum nachzugehen, lebten spärlich und hielten Quartier in der Nähe eines Ortes nah am Main. An einer kleinen Lichtung im Walde hatten wir uns eingerichtet, als es zu herbsteln begann, kalt und eisig war es, und ich meine, dass der erste Schnee schon lag, als eines frühen Morgens, der Himmel war noch dunkel und Mond und Sterne prangten am Firmament, wir in aller Deutlichkeit den Kometen erblickten. Egon hatte uns aus dem Schlaf gerissen, pflegte er stets früh, vor jedem Sonnenstrahl zu erwachen, und deutete empor zum Kometen, der mit langem, rötlichem Schweif über uns stand. Schön und wunderlich und verheißungsvoll, so sah er aus, gleich einer feurigen Rute uns zur Mahnung. Es ist soweit!, vermeinte Egon feierlich und nickte uns anderen ernst zu. Das Gericht steht an! Und ich kann nicht leugnen, dass ich eiligst mein Kreuz machte. Heute weiß ich, dass er nicht erschienen war, den letzten aller Tage zu verkünden, nein, zu künden von dem bevorstehenden Krieg und Leid, deshalb hatte Gott ihn gesandt, so hell erstrahlt, dass man ihn noch am helllichten Tage erkennen konnte. So klar stand seine Warnung in den Himmel geschrieben, und doch vermochte nichts und keiner das Kommende verhindern. Viele Tage sah man den Kometen fortan am Himmelszelt, sicherlich die dreiundzwanzig oder dreißig, vermeinte Bruder Martin hier, als ich ihm hiervon erzählte; dreiundzwanzig, da an jenem Tage im Mai der Fenstersturz gewesen sei, worauf ich verwies, dass jener Schosen doch zuvor geschehen sei, wo doch Gott mit derlei Omen freilich auf die Zukunft weise, dreißig, da dreißig Jahre es dauern sollte, bis wieder Frieden sein würde, was mir deutlich besser schmeckte und schmeckt und sicherlich der Wahrheit entsprechend ist.
Dass der Komet übles Omen war, darüber war man sich schnell einig, und der folgende harte Winter erschien als weiteres Zeugnis des baldigen Übels und nahenden Untergangs, brachte er uns viel Schnee und Sturm und reichlich Kälte. So schrecklich war jener Winter, fror es so bitterlich, dass selbst der Main größten Teils von Eis bedeckt gewesen, es mir vorkam, als würde es nimmermehr warm werden können. Egon wurde krank in jener Zeit, bekam ein schlimmes Fieber, mussten wir ihn pflegen und hüten, denn er war bald zu schwach, selbst etwas zu tun. Oh, da ist das Ende schon so nahe, und ich muss trotz dessen noch zuvorderst sterben, jammerte er. Der Boden war so hart gefroren, dass wir es kaum schafften, uns einen Ofen in die Erde zu graben, um zu backen, etwas, das zu tun uns Egon gelehrt. Als es ihm schließlich so dreckig ging, dass wir fürchteten, ihn zu verlieren, beschloss der Wagner, dass wir zurück nach Würzburg sollen, für ein warmes Bett und gute Speise und notfalls das Spital in Anspruch nehmen. Ein großes Wirtshaus fanden wir in Würzburg, mit warmer, verrauchter Stube und warmen Betten, teils sogar mit Federdecken, in welches eines wir den Egon legten, während die meisten anderen – der Wagner und die Witwe ausgenommen, welche gleichfalls ein Zimmer bezogen – mit dem Stall vorlieb nahmen. Viel wurde gemurrt von der älteren Partei, der Amon, der alte Sauertopf, der Ärgste unter ihnen, vermeinte gar, man hätte Egon seiner Wege gehen lassen sollen, habe er doch schon genug gelebt. Denn viel an Habe besaßen wir wahrlich nicht mehr, hatten vieles versilbern müssen, hatten bereits unsere Musketen verkauft, mit denen wir im Wald nichts anfangen konnten, unsere Maultiere und zwei der Pferde, einiges an Rüstung und Waffen auch, meinen ersten Degen, auf den ich so stolz gewesen und welcher mir nur noch die Hälfte des bezahlten Preises einbrachte, Bastian seinen Bidenhänder, der ihm so lieb war, dass uns wenig blieb, die Unterkunft zu bezahlen, die sich der Wirt zudem trefflich vergüten ließ, vermeinte er wohl, dass beim Wagner, so wie er gekleidet und ausgestattet, mit seinem edlen Degen, den er seit dem Rosenegg noch immer an der Seite trug und den zu veräußern er sich weigerte, noch einiges zu holen sei.
Trauen tat er uns freilich nicht, ließ ständig Auge auf uns haben von seinen vielen Söhnen und Gesinde und ließ uns kaum Kredit, mussten wir gen Abend unser Kerbholz täglich abbezahlen. Als der Frühling endlich kam und uns freundlichere Witterung bescherte, waren wir dermaßen gefedert, dass wir fast ohne alles dastanden. Zumindest genas der Egon, was mir gute Entschädigung war. Amon schlug vor, dem Wirte, der uns so reichlich geschröpft, an die Gurgel zu gehen und uns Verlorenes zurückzuholen, und ich selber, da siehst du, lieber Leser, wie rau und verwildert ich damals schon war, hielt es für eine treffliche Idee. Der Hauptmann allerdings wollt davon nichts wissen, zu gewagt war ihm die Sache, zumal er noch einige Monate in Würzburg zu verbringen gedachte, in Hoffnung, dass dort geworben würde, war mittlerweile gutes Wetter und gute Zeit zum Werben, wie er meinte. Doch vergeblich warteten wir, und schließlich lockte uns andere Gelegenheit weg, von welcher ich dir baldigst im folgenden Kapitel Zeitung geben will.
Von kleinem Judenraub und schönem Eintreffen in Frankfurt, jenes am Main
Im Frühjahr anno 1619 war’s, da hörten wir vom Tode des Kaisers Matthias, und wie alle Welt fragten auch wir uns, was dies für den Krieg bedeute und wie es nun im Reiche weitergehe, kamen uns nämlich allerhand schlimme Geschichten aus dem Osten zu Ohren, tobte der Krieg in Böhmen und in Österreich und schienen, entgegen aller Erwartung, die Böhmen den Habsburgern ordentlich Paroli zu bieten.
Bis an die Tore Wiens sei das Heer der Rebellen gelangt, hätten sich die Aufwiegler unter dem Grafen von Thurn bis in der Habsburger ureigenstes Heim hinvorgekämpft und den Wiener Ständen einiges an Schrecken eingejagt. Erst die Schlacht zu Sablat, wo die Kaiserlichen unter General Bucquoy gegen den Bastard von Mansfeld und seine Mannen sich geschlagen, und welche mit kaiserlicher Victoria endete, führte zur Entsetzung Wiens, mussten sich die Rebellen folgend retirieren in die eigenen Lande, um ihre Heimat zu sichern.
Damals waren aller Augen und Ohren auf Wien und Ferdinand gerichtet, denn reichlich schlecht schien die Sache der Habsburger zu stehen, und hier und dort wurde bereits das Ende der großen Dynastie ausgerufen, und mancher mag wohl glauben, dass es den deutschen Landen besser ergangen wäre, so ein solches tatsächlich geschehen. Der Sieg von Sablat allerdings errettete das Oberhaupt der Habsburger in seiner bittersten Stunde, war dieser nun erst recht auf Rache gesinnt, und mit Kraft und Eifer machte er sich daran, selbige umzusetzen. Der erste Schritt hierzu sollte alsbald erfolgen, denn zur Kaiserwahl wurde ausgerufen, würden sich die Kurfürsten versammeln, unseren obersten Führer zu bestimmen, sollte zu Frankfurt am Main der neue römisch-deutsche Kaiser gewählt werden.
Viel Frust hatte sich indessen bei unsereins angestaut, ging es kärglich mit unseren Geschäften, hielten wir weiter in Würzburg Quartier, in Hoffnung auf baldige Werbung, mussten uns daher verdingen für leidiges Gewerbe, schafften als Tagelöhner und Stallburschen, vorzüglich die junge Partei, der Andreas, Bastian und ich, und wenig