Now and then. Ella C. Schenk

Now and then - Ella C. Schenk


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mal wieder ungeschickt zusammenpackte und mich schleunigst mit gesenktem Kopf nach draußen begab.

      Trotz der kühlen Brise blieb ich mitten auf der großen Steintreppe stehen und genoss die schwere und zugleich erfrischende Herbstluft. Doch der Moment währte nur kurz.

      „Liiiiihiiivvvv! Halloooohooo!“

      Ich zupfte mir mein Haargummi von den Haaren, schüttelte sie ein paar Mal durch und hüpfte die Treppe hinunter zu meiner besten Freundin. Diese erwartete mich mit zwei Bechern dampfenden Kaffees. Ich drückte sie kurz an mich und nahm ihr das heiße Getränk ab.

      „Gib schon her.“Ich grinste sie an und warf danach noch einen schnellen Blick über meine Schulter. Dabei ließ ich den Groll, der in meinem Magen aufgestaut war, die Stufen hinaufflattern und durch die große Holztür ins Gebäude verschwinden. Ich würde ihn erst am Montag wieder abholen.

      Ich drehte mich wieder zu Eliza, griff in meine Lederjacke und hielt ihr das Geld für das köstliche Gebräu vor die Nase.

      Sie schlug die Hand locker weg. „Na klar doch. Als würde ich dir nicht ungefähr zwanzig Cappuccinos schulden.“ Automatisch sah sie zum Coffeeshop, der sich an der gegenüberliegenden Straßenseite befand.

      Wahre Worte! Hört, hört!

      Lächelnd zuckte ich als Antwort nur mit den Schultern und ging dann los Richtung Stadtzentrum. Meine beste Freundin folgte mir.

      „Wie lange bist du denn heute in der Bar?“

      Eliza zupfte kurz ihren blonden Pony zurecht. „Keine Ahnung. Bis Schluss, wie es aussieht. Hodge meinte, ich solle mich womöglich auf Überstunden gefasst machen.“

      Ich pfiff anzüglich durch die Lippen, während ich mein Handy aus der Tasche fischte und es entsperrte. Wusste ich doch, dass er versucht hatte mich zu erreichen. Schnell räusperte ich mich und wandte mich wieder Eliza zu. „Uh la la, will Hodge dich etwa den ganzen Abend für sich allein?“

      Dafür erntete ich einen Schlag auf den Oberarm, sodass ich ein wenig zur Seite tänzelte.

      „Liv! Jetzt hör mal auf damit. Da läuft nichts!“

      Ihre um einige Oktaven höhere Stimme als sonst verriet sie -mal wieder. Seit sie im Sommer in dieser Bar, kombiniert mit einem Diner arbeitete, war sie dem tätowierten Barchef aber so was von verfallen. Nur wollte sie es irgendwie nicht wahrhaben.

      „Wie du meinst.“

      Ich schenkte ihr ein verschmitztes Lächeln, welches sie knapp erwiderte, bevor sie rasch das Thema wechselte.

      „Sag mal, was war heute eigentlich los mit dir? So mitten in der Arbeit einfach einzupennen, ist ja sonst nicht so deine Art?“

      „Hab gestern schlecht geschlafen, kein Ding.“ Ich wedelte abwertend mit der Hand und verstaute mein Handy wieder.

      „Hmm“, machte sie zögernd.

      Ich schielte zu ihr. „Was, hmm? Jeder schläft mal schlecht. Kein Grund zur Sorge.“

      „Ja, schon klar. Aber falls das wieder zur Gewohnheit werden sollte, ich …“

      „Wird es nicht, versprochen.“

      „Aber wenn doch, und du nur mal wieder zu stur bist, Hilfe anzunehmen, dann werde ich dir deinen kleinen Hintern versohlen. Ich hoffe, das ist dir klar.“ Besagter Hintern erhielt sogleich einen kleinen Schwups als Warnung.

      „Ist angekommen!“

      Ich lachte und verdrehte die Augen.

      „Will ich auch hoffen. Wann kommst du heute eigentlich vorbei? Soll ich einen Tisch für dich reservieren?“

      Ursprünglich wollte ich später noch meine Notizen von der Vorlesung durchgehen und zusammenschreiben, aber dies konnte ich auch dort. Obwohl …

      Und schon machte sich ein unangenehmes Ziehen in meiner Magengegend breit.

      „Ich weiß noch nicht … ich, also … dein Bruder hat mich vorhin schon ein paar Mal angerufen, vielleicht sollte ich …“

      Eliza fiel mir ins Wort. „Mein Bruder ist nicht dein Vater! Du kannst allein Entscheidungen treffen. Wie oft soll ich dir das noch sagen?“

      Unsicher schob ich mir eine verirrte, braune Haarsträhne aus dem Gesicht, während Lizzy mehrmals aufschnaubte.

      „Ja, das weiß ich doch. Und so ist es auch nicht. Er meint es nur gut mit mir.“ Würg. Diese Worte fühlten sich an wie Säure.

      „So ein Bullshit!“

      Jetzt wurde ich schlagartig wütend. Wie immer, wenn man mich so einfach durchschaute. „Jetzt hör auf, du kennst ihn doch besser als ich! Also lass es einfach, okay?“ Meine Stimme kam forscher als beabsichtigt über meine Lippen. Nicht nur ein Passant warf mir daraufhin irritierte Blicke zu. Eliza blieb abrupt mitten auf dem Gehsteig stehen.

      „Nein, ich kannte ihn mal besser. Jetzt ist er nur noch …“

      „Schlucks runter …!“

      „Verbittert. Und ein größeres Arschloch als je zuvor. Sorry, Liv.“

      „Na vielen Dank für die Blumen. Das spricht dann wohl für mich?“ Scham, Wut und Verletztheit tobten gleichermaßen in mir.

      Eliza zog ihre Augenbrauen genervt zusammen. Ob deswegen, weil sie soeben angerempelt wurde, oder weil es unser Streitthema Nummer eins war, konnte ich nicht sagen. Wahrscheinlich aber Letzteres.

      „Es hat nichts mit dir zu tun. Er war schon immer ein Arsch.“

      „Das ist so nicht ganz richtig.“ Und das wusste sie auch.

      „Wenn du meinst.“ Sie schnaufte.

      „Eliza, bitte …“

      „Nein. Lass es! Ich nehme den Bus, bis später.“ Und schon wirbelte sie herum und stolzierte davon.

      Ich atmete tief durch und zählte dabei leise mit, während ich ihren dramatischen Abgang mit zusammengekniffenen Augen verfolgte.

      Doch ich kam nicht weiter als bis vier, da nun ich von der Seite angerempelt wurde. Angespannt reihte ich mich wieder in die schlendernde Menschenmasse ein und folgte dem Strom.

      Ich ging die Upper East Side entlang und mein Blick verlor sich im angrenzenden Central Park. Ein Anblick, der es Gott sei Dank schaffte, mein Gefühlschaos ein wenig zu ordnen. Durch die Baumkronen fielen helle, glitzernde Sonnenstreifen, welche über die Körper der Menschen tanzten. Ich bog nach rechts ab und ließ mich auf einen dicken Baumstamm unmittelbar am Rande des Parks nieder.

      Ich versuchte die Kälte, die von der groben Erde und den herausragenden Wurzeln ausging, auszublenden, und schloss meine Augen. Die Finger schlang ich um den Pappbecher, wärmte sie an diesem wohlduftenden Behälter. Anschließend stellte ich mir das vor, was mich schon von klein auf beruhigte: den Sternenhimmel.

      Zig funkelnde Lichter, ein voller Mond, eine klare Nacht, welche den Geruch von etwas Geheimnisvollen und Belebenden mit sich brachte. Ich fühlte sie fast, wie sie sich wie ein kühler Mantel um meine Gestalt legte. Mich in eine Dunkelheit hüllte, die alles andere als unangenehm war. Denn ich wusste, dass einer der Sterne – der hellste und schönste zugleich – mir immer den Weg zurückweisen würde.

      Denn sie war dieser Stern … Joey, meine große Schwester, die ich so unglaublich vermisste.

      Den präsenten Verkehrslärm hörte ich nach ein paar ruhigen Atemzügen nicht mehr. Stattdessen schwebte ich in einer Leere. Und das war so befreiend. Ich liebte es, an nichts denken und nichts fühlen zu müssen, was ich nicht fühlen wollte.

      Doch der Moment währte wie immer viel zu kurz. Mein Verstand wäre schließlich nicht mein Verstand, würde er nicht das willkommene Gefühl der Freiheit vertreiben und mich mit meinen Unsicherheiten konfrontieren - natürlich. Schließlich schaffte diese Denkmaschine das ja immer.

      Unter den Top drei: Er.


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