Now and then. Ella C. Schenk

Now and then - Ella C. Schenk


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Hause bleiben?

      In die Bar gehen?

      Oder endlich mein Handy zur Hand nehmen und …

      Nein.

      Ich entschied mich für die zweite Option.

      Also schlurfte ich wieder an der Küche und den weißen Couchecken vorbei, betrat meinen Wohntrakt und ging in das Ankleidezimmer.

      Es dauerte keine fünf Minuten, da hatte ich meine Jeans und den grauen Pullover gegen schwarze Leggings und eine blaue Bluse getauscht. Nach kurzer Überlegung kramte ich meine etwas längeren, aus vielen kleinen bunten Perlen bestehenden Ohrringe hervor, und klippte sie hinter die Ohrläppchen.

      Kurz bevor ich meinen Wohntrakt verließ, blickte ich noch einmal prüfend in den großen Standspiegel, der sich in meinem Flur befand.

      Wie jedes Jahr hinterließ der Sommer Spuren auf meinem Gesicht. Eine Vielzahl an Sommersprossen reihten sich um meine Nasenpartie. Trotz meines gebräunten Teints konnte man sie mehr als deutlich erkennen. Sie ließen sich einfach nie unterkriegen. Ich schmunzelte und offenbarte sogleich mein Markenzeichen: meine kleine Zahnlücke. Und schon ging ein Ruck durch meinen Körper.

      Die winzigen Lachfältchen um meine braunen Augen verschwanden abrupt und ich verschloss meinen Mund zu einem Strich.

      Früher liebte ich meine Zahnlücke.

      Heute hasste ich sie.

      Die Hände zu Fäusten geballt wanderte mein Blick automatisch zu meinem linken Handgelenk, welches von meinem ständigen Begleiter - einem braunen Lederband - umschlossen war. Ich schob es mit dem rechten Zeigefinger gerade so beiseite, dass ich eine der beiden kleinen schwarzen Rundungen sah, die andere ließ ich bewusst verdeckt.

      Als meine Lippen zu zittern begannen und ich die aufsteigenden Tränen schon spürte, schnappte ich mir die am Boden liegende Tasche inklusive der darunterliegenden Jacke und machte mich schnell auf den Weg ins Pub.

      Herzlich Willkommen, du liebe Ablenkung!

      Im Pine´s war es stickig.

      Der Rauch von Zigaretten lag mehr als schwer in der Luft. Mit zusammengekniffenen Augen suchte ich das rappelvolle Lokal nach Eliza ab, doch ich konnte nur Unmengen an lernenden Studentengruppen erkennen.

      Sämtliche Bücher, Blöcke und Laptops schienen auf beinahe jedem der runden Holztische verstreut zu sein. Selbst der langgezogene schwarze Bartresen war voll besetzt. Nach ein paar Kopfverrenkungen erkannte ich Hodge durch eine Lücke zwischen einer Mädelsschar an der Bar. Noch auf dem Weg dorthin schlüpfte ich aus meiner Jacke.

      „Entschuldigung? Dürfte ich mal ganz kurz da durch?“

       Ohne die Antwort der blonden gackernden Hühner abzuwarten, schob ich mich durch deren Nest, was mir ein empörendes Schnauben einbrachte. Sobald die Sicht frei war, warf ich meine Jacke einfach über den Tresen. Ich war schon immer außerordentlich schlecht im Zielen, doch es war wirklich nicht meine Absicht gewesen, dass meine Jacke im bärtigen Gesicht des Chefs landete.

      Das Ziel waren eigentlich seine Unterlagen gewesen, über denen er brütete.

      Überrascht richtete er sich auf und suchte mit einem wütenden Funkeln in den Augen nach dem Schuldigen. Doch ich zeigte anstatt Reue lediglich ein schmunzelndes Gesicht, kombiniert mit einem Augenzwinkern.

      Hodge schüttelte langsam den Kopf und zog dabei seine buschigen Augenbrauen in die Höhe. „Du hast Glück, dass ich heute gut gelaunt bin, Süße. Ansonsten würde dein kleiner Hintern bereits draußen am Gehsteig kleben.“

      Ich ignorierte diesen Seitenhieb und setzte stattdessen zu einer patzigen Antwort an: „Das würdest du doch nie tun. Wie sagt man so schön? Harte Schale, weicher Kern?“

      „Jaja, das schon wieder. Sag das nicht zu laut. Ich habe schließlich einen Ruf zu verlieren.“ Sein rechter Mundwinkel hob sich leicht.

      Ich beugte mich über den Tresen und flüsterte: „Dein Geheimnis ist bei mir sicher.“

      Er schüttelte erneut den Kopf, sodass ihm sein längeres, dunkles Haar seitlich ins Gesicht fiel.

      „Was willst du eigentlich hier? Lizzy ist heute im Diner eingeteilt. Ab nach hinten mit dir!“ Zur Untermauerung seiner Aussage wedelte er mit der tätowierten linken Hand und warf mir meine Jacke zurück, die ich mehr schlecht als recht auffing. Fangen war nämlich auch nicht meine größte Stärke. Ein Hoch auf die Uni, wo man nicht mehr zum Volleyball gezwungen wurde!

      „Danke, Hodge. Bis dann!“

      Ich verließ die vernebelte Bar und durchquerte den spärlich beleuchteten Verbindungsgang, an dem die Toiletten abzweigten, um das helle Diner zu betreten.

      Trotz des noch vorhandenen Tageslichts leuchteten unzählige Spotlights von der Decke herab und spiegelten sich in den großen Fensterfronten.

       Ich zögerte nicht lange und ging auf den ersten freien Tisch zu, der mir ins Auge fiel. Ich rutschte über die bequeme weiße Lederbank und angelte mir noch in der Bewegung die kleine Speisekarte.

      Von Eliza war keine Spur zu sehen.

      Dafür aber von einer anderen Kellnerin, deren Namen ich schon mal gehört, jedoch wieder vergessen hatte. Ihr suchender Blick traf den meinen und sie kam auf mich zu.

      „Olivia, richtig?“ Ihre rosarot geschminkten Lippen zogen sich leicht in die Höhe. „Eliza macht gerade Pause.“ Sie deutete auf das Fenster, neben dem ich saß. Ich folgte ihrer Geste, und tatsächlich: Eliza stand in der kleinen Gosse neben den Mülltonnen und telefonierte.

      „Was kann ich dir denn bringen?“

      „Eine Cola und einen Cheeseburger, bitte.“

      Sie notierte sich die Bestellung und zog von dannen.

      Danach richtete ich mein Augenmerk wieder auf meine beste Freundin, die mit der einen Hand ihr Handy ans Ohr drückte, und mit der anderen heftig gestikulierte. Ihre Wangen waren stark gerötet und sie konnte kaum stillstehen. Nicht nur einmal fuhr sie sich hektisch durchs Haar.

      Neugierig geworden lehnte ich mich automatisch näher an die Fensterscheibe und drehte mein Gesicht zur Seite. Ich schob den blauen, schweren Samtvorhang zurück und legte mein Ohr an. Bescheuert, aber ich konnte nicht anders.

      Natürlich verstand ich kein einziges Wort und verdrehte die Augen aufgrund dieser sinnlosen Aktion.

      „Na, was ist denn so interessant?“

      Ertappt und leicht verschreckt schoss ich kerzengerade zurück ins weiche Leder.

      Wie immer unzertrennlich, tauchten Mase und Jeremy neben mir auf. Feuerrotes, kurz abstehendes Haar und die hellblauesten Augen, die ich je gesehen hatte, fixierten mich. Und zwar in doppelter Dosis.

      „Schön euch zu sehen, Jungs!“ Und das meinte ich auch so.

      Die Zwillinge waren die reinste Frohnatur. Jeder für sich ein Goldstück.

      Jer ließ sich neben mir nieder und Mase nahm gegenüber von mir Platz.

      „Es könnte sein, dass ich versucht habe, Eliza ein wenig auszuspionieren. Ich glaube, die heckt was aus.“ Ich deutete mit meinem Kopf auf sie.

      Die Augen der beiden schnellten in ihre Richtung und sie begannen zu schmunzeln.

      „Na dann werden wir es ohnehin bald erfahren. Wir wissen doch, dass sie nichts für sich behalten kann. Und außerdem, kein Geheimnis ist vor mir sicher.“ Jer setzte ein fieses Grinsen zur Schau und rückte weiter zu mir auf, sodass er mir ziemlich nahe kam.

      Ich konnte nicht verhindern, dass ich mich daraufhin wie eine Eins versteifte, und sofort einen schnellen Blick durchs Diner warf.

      Mase entging meine Reaktion nicht. „Der Kontrolleur ist nicht da, keine Sorge.“ Ich antwortete nicht und er fuhr fort: „Er ist noch auf dieser Besichtigung. Er hat mir vor einer knappen halben Stunde geschrieben.“ Meine Füße begannen


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