Now and then. Ella C. Schenk
Sein Blick schweifte in die Ferne. „Obwohl ich mich manchmal schlecht fühle, dass ich lächelnd an sie zurückdenke und mich in diesen Augenblicken glücklich fühle, obwohl sie nicht hier ist. Ich frage mich …“
Sofort unterbrach ich ihn. „Rede dir ja kein schlechtes Gewissen ein. Sie hätte gewollt, dass wir uns so an sie erinnern. An ihre fröhliche und kunterbunte Art denken. Und nicht an das, was aus ihr wurde. Was die Krankheit aus ihr machte. Ich bitte dich, Jer! Sei glücklich, wenn du an sie zurückdenkst. Nichts anderes hätte sie gewollt.“
Sein Blick fraß sich in meinen. Wir sagten nichts. Und dennoch sagte dieser Blick alles. Ein alles, was uns beiden genommen wurde. Erst als Mase sein Glas hob und uns zuprostete, ließen wir unsere Gedanken an frühere Zeiten weiterziehen.
Die Salate wurden serviert und wir aßen fast stillschweigend.
Als wir fertig waren, bezahlten die Jungs trotz meines Einwandes die gesamte Rechnung und verabschiedeten sich.
Da ich nicht nach Hause wollte, bestellte ich mir noch einen Café Latte, holte meine Unterlagen von Professor Peters hervor und ging die einzelnen Themenpunkte durch. Ihre Vorlesungen waren stets streng durchstrukturiert, und dennoch schaffte ihre charmante Art den Inhalt locker und leicht zu vermitteln. Meine Professoren in Bio und Chemie könnten sich eine Scheibe von ihr abschneiden. Aufgrund des anhaltenden wirren Geschnatters der Leute konnte ich mich jedoch nicht konzentrieren, so kramte ich meinen I-Pod und die Ohrenstöpsel aus meiner Tasche und ließ Ed Sheeran auf mein Trommelfell los. Dieser Typ schaffte es immer wieder, Ruhe in meinen Kopf zu bringen. Hin und wieder kam Eliza vorbei und zupfte mir die Stöpsel aus den Ohren, um kurz zu tratschen. Und jedes Mal, wenn ich sie auf ihr Telefonat von vorhin ansprach, wich sie mir aus. Ungeschickt noch dazu. Doch ich ließ es darauf beruhen. Schließlich hatte jeder seine Geheimnisse. Ich eingeschlossen.
Als ich Stunden später das Diner verließ, war es bereits dunkel und kühl. Die Schatten der anbrechenden Nacht hüllten sich um mich, ließen mich nicht nur einmal frösteln und unwohl fühlen.
Zudem lastete mein Handy schwer in der Tasche, trotz der Tatsache, dass es die letzten Stunden ruhig geblieben war. Ich konnte nicht sagen, ob dies ein gutes oder schlechtes Zeichen war. Meine Vernunft riet mir, endlich zurückzurufen, doch mein Bauchgefühl war dagegen. Zweifel stiegen in mir auf. Wie immer, wenn ich in letzter Zeit an ihn dachte. Vor lauter Frust kickte ich ein paar Kieselsteine Richtung Straße, bevor ich zum nächsten Taxistand ging. Doch mein Groll verpuffte in Angst, als plötzlich quietschende Reifen auf mich zukamen.
Zerrissenheit.
Unfähig zu wissen, was tun.
Auf der Stelle stehen, weinen,
fluchen und am Schlimmsten, rastlos ruh´n.
Der Körper gereizt, bis aufs Letzte gespannt.
Ohne Klarheit und Vernunft, ins Verderben gerannt.
Joey
Die Musik wummerte laut durch die Wände. Der tiefe Bass ließ mein bereits nervöses Herz noch unregelmäßiger schlagen. Gleich war es soweit.
Ich zupfte noch einmal an meinen künstlichen, aufgeklebten Schnurrhaaren, bog sie noch etwas nach oben. In etwa so weit, wie mein Lächeln nach unserer Verkündung auf der Halloweenparty aussehen würde.
Jon und ich hatten beschlossen, es heute offiziell zu machen. Wir wollten keine Geheimnistuerei mehr. Lange hatten wir unsere Gefühle verborgen gehalten. Was schwer war. Richtig schwer. Doch es hatte so sein müssen. Sein Vater hätte uns keine Sekunde mehr aus den Augen gelassen. Nicht, dass sein Goldjunge noch von seinem Einserdurchschnitt abgelenkt werden würde.
Ich schnaubte.
Dieser verdammte Narzisst von Anwalt. Es war mir schleierhaft, was Dad an seinem Firmenpartner fand. Langjährige Freundschaft hin oder her. Er wurde von Jahr zu Jahr unheimlicher.
Noami, meine Langhaarkatze, strich sich miauend an meinen schwarzen Leggings entlang und hinterließ Unmengen an weißen Haaren darauf. Ich seufzte und wollte sie schon vor die Zimmertür setzen, als mir eine Idee kam. Grinsend hob ich meine kleine Prinzessin hoch und kuschelte mit ihr. Ihr buschiger Schwanz schwang vor Freude über meine Oberschenkel und mein enges, schwarzes Shirt wurde von ihrer pummeligen Gestalt umhüllt. Erst als sie klagend aufmiaute, ließ ich sie wieder auf den Boden gleiten. Nicht jedoch, ohne ihr vorher noch einen fetten Schmatzer aufzudrücken. Keine Sekunde später begann mein Handy und die Türklingel gleichzeitig zu summen und ein Blick aufs Display verriet mir, wer wohl vor meiner Haustür auf mich warten würde.
Ich kraulte Noami noch kurz den Kopf, kontrollierte anschließend zufrieden mein Outfit und ging zur Haustür.
„Ich dachte, du gehst als Catwoman?“ Jons Augen blitzten belustigt unter seiner schwarzen Maske hervor.
„Ich bin Catwoman. Hallo?!“
„Du siehst eher aus wie eine Kopie von Noami.“
„Hey, werde nicht frech!“ Ich schlug ihm auf seine gepanzerte Schulter.
„Hey, selber! Aber keine Sorge, du siehst wundervoll aus.“
Ich merkte, wie ich leicht errötete. Gott sei Dank hatte ich eine Menge Puder auf meinen Wangen, da fiel es nicht so auf.
„Du wirst ja rot.“
Na toll.
„Ja und wenn schon. Ich bin deine fast offizielle Freundin. Ich darf bei dir rot werden.“
Das entlockte ihm ein kleines Lächeln.
„Ich kann es kaum erwarten, die Gesichter von Remy und Lizzy zu sehen, wenn sie von uns hören.“
„Das kannst du laut sagen, meine Liebe.“ Er umfasste mein Kinn mit seiner rechten Hand und gab mir einen zarten Kuss auf die Nasenspitze. „Wollen wir?“
„Und wie wir wollen. Ich hole nur noch schnell meinen Schlüssel. Warte kurz.“
Ich lehnte die Tür an und lief zum Wohnzimmertisch. Dort stand eine kleine Schüssel mit etlichem Zeug - so auch meinem Schlüssel. Ich angelte ihn unter ein paar Stiften und Bonbons hervor und wandte mich bereits wieder zur Tür, als mir erneut eine wunderbare Idee für den Abend kam. Ich griff nach einem schwarzen Marker und huschte zum Ausgang.
Als ich die Tür öffnete stand Jon kerzengerade aufgerichtet, mit schulterbreitem Stand, die Hände in die Hüften gestemmt vor mir.
„Batman wartet nicht. Also komm, Weib!“
Ich verdrehte die Augen, schloss ab und hockte mich hin. „Dein Weib will, dass du dich kurz zu ihr runter beugst. Ginge das?“
Er tat wie geheißen.
Ich schob die unzähligen Bambusse zur Seite, bis die fünf Namen sichtbar wurden. Danach bog ich mich noch weiter vor und malte zwischen Jons und meinem Namen ein kleines Herz.
„Du und deine romantische Ader. Ich hoffe, das halte ich ein Leben lang aus.“
Er nahm mir Stift und Schlüssel ab, legte beides gut versteckt in das grüne Gestrüpp und zog mich schnurstracks in die Höhe. Unsere Körper prallten aneinander, ließen für nichts anderes mehr Platz.
„Das will ich doch hoffen, Freundchen.“ Mit dem Zeigefinger fuhr ich seine Unterlippe entlang.
„Mach weiter so, und die Party wird ohne uns stattfinden.“
Ich zog meine Augenbrauen in die Höhe. „Ach, tatsächlich? Eine Party ohne den Gastgeber? Das geht doch nicht.“
Als er Anstalten machte, meinen Finger in den Mund zu nehmen, riss ich ihn weg und zwickte ihm dafür in die Seite.
„Süße, du bist unverbesserlich. Scheint, als müsste Batman dir heute Nacht mal die Leviten lesen.“
„Kann es kaum erwarten.“ Ich raunte ihm die Worte zu,