Now and then. Ella C. Schenk

Now and then - Ella C. Schenk


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Wortwahl „verbittert“ traf es ziemlich gut. Dabei konnte ich mich nicht erinnern, ihm einen Grund dafür gegeben zu haben, schließlich hielt ich mich an unseren beschissenen, geheimen Deal.

      Ich schüttelte langsam meinen Kopf und ließ ihn heftiger als gewollt an den Baumstamm hinter mir prallen.

      Wo ist es nur? Das Vertrauen, die Liebe in mich?

      Weg.

      Zerstört und verloren durch Vertrautheit in dich.

      Möchte um mich schlagen, mich winden und drehen.

      Doch schlussendlich bleibt nur eins:

      diese Angst zu fühlen und versuchen zu verstehen.

      Joey

      Drei Jahre zuvor

      „Verehrte Miss Olivia Jefferson! Würden Sie mir die Ehre erweisen, und mich zu meiner Halloweenparty in meinem eigenen Hause begleiten?“ Der Charmeur vor mir machte doch tatsächlich einen Kniefall, und lugte mit großen Augen durch seine in die Stirn hängenden Haare zu mir empor.

      Ich presste die Lippen fest aufeinander, um nicht laut loszuprusten, nickte aber zeitgleich heftig auf und ab.

      Jon erhob sich galant, legte seine Hände auf die Brust und sang ein langgezogenes: „Daaaanke, Weeeeib!“

      Mir blieb mein aufkeimendes Glucksen im Hals stecken und mein Unterkiefer klappte gen Boden.

      „Wie war das? Nanntest du mich gerade Weib?“ Ich stemmte meine Hände in die Hüften, um autoritär zu wirken, doch anscheinend verfehlte es die erhoffte Wirkung.

      Mein Gegenüber plusterte sich geradezu auf und antwortete lapidar: „Jep.“

      „Frechheit.“ Ich verschränkte die Arme vor meinem Oberkörper. „Wenn du mich noch einmal so nennst, dann kannst du allein auf deine noch so tolle Party gehen.“

      „Wollen Sie mir etwa drohen?“ Seine Augenbrauen verschwanden unter seinen braunen Stirnfransen. „Entweder du kommst mit mir, oder du wirst nicht eingeladen. Punkt. Aus. Außerdem bin ich ein Jahr älter als du. Du musst meine weise Entscheidung also akzeptieren.“ Dann grinste er überheblich.

      „Ja uuuhhh, meine Knie schlottern schon vor Angst. Dann geh ich halt mit einem deiner zwei Geschwister. Irgendwer von den beiden wird mich sicher mitnehmen.“ Ich streckte ihm die Zunge entgegen und tänzelte in Richtung meines Bettes.

      „Wirst du nicht. Du bist meine Hold. Du gehst, wenn, mit mir.“

      Jon schloss wieder zu mir auf, sodass mir sein Geruch nach frischer Seife in die Nase stieg.

      „Aja, und seit wann darfst du das bestimmen?“

      „Seit ich dich damals, wo du noch ein kleines Mädchen warst, vor dem dicken Timothy gerettet habe.“

      „Ach komm schon, den hätte ich doch noch locker besiegt!“

      „Ja genau, du Fliegengewicht, du!“

      „Ich bin doch kein Fliegengeeeee … ahhh!“

      Ich kam nicht mehr dazu, meinen Satz zu beenden, denn er warf mich federleicht über seine rechte Schulter und stolzierte sogleich aus meinem Wohntrakt hinaus in den großen Wohn-Essbereich, wo Mum und Dad gerade einen Film guckten.

       Die zwei warfen uns zwar einen schrägen Blick von der Seite zu, beachteten uns jedoch nicht weiter. Sie waren es gewohnt, uns so herumtollen zu sehen.

      Bei ihnen angekommen löste er den Klammergriff um meinen Hintern zwar, jedoch nicht, ohne mir vorher noch einen kräftigen Klaps zu verpassen. Mit einem leisen Aufschrei knallte ich auf das weiße, flauschige Sofa.

      Hastig rutschte ich an das gegenüberliegende Eck, weg von meinen Eltern. Ich tastete nach einem weichen Polster und warf ihn mit voller Wucht auf meinen Peiniger. Doch Jon sah die Attacke kommen und duckte sich trotz seiner Körpergröße von 1, 90m geschickt weg. Mein Wurfgeschoss prallte mitten auf den Fernseher.

      „Olivia Jefferson!“ Dad wandte sich mir zu und hob anklagend den Zeigefinger. „Benimm dich gefälligst! Du bist seit kurzem auf der Uni, also führe dich nicht auf wie ein Kind.“

      Ich spürte, wie meine Wangen sich erwärmten, und setzte schon zu einem leisen „Entschuldigung“ an, als ich lautstark unterbrochen wurde.

      „Es war meine Schuld, Mr. Jefferson, es tut mir leid.“

      „Jaja, Jonathan. Das glaubst du ja wohl selbst nicht.“ Dad blickte von ihm zu mir und begann zu schmunzeln. „Du musst meine Kleine nicht immer in Schutz nehmen!“

      „Muss ich wohl.“ Er sagte dies einfach so dahin und ließ sich kurz darauf neben mir auf die Couch plumpsen.

      Dad schüttelte den Kopf und murmelte: „Was mach ich nur mit euch zwei?“

      Ich grinste und flüsterte zu Jon: „Sollen wir zu Eliza und Remy runter?“

      „Ne, ja nicht! Vater ist daheim. Er würde mich nur zum Lernen ins Zimmer schicken. Schließlich bin ich ja eine faule Niete in seinen Augen. Also lass uns hierbleiben.“ Er legte den Arm um mich und schaute Richtung Fernseher.

      „Bist du nicht“, beschwichtigte ich ihn und lehnte mich dabei gegen seine Schulter. „Dein Notendurchschnitt ist ein Traum. Außerdem sagt er das nur, weil du vor Oxford ein Jahr lang mit deiner Mum auf Reisen warst - Reisen, in denen ihr mehrere Wohltätigkeitsveranstaltungen organsiert und durchgezogen habt. Das verdient großes Lob. Das Ego deines Dads hat das einfach nicht vertragen.“

      „Pech für ihn“, murmelte er und zuckte die Achseln. „Nur weil er Mutter nicht leiden kann, muss ich es nicht auch tun.“

      „So ist es. Dein Vater ist übrigens sowieso ein Spinner und eifersüchtig, weil sie so viel Geld hat.“

      Das brachte ihn zum Schmunzeln.

      Als der Film endete, wünschten wir meinen Eltern eine gute Nacht und gingen wieder zurück in meinen Wohnbereich. Während ich mich ins Bad begab, huschte Jon den Flur hinab in mein Schlafzimmer. Als ich es Minuten darauf ebenfalls betrat, hatte er sich bereits auf meinem Bett breitgemacht und lugte unter der roten Kuscheldecke hervor.

      „Wer sagt, dass du heute hier schlafen darfst?“

      „Na ich!“ Er rollte mit den Augen.

      „Und wenn ich das nicht will?“ Skeptisch blieb ich vor dem Bett stehen.

      „Als hätte ich die letzten paar Mal was anderes gemacht! Und du hattest keinerlei Einwände, sofern ich mich zurückerinnere. Also, komm schon her.“ Er zog die Decke einladend in die Höhe, sodass ich einen fulminaten Ausblick auf sein Captain America-Shirt hatte. Ich kicherte und kuschelte mich in seine Arme.

      „Braves Zahnlückenmädchen.“

      „Hey.“ Ich biss ihm leicht in den Hals. „Das letzte Mal hast du mich so genannt, da waren wir wie alt? Zehn?“

      Ich merkte, wie er mit seinen Schultern zuckte und statt einer Antwort gab er mir einen hauchzarten Kuss auf meine Stirn, was mich mal wieder wie bekloppt lachen ließ.

      Doch ich hielt inne, als mir Mums Gesichtsausdruck während des Films in den Sinn kam. Keine noch so lustige, traurige oder spannende Szene konnte ihr eine Gefühlsregung entlocken. Manchmal fragte ich mich, ob ihre Tabletten sie nur dämpften, anstatt sie wieder ins Leben zurückzubringen.

      „Ich habe Mum während des Films ein paar Mal beobachtet und …“

      Jon unterbrach mich sofort mit einem leisen „Ich auch.“

      „Hoffentlich wird es bald besser werden. Joey hätte das nicht für sie gewollt.“ Ich vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge und genoss seinen vertrauten Geruch.

      „Das wird es, Liv. Ganz bestimmt. Wir werden ihr beistehen.“


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