Now and then. Ella C. Schenk
was soll ich machen? Ich habe eine Vorliebe für düstere, tätowierte Typen.“ Ihre Brauen hüpften ein paar Mal anzüglich auf und ab.
„Hast du das ein oder andere Mal bereits erwähnt, ja. Ted wäre der Schwiegersohn schlechthin, oder?“
„Ja, wer´s glaubt. Sofern ich will, das Dad einen Schlaganfall bekommt, dann garantiert.“ Danach rollte sie mit den Augen und zog von dannen. Wahrscheinlich Richtung Badezimmer.
Ich schüttelte belustigt den Kopf und wandte mich gleichzeitig Richtung Flur, um der schwitzenden Masse ein wenig zu entkommen. Außerdem würde ich Jon so besser im Blick haben, wenn er zurück kam.
Ich lehnte mich an die beige tapezierte Wand und wartete. Es verging keine Minute, als ein Typ, den ich noch nie zuvor gesehen hatte, auf mich zusteuerte.
Sein weiß-blaues Hockeyshirt klebte an seinem durchtrainierten Oberkörper, und seine blonden Locken standen quer in jegliche Himmelsrichtungen ab.
Als hätte er meine Gedanken gehört, fuhr er sich mit einer Hand durch seine Haarpracht. Je näher er mir kam, desto breiter wurde sein Schmunzeln und zwei Reihen weißer Zähne blitzten hervor.
„Du musst Liv sein!“ Er hatte eine unglaublich tiefe Stimme.
Etwas überrumpelt von seiner rechten Pranke, die er mir entgegenhielt, kombiniert mit dem offenherzigsten Lachen, das ich je gesehen hatte, konnte ich ihn erst einmal nur anblinzeln.
„Ah, wie unhöflich von mir, dich einfach so zu überfallen.“ Er verdrehte seine Augen. „Jon hat mir ja bereits erzählt, dass du nicht so sehr auf Hockey stehst. Du bist ja eher der Footballtyp, stimmt´s?“ Er kratzte sich kurz den Hinterkopf und fuhr fort: „Und jetzt komme ich da einfach in meinem Captainshirt auf dich zu“, er zwinkerte einmal kurz, „und bringe dich in Verlegenheit. Das tut mir leid.“
Mein Unterkiefer klappte nach unten. Ich verstand nur Bahnhof. Woher kannte er mich?
Er seufzte lautstark. „Oje, immer das Gleiche mit euch Mädels. Weißt du eigentlich, wie mühsam es immer für mich ist? So dermaßen auf mein Äußeres reduziert zu werden? Schrecklich, sag ich dir. Und das Allerschlimmste …“ Er beugte sich näher zu mir. „Die meisten vergleichen mich ständig mit dem einen Typen aus die Tribute von Panem.“
Da konnte ich mich nicht mehr zurückhalten und prustete lautstark los. Er hatte recht. Aber sowas von. Er sah aus wie dieser sexy Typ mit dem Dreizack.
Sichtlich schockiert über meinen Lachanfall, schüttelte er mit einem verdatterten Gesichtsausdruck den Kopf.
Dies ließ mich noch mehr lachen. Tränen stiegen mir bereits in die Augen. Und auch er konnte sich langsam aber sicher kaum mehr zurückhalten.
„Weißt du, normalerweise hängen die Mädels spätestens nach dieser Aussage hoffnungslos an meinen Lippen.“ Er seufzte. „Aber ja, Jon erzählte mir bereits, dass du sehr hartnäckig sein kannst.“
Mein Lachanfall verebbte langsam, da meine Neugierde die Überhand gewann. Noch etwas hüstelnd krächzte ich: „Jetzt sag schon, wer bist du?“
„Natürlich sein Zimmernachbar in Oxford. Und außerdem spielen wir in derselben Mannschaft.“ Er zeigte mit beiden Daumen auf sein Shirt.
„Aaaahhh, dann bist du …“
Er verneigte sich kurz vor mir und unterbrach mich: „Aaron, schön dich kennenzulernen.“
„Aaron, natürlich! Hi!“
Jon hatte mir schon öfters von ihm erzählt, und im Nachhinein gab ich mir gedanklich eine Kopfnuss, da ich ihn nicht auf den ersten Blick erkannt hatte - den Hockeycaptain, dem die Damen reihenweise verfielen.
„Und ich dachte, die Nummer mit dem Eishockeyshirt wäre deine heutige Verkleidung.“
„Ne.“ Er schaute etwas zerknirscht. „Ich hatte leider keine Zeit für ein Kostüm. Daher … nun ja.“
„Besser als nichts.“
„Du sagst es.“
Wir unterhielten uns angeregt über sein Studium, über meine und seine beruflichen Ziele. Er wollte in die Politik, und ich erzählte ihm von meinem Wunsch, Medizin zu studieren. Als das Thema auf unsere Familien fiel, drückte ich mich nur sehr vage aus. Aaron schien dies jedoch nicht zu stören, denn er plapperte und plapperte und plapperte non-stop über seine Mutter und seine drei kleinen Schwestern. Einen Vater erwähnte er nicht, und ich fragte auch nicht nach.
Aaron wurde mir schnell sympathisch und ich konnte immer mehr nachvollziehen, warum Jon so viel von ihm hielt.
Die Zeit schien zu verfliegen, denn als wir aus unserem vertieften Gespräch auftauchten, hatte sich die Hälfte der Partygäste bereits verabschiedet. Na hoppala. Selten lenkte mich jemand so sehr ab.
Wir beschlossen uns auf die Suche nach dem Gastgeber zu machen, der sowieso erstaunlich lange brauchte, um unsere Getränke zu besorgen. Wir gingen in Richtung Küche. Denn wenn es etwas schaffte, Jon die Zeit vergessen zu lassen, war es dieses heiß geliebte Bierfass.
Zuvor schielte ich noch einmal über meinen Rücken in den Wintergarten und das Wohnzimmer. Doch abgesehen von ein paar Pärchen, die es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht hatten, war tatsächlich keiner mehr dort. Die Musik dröhnte dennoch weiter auf voller Lautstärke aus den Boxen.
Im Flur tummelten sich ebenso nur mehr kleine Gruppenansammlungen. Gerade als wir nach links, Richtung Küche gingen, kamen uns ein paar Mädchen aufgeregt entgegen. Nein, eigentlich liefen sie uns beinahe um.
Verwirrt schaute ich der aufgebrachten Gruppe hinterher, die fast aus der Wohnung zu flüchten schien. Eines der Mädchen kam regelrecht ins Straucheln, als sie sich im Laufschritt eilig ihre Jacke überwarf.
Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Auch Aaron schien die Situation nicht zu gefallen, das erkannte ich an seinem angespannten Gesichtsausdruck. Wir beschleunigten unsere Schritte und Aaron schob die riesige Küchentür zur Seite.
Wir fanden Jon über das große Waschbecken der rustikalen Küche gebeugt vor, und ein beißender Geruch hing in der Luft. Das metallene Bierfass, welches normalerweise auf der Holzanrichte stand, lag am Boden. Aaron warf mir einen besorgten Blick zu, als er mir die Hand reichte, um mir über das Fass zu helfen. Wie auf der Lauer umrundeten wir die Kücheninsel. Doch plötzlich stoppte Aaron so abrupt, dass ich gegen seinen Rücken prallte. Sein Körper spannte sich an, und ich bekam eine Gänsehaut der unguten Sorte. So versuchte ich mich an ihm vorbeizudrängeln, doch er ließ es nicht zu.
Was zum Teufel geht hier vor sich?
„Jon?!“ Ich schubste Aaron ein paar Mal an, doch er bewegte sich keinen Zentimeter.
„Was ist hier los? Verdammt. Aaron. Lass. Mich. Sofort. Vorbei!“ Meine Hysterie gewann allmählich die Oberhand. Denn diese seltsame Stille im Raum, schrie förmlich danach, dass etwas nicht in Ordnung war. Ganz und gar nicht.
„Lass sie durch.“ Jon flüsterte die Worte, zerschnitt die Angespanntheit dieser beängstigenden Ruhe.
Aaron wich zur Seite. Mein Blick wanderte abwärts und mir brach augenblicklich der kalte Schweiß aus. Mein Blut verabschiedete sich aus meinem Kopf, und meine Beine wogen plötzlich Tonnen. Ein Rauschen dröhnte von einem Ohr zum anderen. Übelkeit fraß sich den Weg von meinem Magen zu meiner Speiseröhre empor. Ich schlug mir meine rechte Hand auf den Mund und torkelte gerade noch rechtzeitig zu Jon, der mir sofort unterstützend zur Hilfe eilte und mich zum Waschbecken bugstierte.
Ich erbrach mich über einem Gemisch aus hellroten Tüchern. Als Jon den Wasserhahn aufdrehte, sah ich, dass seine Hand blutverschmiert war.
Was …?!
Mein Blick schnellte wieder zu der zusammengekrümmten Gestalt am Boden, doch ich sah keine Wunde. Cameron hatte zwar kaum mehr Kleidung am Körper, zitterte und wimmerte, doch eine Verletzung sah ich nicht. Äußerlich jedenfalls. Obwohl … Jons Cape bedeckte ihren Unterleib, da ihr Höschen neben ihr lag. Blutete