Now and then. Ella C. Schenk

Now and then - Ella C. Schenk


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meinem Wohnabteil.

      Der Duft von Speck und Kaffee empfing mich.

      Etwas irritiert rief ich den ersten Namen, der mir einfiel: „Dad?“

      „Olivia! Ich bin es, Maria!“

      Ich folgte der brummigen Stimme unserer Haushälterin und fand sie am Boden kniend in der Küche vor. Ihr korpulenter Körper quetschte sich in den Unterkasten der Spüle und ein scharfer Geruch von Putzmittel stieg mir in die Nase. Ich nieste ein paar Mal heftig, sodass es mich fast aus den Latschen haute.

      „Gesundheit, Kleines!“

      Maria tauchte auf einmal vor mir auf und ihre großen Hände, welche in gelben Gummihandschuhen steckten, hielten mich.

      „Olivia! Du musst einfach mehr essen. Du bist so dünn wie eine Bohnenstange! Ich kenne bei Gott keinen Menschen, den es bei seinem eigenen Niesen fast von den Socken haut!“ Sie ließ mich los und stemmte ihre Hände in die Seiten.

      Ich murmelte ein leises „Jawohl“ und machte mich schnell daran, mir Ei und Speck auf den Teller zu laden, obwohl ich eigentlich keinen Hunger hatte. Ich setzte mich auf einen der zwei Barhocker nahe der Anrichte, und goss mir ein Glas Orangensaft ein.

      Noch mit vollem Mund fragte ich: „Wie geht es Rosa? Hat sie sich gestern noch erholen können?“

      Maria stoppte in ihrer routinierten Putzbewegung und blickte mich durchdringend an. „Sie sagt ja, aber ich kenne Mutter. Sie versucht mal wieder, alles runter zu spielen.“ Daraufhin seufzte sie laut und ihre Schultern wanderten kraftlos nach unten. „Wenn sie nur nicht so stur wäre. Sie sollte endlich ihre Medikation anpassen, doch sie weigert sich zum Arzt zu gehen.“

      Ich spülte meinen halbzerkleinerten Bissen schnell mit Orangensaft hinunter und beeilte mich zu sagen: „Dad und ich haben gestern bezüglich ihres Gesundheitszustandes gesprochen. Er und Harrold werden versuchen mit ihr zu reden.“

      Ihre braunen Augen schlossen sich kurz. „Hoffentlich erreichen sie auch etwas.“ Hoffnung schimmerte durch jede Silbe ihrer Worte hindurch.

      Um die Stimmung zu retten, fragte ich sie nach ihren vier Kindern aus. Maria zog die Rasselbande seit ungefähr fünf Jahren allein groß. Geld war nach dem neunten Geburtstag von Aurelia - der Jüngsten - nicht mehr viel vorhanden, da ihr Exmann aufgrund seiner Spielsucht und Dealerei alles verlor und verschwand. Es war ein Drama. Unsere mehrmaligen Versuche, der Familie finanziell unter die Arme zu greifen, wurden ihrerseits vehement ausgeschlagen. Sie wollte keine Almosen. So hatte Dad damals angeboten, sie unter Vertrag zu nehmen, quasi als unsere „Haushälterin“. Sie konnte sich ihre Arbeitszeiten wie auch die Tätigkeiten selbst aussuchen. Und ich meinte zu wissen, dass es auch einer dieser Gründe war, wieso Rosa heute noch in der Kanzlei aushalf. Sie glaubte, uns etwas zu schulden. Denn auch sie verlor durch ihren manipulativen Schwiegersohn jegliche Rücklagen.

      Marias Aufnahme in unser Leben war jedoch ein Gewinn für beide Seiten. Sie war seit ihrem ersten Tag bei uns die Stütze, die Dad und ich zum Überleben brauchten. Sie gab uns Stabilität, vor allem emotional. Sie war es, die seit Mums steigender mentaler Abwesenheit unser privates Chaos organisierte.

      „Maria?“

      „Ja, Kleines?“

      „Hätten du und Aurelia heute Nachmittag vielleicht ein wenig Zeit?“

      „Soweit ich weiß, hat meine Jüngste heute noch nichts vor und ich habe für dich sowieso immer Zeit. Um was geht es denn?“

      Ich lächelte. „Ich finde, meine dunklen Haare könnten für heute Abend ein paar hellere Spitzen vertragen. Was meinst du? Und ein bisschen Hilfe mit dem Lockenstab wäre auch sehr schön, wenn du verstehst, was ich meine.“

      Maria zog ihre Gummihandschuhe in Windeseile aus, warf sie in die Spüle und klatschte entzückt. Sie verstand.

      „Natürlich helfen wir dir, dich für den Maskenball fertig zu machen. Aurelia wird ganz begeistert sein.“

      „Super. Ich freue mich.“

      „Kommt Remy denn auch? Vorhin wirkte er nämlich nicht begeistert, als ich ihn wegen heute ein bisschen ausquetschen wollte. Er brummte nur verärgert und ist dann aus der Wohnung gestürmt.“

      „Er wird da sein.“ Mehr sagte ich nicht. Ich wollte jetzt einfach nicht über ihn reden.

      Ich warf einen Blick auf die rot blinkende Uhr am Ofen und hüpfte vor Schreck auf. „Oh Gott, ich bin spät dran. Eliza wartet mit Sicherheit schon auf mich. Wir müssen zur Schneiderin.“

      Ich sprang vom Stuhl Richtung Wohnzimmer, kehrte aber wieder um, um mein Geschirr in die Spüle zu räumen.

      Maria lachte laut auf. „Das hätte ich doch schon gemacht.“

      „Ich weiß, aber ich bin schon groß. Ich kann mein Geschirr selbst wegräumen.“

      Schmunzelnd sprintete ich wieder los, um so schnell wie möglich mein Ankleidezimmer zu erreichen.

      Ich war ein guter Mensch, bin es noch!

      Dennoch ziehst du an mir,

      lockst mich in ein schwarzes Loch.

      Ich spüre die Fäden, die an meinem Herzen ziehen.

      Sie lassen es schmerzen und winden,

      sodass ich manchmal nur mehr will fliehen.

      Du rufst mich immer lauter und das macht mir Angst.

      Was erwartet mich dort?

      Lass mich doch hier!

      Ich weiß, dass du es kannst!

      Joey

      Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, ob das eine gute Idee gewesen war. Mein linkes Handgelenk brannte trotz der Salbenumschläge wie die Hölle, obwohl es nur drei kleine ineinander verschnörkelte Buchstaben waren. Die Tätowiererin mit dem blonden Pixiecut benötigte nicht einmal eine halbe Stunde für ihr - zugegebenermaßen - perfektes Ergebnis. Die Anfangsbuchstaben von meinem, Jons und Joeys Namen wanden sich wie ein verschlungenes Kreismuster auf meinem linken Handgelenk.

      Dad hatte natürlich höchst widerwillig zugestimmt, und mir erst nach dem fünften Anlauf mit einem grimmigen Gesicht die Einverständniserklärung unterschrieben. Schließlich war ich ja noch nicht volljährig. Und wer hätte gedacht, dass es Mums gute Zusprache sein würde, die ihn erweichte. Ich jedenfalls sicher nicht.

      Doch kaum hatte ich meine Idee und die Bedeutung dahinter erläutert, schlich sich ein Strahlen auf ihr Gesicht, dem sich nicht einmal Dad entziehen konnte. Sobald ich Joeys Namen erwähnte, tauchte Mum aus ihrer Lethargie auf und verhielt sich ansatzweise wie früher. Wie eine richtige Mutter.

      Sie fragte nach, interessierte sich, nahm am Leben teil. Wenn auch nur kurz.

      Mit einer Wucht schlug ich meine Notizen zu, erhob mich vom Drehsessel und ging an mein Fenster. Ich schob den grün gepunkteten Vorhang zur Seite und kippte die Luke.

      Die Außenluft peitschte in das Zimmer und Noami miaute klagend von meinem Kopfpolster auf. Draußen herrschte richtiges Dezemberwetter. Feucht, neblig, kühl und stürmisch. Die Sonne konnte sich schon seit Wochen nicht mehr durch die trostlose, trübe, graue Wand durchkämpfen. Wie ein Ersatzspieler kauerte sie versteckt hinter der Nebelwand, unfähig, sich zu zeigen. Eine Gänsehaut gesellte sich auf meine Arme und ich schloss das Fenster wieder.

      Wann Jon wohl endlich kam? Ungeduldig lugte ich auf den kleinen Eulenwecker auf dem Nachttisch.

      Er war schon Stunden zu spät. Auch mein Handy blieb stumm. Wie so oft in letzter Zeit.

      Seit der Party hatte sich etwas verändert. Sowohl Jon als auch Remy verhielten sich kühl und distanziert uns allen gegenüber.

      Harrold hatte es geschafft, „den Vorfall“ ohne viel Gerede und Aufsehen klären


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