Collapse. Bernd Roßbach

Collapse - Bernd Roßbach


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sind gegensätzlich. Ich würde sagen, eher nicht. Aber das ist alles müßig.«

      »Mir ist klar, je kleiner sie sind, desto schneller zerstrahlen sie. Eigentlich dürften sie gar nicht existieren.«

      »Das schon«, entgegnete Katchenko. »Aber wir kennen nicht die Schwelle der Größenordnung, bis wann sie stabil bleiben.«

      »Und was denkst du über die Risiken?«

      Die Antwort des Russen kam prompt und signalisierte Überzeugung. »Ich sehe keine Gefahr. Wenn überhaupt, bleibt es nur kurz stabil. Wie gesagt, eigentlich müsste es durch die abgebende Strahlung zerfallen.«

      »Glaubst du, wir können es uns mal aus der Nähe ansehen? Ich meine in der Anlage.«

      »Wenn es das ist, wofür du es hältst, ist es nicht mal von mikroskopischer Größe. Es kann nicht gefährlich sein.«

      »Was macht dich so sicher?« Leighland war noch immer skeptisch.

      Katchenko legte einen Hauch besserwisserischen Spotts in seine Stimme: »In Los Alamos 1945 gab es bei der ersten Bombe auch Rufe von wegen Weltvernichtung. Du erinnerst dich, oder? Alle unkten, wenn erst einmal eine nukleare Kettenreaktion in Gang käme, wäre es das Ende der Welt.«

      »Das stimmt«, erinnerte sich Leighland. »Soweit ich weiß, sprachen sie von totaler Verwüstung des ganzen Planeten.«

      Katchenko lachte. »Alles Quatsch. Die wissen doch sowieso immer alles besser. Was gab es schließlich? Einen Entenfurz in der Wüste New Mexicos.«

      »Tja, nur dass ein ähnlicher Entenfurz kurz danach in Ja­pan über zweihunderttausend Menschen das Leben gekostet hat.«

      ***

      Dallas, 20. Juli, drei Tage nach der Alphastabilität

      Brattfield Jones fuchtelte mit einem Stapel Papier vor Pendergast in der Luft herum. Sein Gesicht war puterrot angelaufen.

      »Doktor, es ist unglaublich! Sehen Sie sich das an!«

      Pendergast, noch in seine Aufzeichnungen vertieft, nahm vom Lamentieren seines Kollegen kaum Notiz. Mit ausladender Handbewegung gab er zu verstehen, nicht gestört werden zu wollen.

      »Was denn, was denn, Jones?«

      Brattfield Jones gluckste vor Aufregung. »Wir sind bestohlen worden, bestohlen worden«, wiederholte sich der Physiker zweimal. »Sehen Sie doch!«

      Jetzt wandte sich der Collider Chef doch den Unterlagen zu. Die Papiere dicht vor Augen überflog er die Dokumente.

      »Woher haben Sie das?« fuhr er Brattfield Jones an.

      »Aus dem Faxgerät.«

      »Aus welchem Faxgerät?«

      »Aus unserem Kontrollraum. Es war an Leighland gerichtet.«

      »Das … Das ist …«Pendergast schien die Situation nun wie sein Kollege als aufsehenerregend einzuschätzen.

      »Aus Moskau?«

      »Ja, es kommt aus Moskau. Der Faxnummer nach. Aber ursprünglich stammt es aus China. Zumindest den Notizen der Schriftzeichen nach zu urteilen.«

      »Unsere Forschungsergebnisse in China? Ich fasse es nicht!« Pendergast rückte sich die Brille auf der Nase zurecht und starrte auf den wie angewurzelt stehenden Administration Chief. Dieser schüttelte nur immer wieder den Kopf.

      »Ich habe es mir angeguckt. Vollständig. Die basierenden Berechnungen und Formeln sind exakt beschrieben und entsprechen in allen Details unseren Arbeiten.«

      »Also kopiert?« entgegnete Pendergast.

      »Sehen Sie doch! Selbst die Bezüge und einige handschriftliche Notizen zu den Ableitungen haben sie übernommen.«

      In diesem Augenblick trat Leighland hinzu und wurde sofort von den beiden Forschern bedrängt. Seine Vorahnung schien sich zu bestätigen.

      »Jim, hast du das aus Moskau angefordert?«

      »Ja. Ich habe mit Zorin Katchenko gesprochen. Er informierte mich über angebliche Ergebnisse in Hengshui. Ich war selber überrascht.«

      Schockiert brach es aus Pendergast hervor: »Wir haben es hier mit einer ganz großen Sauerei zu tun! Einfach unglaublich!«

      Er ließ den Papierstapel auf den Tisch sinken. »Ich will die Mitarbeiter dazu befragen, die ganze Führungsmannschaft! Hier stinkt etwas ganz gewaltig zum Himmel!« Seine Stimme überschlug sich. »Brattfield, Sie rufen alle zusammen und organisieren ein Meeting!«

      Nur wenige Minuten später hatten sich alle wichtigen Mitarbeiter im Besprechungsraum versammelt. Es herrschte betretenes Schweigen, als Pendergast den Raum betrat. Während er in die Gesichter der Anwesenden blickte, verfinsterte sich seine Mine nochmals. Der Colliderchef wies auf einen Stapel Papiere, die sich vor ihm auf einer Akte türmten.

      »Meine Herren, ich habe Sie zusammengerufen, da wir Sie über etwas Wesentliches informieren müssen. Zunächst verlange ich von Ihnen, das Sie über die folgenden Informationen außerhalb unserer Anlage kein Wort verlieren und absolutes Stillschweigen bewahren.« Pendergast richtete sich auf, als wollte er eine Rede von außerordentlicher Bedeutung halten. »Vor knapp einer Stunde sind wir in den Besitz von Unterlagen gelangt, die zweifelsfrei beweisen, dass unsere Forschungsergebnisse gestohlen wurden.«

      »Unsere Ergebnisse in fremden Händen!« rief Brattfield Jones.

      »Konkret: In den Händen unseres chinesischen Erzrivalen, dem Collider in Hengshui.«

      Ein Raunen erfüllte den Raum.

      »Ja, Hengshui. Die Unterlagen, die ich einsehen konnte, weisen nur ein Ergebnis aus. Es scheint zu belegen, dass das Graviton mit der Sicherheit von fünf Sigma tatsächlich nachgewiesen wurde. Zurzeit wird dort der zweite Versuch gefahren.«

      Brattfield Jones warf ein: »Unsere Forschungsergebnisse in China, unerhört!«

      »Ohne Zweifel sind unsere Berechnungen und Aufzeichnungen gestohlen worden. Dabei stellt sich natürlich die Frage, wie dies geschehen konnte. Nach dem jetzigen Stand der Kenntnisse müssen wir davon ausgehen, dass einer von uns daran beteiligt war.«

      Das Getuschel schlug sofort um in betretenes Schweigen. Pendergast blickte in die fragenden Gesichter seiner Mitarbeiter. »Hat einer von Ihnen dafür eine Erklärung?«

      Frease meldete sich zu Wort. »Wenn es denn tatsächlich so ist, dann haben wir es mit Verrat zu tun. Mit anderen Worten, wir haben einen Spion unter uns.«

      Keiner im Raum wagte, etwas zu entgegnen. Einige blickten stumm vor sich hin, während andere wiederum den Kopf zu schüttelten begannen. Sparks blieb sprachlos zu seinem Mentor Leighland gewandt, der sich in seinem Stuhl zurücklehnte und mit dem Zeigefinger im Uhrzeigersinn über das Glas seiner Armbanduhr strich. Pendergast verteilte einen Stapel Papiere an die Anwesenden.

      »Meine Herren, in Anbetracht der Lage sind Maßnahmen erforderlich. Wie Sie auf den Kopien erkennen, werden auf drei Blättern hinter den mathematischen Ableitungen Notizen ausgeführt. Ich möchte Sie nun um folgendes Bitten: Erstens, prüfen Sie die zur Verfügung gestellten Unterlagen und beziffern Sie ungefähr das Datum, wann die Notizen dazu abreißen. Ziel dabei ist es, sich dem Tag zu nähern, an dem die Unterlagen weitergegeben wurden. Sollte es sich herausstellen, dass wir den Tag ermitteln können, werden Frease und ich weitere Untersuchungen starten. Die Bewegungsprofile über die Zutrittskarten geben uns vielleicht Hinweise. Zweitens: Melden Sie bitte aus dem Collider abgehende Gespräche an, damit wir diese überprüfen können. Drittens: Das Verlassen der Anlage ist bis zum Abschluss der Ermittlungen untersagt. Wir haben das Innenministerium informiert, und es ist damit zu rechnen, dass jeder von Ihnen befragt wird.«

      Frease ereiferte sich: »Das heißt, wir stehen alle unter Generalverdacht?«

      Brattfield Jones giftete Frease entgegen: »Skandalös, einfach skandalös! Sie waren doch verantwortlich! Sie hätten es verhindern müssen! Jetzt sind wir am Ende!«

      Pendergast


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