Collapse. Bernd Roßbach

Collapse - Bernd Roßbach


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finden Sie die Symbole des jeweiligen Potentials an den beiden gegenüberliegenden Ecken. Klar? Und jetzt die spektakuläre Frage: Wie merkt man sich das Ganze? Okay, ich hab’ da was für Sie.« Leighland machte eine Armbewegung, die einen Kreis beschrieb.

      »Fangen Sie bei S an und folgen Sie den Buchstaben im Uhrzeigersinn. Merken Sie sich die Anfangsbuchstaben. SUV- Fahrer tragen gerne pinke Hemden, damit haben Sie dann die Buchstabenfolge im Guggenheim Quadrat. Okay, haben Sie’s?«Leighlands Schmunzeln spiegelte sich in den Gesichtern seiner Studenten.

      »Rollins, Sie können auch bei U anfangen … Wenn Sie gleich nach Hause gehen, sagen Sie immer wieder auf: Unser Vater findet tausend gute Pornos hinter dem Schrank.« Der ganze Hörsaal brach in Gelächter aus, während sich der Professor das Headset vom Kopf zog.

      »So, das war es für Heute«, murmelte Leighland und griff nach seinem lautlos geschalteten Mobiltelefon. Er sah die eingegangenen Anrufe, die Nachrichten auf der Mailbox. Dann klingelte das Telefon und schon nach wenigen Augenblicken vernahm er die Stimme von Sparks.

      »Guten Abend, Professor«, brachte dieser atemlos hervor. »Sie werden es nicht glauben, bis Sie es mit eigenen Augen gesehen haben! Das müssen Sie sich anschauen!«

      »Was denn?«

      »Wir haben hier ein Problem.«

      Leighland unterdrückte ein Kichern. »Natürlich, was denn sonst, Sparks? Ein Problem. Haben Sie den Laden etwa schon in den ersten Tagen durcheinandergebracht? Ich dachte, selbst Ihnen gelingt das nicht so schnell.«

      »Professor, wir haben hier eine Schwerkraftanomalie, die es in sich hat. Es wird Sie umhauen.« In Sparks Stimme lag jene Ungeduld, die Leighland bereits seit vielen Jahren an ihm kannte und die in aller Regel dann zum Vorschein kam, wenn es sein Zögling nach tagelanger Analyse der Theoreme tatsächlich wieder einmal geschafft hatte, die gestellte Aufgabe vor seinen Kommilitonen am schnellsten zu lösen.

      »Soso, keine Woche im neuen Job und schon den Nobelpreis in Sichtweite, was mein Junge?«

      Sparks blieb unbeirrt. »Professor, wir haben es hier mit einer Alphastabilität zu tun, die echt abgefahren ist.«

      »Haben Sie das Ganze schon analysiert?«

      »Ihrer Lehre nach kann es nur einem Phänomen zugeschrieben werden. Einem Phänomen, das es aber auf der Erde nicht geben kann.«

      »Ach. Und was meinen Sie, ist es?«

      »Ein … Schwarzes Loch.«

      Leighland unterdrückte den Reflex, in Gelächter auszubrechen. »Wissen Sie, was ich glaube, Sparks? Sie sitzen gerade im Kino, haben was getrunken, schauen sich Star Wars Teil fünfzehn an und wollen mal wieder Ihren alten Professor anrufen. Sie nehmen mich auf die Rolle, stimmts?«

      »Professor, wenn Sie es nicht glauben, dann kommen Sie her und sehen Sie sich das selber an.«

      »Was soll ich mir anschauen, Sparks? Ein Schwarzes Loch? Wissen Sie was? Packen Sie’s doch ein und schicken es her zu mir. Ich schau’s mir dann nächste Woche hier in aller Ruhe an. Okay? Ach so: Und den Energiejet am anderen Ende schneiden Sie ruhig ab, damit es in die Kiste hinein passt. Und wenn’s zu schwer sein sollte, können Sie’s ja mit Union Post Package schicken. Soweit ich weiß, versenden die auch überschwere Fracht.«

      »Hören Sie doch, Professor, wir haben hier eine Alphastabilität von mindestens vierundzwanzig Stunden. Und das ohne Strahlungsverlust. Sie müssen sich das ansehen!«

      Am anderen Ende der Leitung herrschte plötzlich Stille.

      »Wenn Sie mir nicht glauben, kommen Sie her und überzeugen Sie sich selbst!« wiederholte Sparks.

      »Seit vierundzwanzig Stunden?«

      »Ja, seit gestern.«

      »Wie oft haben Sie nachgemessen?« Leighland schien Sparks Ausführungen nun mehr Glauben zu schenken.

      »Oft genug!«

      »Sind Sie jetzt im Collider?«

      »Ja.«

      »Gut. Geben Sie mir mal Karel.«

      Sparks reichte den Hörer an Pendergast weiter.

      »Jim, es scheint wirklich so als hätten wir einen Schwerkrafteffekt. Möglicherweise ein Braneworld Black Hole(7). Keine Ahnung, aber vielleicht ist es das, was man 2010 in der Schweiz beim Collideranlauf befürchtet hatte. Es ist jedenfalls stabil und real. Und es scheint nicht zu fluktuieren.«

      »Interessant. Wirklich keine Zweifel, Karel?«

      »Aus meiner Sicht keine Zweifel, nein. Am besten, du schaust dir das selbst an. Ich habe dafür jedenfalls keine Erklärung.«

      »Okay, aber zurzeit ist es schwierig, einen Flug zu bekommen«, widersprach Leighland. »Diese Verrückten da draußen machen eine Menge Probleme. Man nennt sie Creeps. Was auch immer mit denen los ist.«

      »Hier im Colllider bekommen wir davon nichts mit. Die Zugänge sind bewacht, es patrouilliert Sicherheitsdienst, im Außenbereich die Polizei. Ich denke, hier sind wir sicher wie in Abrahams Schoß.«

      »Kann man bei uns nicht sagen. Diese verdammten Sicherheitsbestimmungen bringen alles ganz schön durcheinander. Der ganze Universitätsbetrieb bei uns stockt.«

      »Die werden das schon unter Kontrolle bringen, Jim.«

      »Na, hoffen wir’s. Ich buche jedenfalls den nächstmöglichen Flug.«

      Leighland hatte Glück. Bereits am Folgetag war ein Platz in einer Maschine frei geblieben. Er würde sich vor Ort ein Bild von der Alphastabilität machen.

      ***

      Zur selben Zeit, Genetic Reserch Laboratories

      Der Hubschrauber von General Pruitt landete auf einem abgesperrten Areal von nahezu der Grundfläche eines Fußballfelds. In der Mitte eines gepflegten Rasens, um den herum sich konzentrisch Blumenrabatten scharten, erhob sich ein zwanzigstöckiges Gebäude mit schwarz verglaster Fassade. Einsam und majestätisch zeichnete sich die Silhouette vor dem Himmel ab. Auf dem Dach thronte ein Hologramm mit großen schwarzen Lettern: Genetic Research Laboratories.

      Pruitt durchschritt den großzügigen Eingangsbereich und fand ohne weitere Hinweise des mit einer Handbewegung wortlos grüßenden Empfangschefs den Weg zum Fahrstuhl. Im letzten Stockwerk betrat er einen Vorraum mit nachgelagerter Durchgangsschleuse. Der General nahm davor Position ein und wurde von zwei Laserstrahlen abgetastet, die seine Identität bestätigten. Nachdem der Scan beendet war, öffnete sich die Schleuse. Pruitt trat vor eine schwarz getönte Glaswand, die den gesamten Raum wie eine Mauer teilte. Dahinter erkannte er schemenhaft eine Person. Das mittlere Segment der schwarzen Glasscheibe fuhr zur Seite und gab den Blick in einen dahinter liegenden Raum frei. Der General blickte auf einen hageren Mann mittlerer Größe und Statur, dessen Augen wachsam jede Bewegung seines Gastes verfolgten. Der lichte kurzgeschorene Haarkranz sowie sein angegrauter Bart deuteten ein Alter von mindestens fünfundfünfzig Jahren an. Pruitt kam ohne Begrüßung direkt zum Thema.

      »Ich wünsche eine lückenlose Aufklärung über alles, was diese Katastrophe ausgelöst hat. Sie garantierten uns keine schweren Nebenwirkungen.«

      »Hallo General«, entgegnete der Hagere und ignorierte den offensichtlichen Angriff. »Fühlen Sie sich bei mir wie zu Hause.«

      »Venathaer, wir haben ein Vermögen in Ihre Forschung gesteckt, ich verzichte deshalb gerne auf Ihre Höflichkeitsfloskeln. Und ich sage Ihnen eins: Sollten Ihnen auch nur die geringsten Fehler nachzuweisen sein, dann werde ich Sie zur Verantwortung ziehen.«

      Venathaer blieb scheinbar gelassen. »Devlin, ich hatte Ihnen schon damals gesagt, dass Restrisiken nicht auszuschließen sind. Und bei dem begrenzten Budget …«

      »Kommen Sie mir nicht so, Venathaer! Sie hatten eine viertel Milliarde Dollar zur Verfügung! Ganz zu schweigen von Ihren Sonderwünschen. Champagner und Kaviar, für Sie nur das Beste. Und jetzt das! Sie sind Verursacher des größten Desasters, das ich je erlebt


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