Collapse. Bernd Roßbach

Collapse - Bernd Roßbach


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nicht. Ich wollte die Prüfungsergebnisse zu meiner Masterarbeit abwarten. Dann kann ich weitersehen«, entgegnete Sparks.

      »Ich weiß nicht, mein Junge. Manchmal denke ich, Sie haben nur dummes Zeug wie Surfen im Weltall im Kopf. Warum machen Sie das? Sie haben doch ein Stipendium?«

      »Haben Sie eine Ahnung, Herr Professor, was das Leben da draußen kostet?«

      »Das hört sich an, als wäre ich hier noch nie rauskommen«, entrüstete sich Leighland. »Wie lange sind Sie jetzt schon bei uns?«

      Sparks rechnete nach: »Vier Jahre und vier Monate.«

      »Finden Sie nicht, das ist lange genug? Wollen Sie nicht bald mal etwas Vernünftiges anfangen?«

      »Wie meinen Sie das, Professor?«

      »Ob aus einem Rehstreichler wie Ihnen jemals ein ernsthafter Wissenschaftler wird?« Leighland stieß einen Seufzer aus und ließ keinen Zweifel daran, dass er sich mit der eher durchschnittlichen Karriereplanung seines Zöglings durchaus nicht zufrieden gab.

      »Sparks, auch wenn Sie es nicht glauben: Wir haben hier mehr Studenten als Sie denken, denen die Wissenschaft eigentlich egal ist. Seerosengießer, ich begreife es einfach nicht. Verschleudern ihre Fähigkeiten an drittklassige Unternehmen. Jagen wie Sie dem Geld hinterher. Keine Inspiration, kein Feuer.«

      »Und woran liegt das, Ihrer Meinung nach?«

      »Geltungsdrang, weiß der Teufel«, ereiferte sich Leighland. «Ist doch kein Geheimnis, dass sich bei uns mehr als die Hälfte der Studenten aufgrund unseres Namens einschreiben. Ich fürchte, der Großteil ist hier, weil Papa kein besseres Investment wusste, als Geld in das Studium seines Filius zu stecken. Und wenn diese Kinder dann fertig sind, was tun sie?«

      Leighland wartete Sparks’ Antwort gar nicht erst ab. Sein Lächeln gefror auf den Lippen in einer Weise, die Sparks an die Leidensmine eines Reisenden erinnerte, dessen Zug gerade am Bahnsteig abgefahren war. »Verschwenden den Abschluss danach in belanglosen Projekten irgendwelcher kommerzorientierter Institute.«

      »Woher wissen Sie das?«

      »Ich kenne sie alle. Winken in mehr oder weniger langweiligen Chefpositionen bestenfalls Leuten zu. Welche Perspektive? Irgendwann rennen sie nur noch über Golfplätze und sitzen faul auf ihrem Arsch rum. Dekadent, selbstgerecht und vollgefressen. Was für ein Dasein!«

      Sparks blickte betreten zu Boden, während Leighland sich seine Zigarre wieder anzündete und Luft durch das aufglühende Ende paffte. Es schien ihn keineswegs zu beeindrucken, dass Sparks hüstelte. Voller Genuss blies er Kringel in die Luft.

      »Wissen Sie was, Sparks? Es gibt viel zu viele von denen, und ich hab’ weiß Gott genug davon.«

      Gedankenverloren rührte Leighland mit dem Löffel in der Tasse, bis er schließlich aufblickte. »An Ihnen würde mich mal interessieren: Wie wichtig sind Ihnen die Flausen wie das, was Sie zurzeit in diesem Supermannkostüm im Weltall treiben?«

      Sparks erwiderte: »Sie nennen es Flausen, für mich war es lange Zeit ein Traum.«

      »Dann hören Sie jetzt mal auf, zu träumen. Können Sie sich überhaupt vorstellen, Verantwortung zu übernehmen? Vielleicht, um sich mal wichtigeren Dingen zuzuwenden?«

      »Und was?«

      »Zum Beispiel zur Abwechslung mal richtungsweisender Forschung?«

      Sparks begann, Hoffnung zu schöpfen. »Ich wollte eigentlich später noch meinen Doktor machen, wenn ich es schaffe, die Finanzen zu regeln.«

      Leighland schüttelte den Kopf. »Mensch Shuin, wachen Sie auf! Sie sollten bei Ihrem Talent endlich auf den Punkt kommen. Entzünden Sie die Flamme des Forschungseifers oder was auch immer! Aber kümmern Sie sich weniger um Geld oder darum, Ihre nichtsnutzige Fan-Gemeinde mit teuren Weltraumrutschbahnen zu ködern.«

      »Talent? Meinten Sie damit etwa mich?«

      Leighland machte eine Pause und produzierte einige Kringel Zigarrenrauch. »Naja, ab und zu haben Sie mal ein brauchbares Ergebnis abgeliefert. Zugegeben.«

      »Ich muss sehen, wie ich meine Miete bezahle. Außerdem verbinde ich nur das Angenehme mit dem Nützlichen.«

      Leighland griff in einen Stapel Akten und nahm eine vergilbte Mappe zur Hand, die er mit einem roten Zettel gekennzeichnet hatte.

      »Shuin, wo ist Ihr Forscherdrang? Entfachen Sie ihn. Wenn Sie jetzt nicht die Kurve kriegen, haben Sie Jahre Ihres Lebens vergeudet.«Er blätterte einige Sekunden in der Mappe. » Ach so, was ich Ihnen noch sagen wollte …«

      »Ja?«

      »Nichts Besonderes.« Wieder kramte er in den Unterlagen und machte eine längere Pause. »Naja, für Sie sicher nichts Wichtiges. Es wird Sie wahrscheinlich nicht sehr interessieren.«

      »Okay, und was ist es?«

      »Sie haben Ihre Arbeit zum Master bestanden.«

      Leighland versuchte, gelangweilt zu wirken, während der designierte Master of Physics die Luft anhielt und nach einigen Sekunden der Überraschung über beide Backen zu strahlen begann.

      »Und das sagen Sie mir erst jetzt?«

      »Tja, ich wollte Sie ja nicht mit angenehmen Nebensächlichkeiten langweilen. Auf Sie wartet ja jetzt Arbeit.«

      »Arbeit?« Sparks blickte seinen Mentor fragend und mit großen Augen an.

      »Ja, ich dachte, aufgrund der neuen Aufgabe bleibt Ihnen weniger Freizeit. Also weniger Zeit für Ihre Star-Wars-Allüren.« Leighland beobachtete den Studenten schmunzelnd aus dem Augenwinkel.

      »Was, welche Aufgabe?« Sparks Verwunderung wurde immer größer.

      »Okay, Shuin, also ich habe daran gedacht, Sie an ein Projekt in der Grundlagenforschung zu vermitteln. Eigentlich für uns das zurzeit wichtigste Projekt. Da Sie ja keine Familie haben und kein Rabattmarkensammler zu sein scheinen, ging ich davon aus, dass Sie Ja sagen.«

      Sparks nickte mit offenem Mund.

      »Sie zeigen sich ja sonst auch ganz flexibel. Um es also kurz zu machen: Es wartet Arbeit auf Sie.«

      »Sagen Sie doch schon! Was für Arbeit?« Sparks wurde ungeduldig.

      »Ein Projekt, das Sie später vielleicht in Vorbereitung zur Habilitation nutzen könnten.«

      Sparks versagte nun fast die Stimme. »Was für ein Projekt…? Ich meine, um was geht’s denn da?«

      Leighland, der wieder zwei Löffel Zucker in seinem Kaffee unterrührte, blieb gelassen.

      »Ich kann Sie am Collider einsetzen.«

      Shuin entgegnete: »Sie meinen das Team hier in Stanford, den Linear Accelerator?«

      »Nein. Quatsch.«

      »Okay, also Illinois?«

      «Nein … auch nicht Fermilab.«

      »Wow. Etwa Europa?«

      »Nein, nein, nein!«Leighland winkte ab. »Haben Sie nie von dem Collider in Dallas gehört?«

      Sparks Mundwinkel begannen sich hinabzusenken. »Sie meinen doch nicht etwa das stillgelegte Ding da in Waxahachie, dem vor Jahren schon die Mittel ausgegangen sind?« Sparks erinnerte sich an ein paar nichtssagende Schlagzeilen in der Presse, die nur Wenige zur Kenntnis genommen haben dürften und die im Strudel der täglichen Informationsflut der Gazetten schnell der Bedeutungslosigkeit anheim gefallen waren. So sehr wie sein Enthusiasmus aufgeflammt war, legte sich seine Euphorie nun wieder. »Aber, das ist doch eine Ruine. Soweit ich weiß, hat man’s nie fertig gestellt.«

      »Das …« Leighland klappte die Mappe zu und fixierte die Augen seines Studenten. »Das … stimmt so nicht ganz.«

      »Spannen Sie mich nicht so auf die Folter, Professor. Die haben doch den Bau längst abgebrochen!«

      »Bleiben


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