Collapse. Bernd Roßbach

Collapse - Bernd Roßbach


Скачать книгу
Fingern die Blätter, die er zuvor dem Drucker entnommen hatte.

      »Was ist denn, Sparks? Als Neuzugang haben Sie sich doch bisher durch nichts aus der Ruhe bringen lassen.«

      «Doktor, wir haben eine Alpha-Anomalie. Ein Fehler ist ausgeschlossen. Ich habe die Werte zweimal geprüft und auch die Instrumente gecheckt.«

      »Wie lange dauerte sie?«

      »Das ist es ja, was ich Ihnen sagen wollte, sie dauert an.«

      »Sie dauert an?»Pendergast verzog missgestimmt die Mundwinkel und verlieh damit seiner Überzeugung Ausdruck, es könne sich nur um die Fehlermeldung des Jahres handeln.

      »Sparks, wie lange hatten Sie Kernphysik? Brauchen Sie Nachhilfeunterricht aus dem ersten Semester? Ist es … «

      »Sie ist stabil!«, unterbrach ihn Sparks. Er verlieh seiner Stimme den Colorit der Sicherheit, an seiner Entdeckung keinerlei Zweifel zu hegen. Dennoch schien er ebenso überrascht zu sein wie Pendergast.

      »Sie kann nicht stabil sein. Es ist unmöglich. Eine solche Messung ist irrelevant. Wir werden es wiederholen.«

      Sparks blieb hartnäckig. »Sie sehen es doch. Sehen Sie doch hin! Die Zeitabweichung ist da!«

      »Aber es würde all unseren Theorien widersprechen. Sie kann nicht stabil sein.«

      »Wenn sie aber doch stabil ist? Nur etwas Ultraschweres kann den Raum so krümmen.«

      »Sparks, rechnen Sie nochmal alles nach. Es kann nicht sein!« Pendergasts ständiges Kopfschütteln ließ Sparks für einen Augenblick die Beherrschung verlieren.

      »Wenn Sie es nicht glauben, prüfen Sie es doch selbst! Ich denke wir haben einen Braneworld Effekt! Ist Ihnen das klar?«

      Pendergast strich sich über die Stirn: »Wenn es das ist, an was Sie und ich denken, kann es nicht stabil sein. Die abgebende Hawkingstrahlung würde es sofort kollabieren lassen.«

      »Natürlich weiß ich das. Schwarze Löcher in dieser Größe kollabieren. Dennoch ist die Anomalie stabil. Und Sie wissen, dass ein solches Phänomen nur eine Schwerkraft erzeugen kann, die größer ist als alles, was wir in unserem Sonnensystem kennen.«

      »Sparks, genau deshalb kann sie nicht andauern. Aus diesem Grunde kann sie nicht stabil sein! Weil, das würde ja dann bedeuten …«

      Pendergast stockte. »Das Loch würde in den Erdmittelpunkt gezogen werden.«

      Sparks insistierte: »Die Versuche zeigen aber, dass es weiter existiert. Es kollabiert nicht. Also kann es nur ein Schwarzes Loch sein. Mikroskopisch klein, aber es ist ein Schwarzes Loch.«

      Der ältere Physiker strich sich über das schüttere Haar und blickte auf den Überwachungsbildschirm. Verschiedene Teilsegmente der Collideranlage präsentierten sich auf einer Übersichtstafel.

      »Zeigen Sie es mir. Wo ist es Ihrer Meinung nach lokalisiert?«

      »Noch mitten im Collider. Ich vermute, in Nähe des letzten Kollisionspunkts der hochbeschleunigten Ionen.«

      »Okay, und wie hoch war der Speed zum Zeitpunkt der Kollision?«

      »99,97% der Lichtgeschwindigkeit.«

      Pendergast nahm die Blätter an sich und schritt zur Steuerkonsole. »Wir werden es nochmals messen. Wieder und wieder. Und wenn es die ganze Nacht dauert.«

      Strange

      Krisenstab Pentagon, 18. Juli, ein Tag nach der Alphastabilität

      Der Krisenstab des Pentagon versammelte sich in diesen Tagen alle vierundzwanzig Stunden. Den Vorsitz hatte Generalstabschef James Devlin Pruitt, der nach dem Präsidenten als oberster Befehlshaber der Streitkräfte alle wesentlichen Entscheidungen zu treffen hatte. Er nickte den Anwesenden, allesamt hochdekorierte Funktionsträger, zu, nippte am Wasserglas und deutete auf seinen Assistenten.

      »Meine Herren, lassen Sie uns keine Zeit verlieren. Stockton, Sie informieren uns über die Lage.«

      Robert Stockton, der mit einem eleganten Designeranzug zwischen den Hochdekorierten herauszustechen suchte, wischte mit seiner Hand über die mannshoch aufragende Glasscheibe, die den Raum in zwei Hälften teilte. Im Glas wurde ein Hologramm sichtbar. Bevor Stockton sprach, ordnete er sich mit gekonntem Schwung seiner rechten Hand das gewellte Haar.

      »Sie sehen die Distrikte New York, Detroit und Los Angeles. Meine Herren, wir haben es hier mit den Zentren der Ausschreitungen zu tun. Überfälle, Brandstiftung, Mortalitätsrate: alles signifikant über der Norm.«

      Pruitt unterbrach schon jetzt: »Wie signifikant?«

      Sein Assistent tippte mit dem Finger auf die Glasscheibe. Dabei pulsierten die Flächen der betreffenden Abschnitte bis zu deren Grenzen in leuchtendem Rot.

      »Sechshundert Prozent über der Norm.«

      Am äußeren Rand des Hologramms lieferten detaillierte Zahlenkolonnen weitere Informationen.

      »Eine überregionale Zunahme. Rechts sehen Sie die gemeldeten Vorfälle. Die Meldungen sind gesicherte Daten der Behörden. Sie werden bemerkt haben, dass sie in den betreffenden Distrikten bereits vierstellig sind.«

      Stockton wischte mit einer Handbewegung die Hologramme zur Seite. Blitzschnell bauten sich weitere Animationen auf.

      »Nun zu den Vorfällen.«

      Das Hologramm teilte sich in eine Vielzahl von Kästchen, Bilder und kurze Filmsequenzen wechselten darin mit hohem Tempo.

      »Wir haben eine Reihe von Aufzeichnungen vorbereitet. Typische Szenen, die sich überall wiederholen. Sie stammen von Überwachungskameras oder wurden uns von Einsatzkräften vor Ort zur Verfügung gestellt.«

      Gesichter von Menschen mit weit aufgerissenen Augen und starrem Blick wurden herangezoomt. Die ungepflegte Kleidung dieser Menschen zeugte von längerer Verwahrlosung, während ihre maskenhaften Gesichtszüge an Zombiefilme erinnerten. Die beobachteten Personen trugen keine Waffen, aber niemand der Anwesenden zweifelte daran, dass sie nicht davor zurückschrecken würden, eine zu gebrauchen.

      »Wir nennen sie Creeps. Einige davon scheinen nur verwirrt. Andere sind gewaltbereit. Es sind Terroristen, die erbarmungslos plündern und ohne Rücksicht mit allen Mitteln ihren Willen durchsetzen.«

      »Terroristen? Ist das nicht etwas weit hergeholt?«, kam es aus einer der hinteren Sitzreihen.

      »Wir haben den Creeps diesen Status ganz bewusst zugeordnet, so brauchen wir bei der Durchsetzung der Sanktionen weniger Rücksicht zu nehmen. Außerdem können die Notstandsvorschriften leichter angewendet werden.«

      Alle Anwesenden starrten gebannt auf die Videoaufnahmen. Der Zusammenschnitt der Szenen dauerte vier Minuten. Dann erschallte Pruitts Stimme: »Bis wohin dehnen sich die Handlungen aus? Ich will Zahlen, Daten, Fakten! Ich will Konkretes!«

      Stockton sah einen seiner Assistenten mit fragendem Blick an, der jedoch den Kopf schüttelte und schwieg. Stockton überging die peinliche Situation, indem er für seinen General die Lage nach bestem Wissen zusammenfasste: »Sir, wir bereiten die Zahlen gerade auf und liefern sie nach. Sicher ist, fast alle Städte sind davon betroffen. Die Krankenhäuser melden steigende Patientenzahlen, und die Medikamente gehen bald aus.«

      »Die was gehen bald aus?« Der Befehlshaber reckte beide Hände in die Luft.

      »Stockton, das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Sind wir ein Dritte-Welt-Land, oder was? Wo leben wir? In einer Bananenrepublik, deren Medikamentenbestände sich bei der erstbesten Epidemie in Luft auflösen? Verdammt noch mal, um uns herum verdienen die größten Multimillion-Dollar-Companys der Medizinforschung ihr Geld. Dazu ein flächendeckendes Netz von Krankenhäusern und Spezialkliniken mit Lagern, Reserven und Verbindungen.«

      »Sir, aber irgendwann sind auch die mal aufgebraucht«, verteidigte sich Stockton.

      »Soll


Скачать книгу