Collapse. Bernd Roßbach

Collapse - Bernd Roßbach


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Gesichter fast berührten, dann fuhr er fort: »Glückwunsch, Herr Doktor. Zu Ihrem Titel tragen Sie nun einen weiteren. Weltvernichter. Am liebsten würde ich Ihnen hier an Ort und Stelle die Lichter ausdrehen und die Kaviarhäppchen so tief in Ihren Rachen stecken, dass Sie dran ersticken. So eine riesengroße Schweinerei habe ich in meiner ganzen Laufbahn noch nicht erlebt!«

      Der Forscher, dem dunkle Röte ins Gesicht stieg, wich zurück. Dann öffnete er einen Büroschrank und zog einen Ordner mit Dossiers hervor.

      »Darf ich Sie daran erinnern, dass wir Ihnen bereits nach den ersten Tests die Ergebnisse in vollem Umfang zur Verfügung gestellt haben? Sie kannten also die Risiken! Sie wollten Kampfmaschinen unter bedingungsloser Kontrolle Ihrer Kommandanten. Wir haben biochemisches Neuland betreten. Keiner von uns, keiner auf diesem ganzen gottverdammten Planeten, wusste, wie sich diese Forschung auswirken würde. Und dass es Komplikationen geben könnte, auf diese Risiken haben wir schon im Vertrag hingewiesen!«

      »Venathaer, Sie kommen mir vor wie ein Chirurg, der sein Operationsbesteck in meinem Körper vergessen hat. Aber ich habe Ihnen keinen Haftungsausschluss unterschrieben, mit dem Sie sich jetzt hier einfach aus der Affäre ziehen können. Und ich krieg Sie dran, das verspreche ich Ihnen!«

      Auf der Stirn des Forschers begannen sich Schweißtropfen abzuzeichnen. »Wir hatten nur in zwei Prozent der Tests abweichende Ergebnisse. Darüber sind Sie in allen Details informiert worden.«

      »Ja, Sie erzählen mir nichts Neues«, polterte Pruitt.

      »Die schmerzausschaltende Komponente war eine Vorgabe. Wir haben es geschafft! Die zweite Forderung: Das Bewusstsein in den Hintergrund drücken? Bitteschön, auch das haben wir geschafft!«

      »Eine Horde von Zombies haben Sie in die Welt gesetzt, nichts weiter.«

      »Sie waren es doch, der seine Soldaten zu Befehlsempfängern machen wollte. Und jetzt beschweren Sie sich, dass wir hier unseren Job gemacht haben.«

      »Sie haben es nicht unter Kontrolle!« brüllte Pruitt.

      Venathaer öffnete den Kragen seines Hemdes. Er drehte seinen Kopf hin und her, als wollte er sich mehr Luft verschaffen.

      »Keine Ahnung, warum die telepathische Verschaltung zum Kommandanten nicht funktioniert hat wie vorhergesehen. Liegt vielleicht an den Verunreinigungen des Präparats. Und dass es bei zwei Prozent eine multiple Kontaktneurose …«

      »Verdammt Venathaer, reden Sie in einer Sprache, die ich verstehe!« fuhr Pruitt dazwischen.

      Der Wissenschaftler starrte an die Decke und seufzte. »Das heißt, die Gehirne der Betroffenen ließen sich nicht wie geplant zu einer zentralen Person hinsteuern, sondern sie bildeten gestreute Kontakte. Kontakte zu den Menschen in ihrer Umgebung.«

      »Sie meinen, die haben zu mehreren Personen telepathischen Kontakt?«

      »Genau so ist es. Das muss für die Versuchsobjekte wie ein Gewitter im Kopf gewesen sein. Damit kamen sie nicht klar.«

      »Gibt es ein Gegenmittel?«

      »Wofür? Es handelt sich hier schließlich nicht um einen chemischen Kampfstoff.«

      »Wäre es einer, hätten wir weniger Probleme«, fasste Pruitt zusammen.

      Venathaer beschrieb die Droge wie ein Medikament. »Es sind einfach Nebenwirkungen, auch die physischen Ausfallerscheinungen.«

      »Ausfallerscheinungen? Reden Sie doch Klartext. Wir nennen das plötzliches Herzversagen. Alles Ihr Bockmist!«

      Venathaer erging sich in Ausflüchten. Mit seiner Gestik nahm er eine immer defensivere Haltung ein. »Wir haben nur geliefert. So wie es von Ihnen ausdrücklich gewünscht wurde. Die Reduzierung des Bewusstseins hatten Sie uns selbst in die Bücher geschrieben. Auch die Steigerung des Aggressionspotentials. Selbst die geforderte Ausschaltung von Moral und Hemmung.«

      »Reden Sie sich nicht raus, Venathaer! Soll ich Ihnen sagen, was Sie getan haben? In meinen Augen haben Sie eine Waffe geladen, scharf gemacht, und nun ballert diese Waffe fröhlich in der Gegend herum. Und das auch noch völlig unkontrolliert! Sie tragen die Verantwortung dafür, es unter Kontrolle zu halten! Sie allein!«

      Der Forscher hob beide Hände vor seine Brust. »Verantwortung? Was für eine Verantwortung? Restrisiken können wir nicht ausschalten, nie. Es gibt wie immer nur eine Neunundneunzig Prozent angenäherte Wahrscheinlichkeit. Wir hatten einen Auftrag, einen Auftrag Ihrer Regierung. Haben Sie das schon vergessen?«

      Der General senkte seine Stimme. »Oh ja, ich kenne Leute wie Sie, Venathaer. Skrupellos und geldgierig. Die Verantwortung übertragen sie anderen, wenn es schief läuft, streiten sie alles ab. Venathaer, Sie sind mir zuwider.«

      »Hören Sie auf!« Venathaer machte nun den Anschein, als wolle er sich nicht alles kommentarlos gefallen lassen.

      »Sehen Sie doch den Tatsachen ins Auge! Fakt ist: Es ist schiefgelaufen, und Sie haben es versaut!«

      »Ach, gehen Sie zum Teufel!« Venathaer winkte ab.

      »Oh nein. Es geht Ihnen an den Kragen, und ich lass’ Sie da nicht raus!«

      »Bleiben Sie mal auf dem Teppich, Pruitt. Wenn Wissenschaftler Dynamit herstellen, tragen sie dann die Verantwortung für die Kriege in der Welt? Nein! Die Erfindung des Eispickels war auch nicht die eines gemeinen Mordwerkzeugs. Aber, wie wir beide wissen, wird er weltweit gerne als solches verwendet. Auftraggeber wie Sie haben nicht weniger Skrupel. Und die Verantwortung mit einer neu geschaffenen Kreatur überall auf der Welt Schaden anzurichten, tragen Sie genauso wie ich. Aber wenn’s dann brenzlig wird, suchen Leute wie Sie immer einen Sündenbock.«

      Pruitt schäumte vor Wut. »Ich lass’ mich doch von Ihnen nicht beleidigen! Dafür, dass Sie das Zeug ohne mein Wissen nach China verscherbelt haben, könnt’ ich Sie vor’s Kriegsgericht stellen lassen.«

      Venathaer, der sich seine Krawatte und den Hemdkragen öffnete, konterte: »Jetzt machen Sie aber mal einen Punkt! Hätten Sie uns die Mittel für die Produktion nicht zusammengestrichen, dann hätten wir die Präparate hier in den Staaten produzieren lassen. Aber nein, ich durfte wieder eine neue Lösung finden. Ein Kaninchen aus dem Hut zaubern! Hätten wir nicht die Billigfabriken unserer Joint Venture Company in China, dann wär’s vor Jahren schon vorbei gewesen mit der Idee einer zuverlässigen menschlichen Kampfmaschine.«

      »Vorbei gewesen wäre es aber auch mit den Fördermitteln! Sie haben kassiert und weiterentwickelt. Abgeliefert haben Sie dann den letzten Dreck!«

      Venathaer ließ sich in einen der Ledersessel fallen. Seine Stimme wurde ruhiger. »Die Verunreinigungen sind in Asien passiert, da bin ich mir sicher. Für die fehlerhafte Zusammensetzung können wir nichts. Immerhin waren es zertifizierte Joint Ventures. Und für die verbrecherische Verteilung über Schwarzmarktkanäle tragen wir hier die allerwenigste Verantwortung. Das wissen Sie genau.«

      Pruitt winkte ab. »Ach, Ihre Joint Ventures interessieren mich einen feuchten Dreck.«

      »Es waren gottverdammte Pannen, nichts sonst«, verteidigte sich Venathaer weiter: »In Asien haben die jetzt dasselbe Problem wie wir. Laden Sie jetzt nicht den ganzen Dreck auf mir und meinem Team ab.«

      »Schluss jetzt! Was Sie in Teufelsküche gebracht hat, ist nur Ihr Gewinnstreben! Aber es wird Ihre ureigene Hölle sein, in der Sie schmoren. Wenn es Ihnen nicht gelingt, die Katastrophe einzudämmen, dann wird es Ihr Untergang. Das verspreche ich Ihnen.«

      Der Wissenschaftler sprang auf, kehrte Pruitt den Rücken zu und betrachtete die Berichterstattung auf einem Fernsehbildschirm. Die Reportage zeigte Straßenschlachten in Detroit und Dallas.

      »Machen Sie die Augen auf!« preschte Venathaer vor. »Dealer verteilten das Zeug an Studenten. Nicht ich. Seit Monaten decken sich diese ganzen Leute mit Strange ein. Wie sollten wir das ahnen?«

      Auch Pruitt blickte jetzt konzentriert auf den Bildschirm, die Reportage brachte ihn aus dem Konzept: »Verdammt … warum ausgerechnet so viele Studenten?«

      »Warum?«Venathaer lachte


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