JURASSIC DEAD. David Sakmyster
Der Captain lachte weiter, während er eine Reihe von Bedienelementen über seinem Kopf betrachtete. Xander lachte nicht mit. »Ja, ja. Also, vielleicht sollten wir uns mal ein bisschen am Riemen reißen; gibt es eine Anlegestelle oder etwas Ähnliches?« Der Captain atmete stoßartig aus und benetzte so den Schirm des Navigationssystems vor ihm mit Speicheltropfen. »Natürlich, Sportsfreund, gleich neben der Hafenkneipe mit den Mädchen in den niedlichen, knappen Kleidchen, die mit Tabletts voller Point Erebus mit Eiswürfeln herumtanzen! Zu dumm, dass sie eigentlich Pinguine sind, und die Würfel ein Eisberg, der nur darauf wartet, uns auf diesem Kahn ein zweites Arschloch aufzureißen.« Er machte eine Pause und schaute zu Xander hinüber, um zu sehen, wie dieser reagierte, ehe er fortfuhr: »Nein, es gibt keine Anlegestelle, nur ein paar kleine Stege hier und dort an der Küste dieses beschissenen Eiskontinents, aber keinen in dieser Bucht, und dieses Schiff ist sowieso viel zu lang, um es zwischen den Eisbergen zu manövrieren.« Er zeigte weiter in die Bucht, wo die Meeresoberfläche mit immer mehr weißen Brocken gespickt war. Xander wirkte verwirrt. »Ich dachte, es sei ein Eisbrecher und für so etwas ausgelegt.« Er wies mit einer Armbewegung zu der Fensterscheibe und hinaus auf die Wasserfläche voller Eisberge zwischen dem Tanker und der zerklüfteten Küstenlinie. Der Captain drückte einen Knopf, um den besonders großen Anker des Schiffs hinunterzulassen. »So, das dachten Sie? Sollte man meinen, ja. Im Grunde schert sich DeKirk einen feuchten Dreck um irgendjemandes Sicherheit. Schauen Sie mal her.« Er tätschelte das Armaturenbrett. »Dieses Schiff entspricht dem neuesten Stand der Technik, ein echtes Wunderding, aber nicht so, wie Sie vielleicht denken. Wissen Sie, diese zu große Metallbadewanne fährt höllisch schnell – für eine Metallbadewanne –, doch um so hohe Geschwindigkeiten zu erreichen, musste etwas Anderes geopfert werden, und das war die stärkere Beplankung eines Eisbrechers, die schwer wie Blei ist.« »Warum sollte man so etwas wollen?« »DeKirk wollte es, um Adranos Island so schnell wie möglich zu erreichen, sobald wir dieses Eisfeld durchquert haben.« »Was hat es mit dieser Insel auf sich, von der ich ständig …« Der Captain hob eine Hand, da sein Bordfunkgerät anfing zu knistern. »Still jetzt; Zeit für die Arbeit, damit wir endlich von hier wegkommen.« Xander murmelte vor sich hin, während sich der Skipper per Funk in irgendwelchem technischen Kauderwelsch erging. Die Unterhaltung wurde nun ein wenig hitziger, als die Person am anderen Ende fragte, ob der Captain dichter zum Ufer beidrehen könne. »Negativ. Bringen Sie es einfach auf dem Frachter her. Wir werden warten und mit den Hufen scharren.
***
Ungefähr eine Stunde später näherte sich ein langes, flaches Motorschiff dem Tanker Hammond und wurde daneben vertäut. Auf dem Deck standen vereinzelte Frachtcontainer und Industriemaschinen. Eine vielköpfige Besatzung ging an Deck emsig zu Werke. Auf der Brücke des Tankers erteilte der Captain lautstark Befehle über die Sprechanlage, um einen großen Kran zur Crew draußen auf seinem Deck zu drehen.
Xander beobachtete, wie man eine rechteckige Kiste vom Frachter auf das Arbeitsdeck des Tankers hob. Er erschauerte vor Aufregung, als er sich das Foto vergegenwärtigte, das er zuvor in seinem Quartier am Laptop gesehen hatte. Xander verließ die Brücke, während der Captain seine Crew weiter per Lautsprecher herumkommandierte. Er ging eine vereiste Metalltreppe hinunter – nicht, ohne einmal auszurutschen und sich den Kopf am Geländer zu stoßen – auf das Deck, das die erhöhte Brücke umgab. Die Rufe der Besatzungsmitglieder hallten währenddessen über das Schiff. Als er auf das Arbeitsdeck des Tankers hinunterschaute, wurde der ausgegrabene Fund gerade vom Hebezug des Krans auf einen breiten Gabelstapler gewuchtet, wobei ein Dutzend kräftiger Männer gehörig ins Schwitzen kam, um die Kiste genau mittig aufzusetzen.
Xander schaute dabei zu, wie ein Crewmitglied zum Vorarbeiter ging, der das Team delegierte. Mit einem Klemmbrett in der Hand, aber ohne Schutzhelm oder gummierten Overall, wie sie der Rest der Mannschaft trug, wirkte er seltsam fehl am Platz. Dyson erkannte, dass sich der Vorarbeiter langsam über den Mann ärgerte und hektisch in Richtung des Frachtraums zeigte, während sich der Gabelstapler in Bewegung setzte. Dort hinunter stieg auch Xander, dem die überdimensionierten Ketten an der Wand wieder einfielen. Als er durch das breite Flügeltor ging, das momentan aufgehalten wurde, sah er den Neuling an Bord hinter dem Stapler herlaufen, der zum Halten kam, nachdem er ein gutes Stück weit ins gewölbeartige Innere gerollt war.
Xander schloss ebenfalls auf. Der Mann blieb beeindruckt mit offenem Mund stehen und starrte auf das gewaltige Paar Metallfesseln und die Kiste – den zwischenzeitlichen Lebensraum, den man nun von den Zinken des Gabelstaplers zog und im Laderaum abstellte. Xander erkannte jetzt, dass der Fremde etwas Hispanisches an sich hatte und außerdem eine Art von beständiger, stiller Angespanntheit ausstrahlte, die entweder suggerierte, dass er in der Gegenwart einer solchen Entdeckung weiterhin Ehrfurcht empfand, oder – was wahrscheinlicher war – von einem Menschen zeugte, der Pläne schmiedete, um zu erlangen, was er begehrte. Dyson musterte ihn kritisch.
Der Betrachter selbst wirkte fast erschrocken, als habe Xander einen Eimer Wasser über seinem Kopf ausgeschüttet und ihn so aus einem angenehmen Traum geweckt. Nachdem er diesen Eindruck abgeschüttelt hatte, bot er ihm eine Hand an. »Ja bitte? Kann ich Ihnen helfen?«
»Ich bin Xander Dyson, Leiter des Forschungsbereichs von DeKirk Enterprises, und Sie sind?«
»Dyson sagen Sie? Ich bin Dr. Marcus Ramirez, Chefpaläontologe auf DeKirks Expedition hier.«
Xander schaute ihn distanziert an und machte keinerlei Anstalten, die Hand des Doktors zu schütteln. Nun wusste er, mit wem er es zu tun hatte, und eine Bedrohung – egal wie gering – erkannte er, sobald er sie sah.
»Stellen wir eines gleich von Anfang an klar: Sie sind hier nicht der Chef-irgendetwas. Ich habe nun das Sagen und glaube, Sie werden feststellen, dass Ihre Dienste hier nicht mehr länger benötigt werden.« Er zeigte auf die Kiste, an der sich nun sechs Besatzungsmitglieder mit Stemmeisen zu schaffen machten. »In diesem Fundstück laufen Jahre der Vorbereitung und harten Arbeit zusammen. Sie wurden aufgrund Ihrer Fachkenntnisse in einer sehr schmalen Nische hinzugezogen, die uns dabei halfen, dieses Ziel zu erreichen. Solange Sie Ihren Platz in der Hierarchie nicht vergessen, werden wir wunderbar miteinander auskommen, bis wir landen; dann dürfen Sie den nächsten Flug nach Hause oder an welchen Ort auch immer nehmen, den Sie aufsuchen, wenn Sie nicht im Eis herumstöbern.«
Marcus Gesicht nahm abwechselnd unterschiedliche Rottöne an, bevor es sich auf einen kräftigen dunklen einstellte, der besonders auffiel. »Mr. DeKirk unterschreibt meine Lohnschecks, nicht Sie. Dieses Musterstück untersteht ausschließlich meiner Verantwortung, bis wir die Insel erreichen.«
Es polterte nachhallend im Frachtraum, als Sperrholzplatten auf den Metallboden fielen. Marcus drehte den Kopf, um hinüberzuschauen, doch Xander packte seinen Arm und zog ihn fort. »Folgen Sie mir.«
Marcus versuchte, sich der erstaunlich fest zupackenden Hand zu erwehren. »Lassen Sie mich sofort los.«
»Ich denke nicht daran. Sie haben mir kaum eine andere Wahl gelassen, also kommen Sie jetzt; wir unterhalten uns über ihren Sohn. Los.« Xander begann, tiefer in den Raum zu gehen, und winkte Marcus, er möge sich anschließen. Die Arbeiter waren immer noch mit der Kiste beschäftigt, also führte er den Doktor an einem Schott vorbei in den mittleren Bereich. Überraschenderweise gab es hier ein Schiffsgefängnis, ein winziges Büro, in dem ein Crewmitglied gegenüber einer kleinen Zelle saß und eine Glühbirne ohne Schirm in einem Drahtkorb an einer Wand hing. Marcus wunderte sich, als er sah, dass sein Sohn eingesperrt war. Dieser saß auf einer abgewetzten Metallpritsche und hatte sein Kinn in beide Hände gelegt.
»Alex! Wie um Himmels …«
Der Junge fuhr mit dem Kopf hoch, als er die Stimme seines Vaters hörte.
»Dad! DeKirks Soldatenschläger haben mich hier reingesteckt! Was ist denn los?«
Der Wächter an seinem kleinen Tisch gegenüber der Zelle drehte einen Laptop um, sodass Marcus auf den Monitor schauen konnte. DeKirk richtete sein faltiges Gesicht auf die Kamera und fing an zu sprechen: »Ich sage Ihnen, was los ist.« Der Unternehmer erhob seine Stimme, um die Aufmerksamkeit aller Anwesenden zu fordern. »Dr. Ramirez, wie Sie vielleicht schon von meinem Partner Mr. Dyson erfahren haben, aber nicht hinnehmen wollten, beende ich Ihr Angestelltenverhältnis mit sofortiger Wirkung. Sie werden an einem Hafen in Chile abgesetzt und erhalten dann ein bezahltes